Protest:Sie ham's satt

Bis zu 18 000 Menschen demonstrieren am Samstag auf dem Königsplatz für Umwelt- und Klimaschutz und gegen die Landesregierung

Von Philipp Crone

Es geht los!", schreien drei Kinder und sprinten über die Wiese auf dem Königsplatz hinten von den Infoständen in Richtung Bühne. Es ist kurz nach 11 Uhr, gleich werden die Redner bei der "Mir ham's satt"-Demo einer nach dem anderen von der Bühne vor den Propyläen aus von diesem beeindruckenden Ausblick schwärmen. Es haben sich Tausende Demonstranten am Samstag auf der Wiese und vor der Bühne versammelt, Fahnen in allen Farben sind zu sehen, und Transparente mit verschiedensten Forderungen. Und schon um kurz nach elf Uhr kann man sagen: So eine Demonstration hat es auf dem Königsplatz lange nicht gegeben. Um kurz nach 12 Uhr spricht die Polizei von 8000 Teilnehmern, "noch mit starkem Zulauf", die Veranstalter bereits von mindestens 10 000, doch die Zahl wird sich noch stark verändern in den nächsten Stunden.

Mehr als 80 verschiedene Verbände und Gruppen haben sich zusammengeschlossen, um "für ein gutes Leben in Bayern und der Welt" zu demonstrieren. Für Klimaschutz, gegen die dritte Startbahn in München, für Bienen, gegen Flächenfraß, für Vielfalt, gegen Massentierhaltung, für "Unsere Erde" und in vielen Rede- und Plakatbeiträgen auch explizit gegen die CSU und die Landesregierung. Wer über den Königsplatz läuft, zuschaut und zuhört, bekommt einen Einblick, auf wie vielfältige Weise sich Menschen um die Natur sorgen. Mit zum Teil sehr prägnanten und einfallsreichen Slogans bringen viele ihr Anliegen auf den Punkt. Und dann ist auch noch ein wenig Polit-Prominenz im Einsatz.

Protest: Der Königsplatz hat schon lang nicht mehr eine solch große Demonstration gesehen wie am Samstag bei dem Protest mit dem Motto "Mia ham's satt".

Der Königsplatz hat schon lang nicht mehr eine solch große Demonstration gesehen wie am Samstag bei dem Protest mit dem Motto "Mia ham's satt".

(Foto: Robert Haas)

Der Königsplatz erinnert ein wenig an das Pferderennen bei Asterix. Es gibt viele verschiedene Farben, die vor allem als Fahnen sichtbar sind, und ebenso viele Forderungen. Gelb und sehr groß zu sehen ist zum Beispiel die Ablehnung der dritten Startbahn, das Banner spannt sich über ein Drittel der Treppen vor der Antikensammlung. Ein Junge, der genau so groß ist wie das Plakat, das er trägt, demonstriert daneben gegen die Versiegelung von Flächen. Vor dem Hintergrund einer Straßenkreuzung steht bei ihm geschrieben: "Betoniert nicht meine Zukunft." An ihm vorbei gehen welche mit orangenen Fahnen, das sind die Vertreter des Fahrrad-Clubs, die einen Ausbau der Radwege fordern. Weiß tragen die Sympathisanten des Münchner Umweltinstituts, das auch einen Infostand aufgebaut hat. Auf diversen rosafarbenen Fahnen geht es um "Rettet die Bienen" oder "Bauernhöfe statt Agrarfabriken", während auf hellgrünen Fahnen "Tierfabriken, nein danke" vom Bund Naturschutz geschrieben steht. Und Grün ist ohnehin in diversen Schattierungen vertreten. Greenpeace ist vor Ort, die Partei der Grünen sowieso. Manche Teilnehmer haben Kuh-Kostüme angelegt und halten Plakate hoch mit der Aufschrift "Artgerecht statt massenhaft". Die Statt-Slogans sind ohnehin in der Mehrzahl an diesem sonnigen Samstagmittag.

"Vielfalt statt Einfalt", "Umweltschutz statt Kohleschmutz", die Forderungen gehen in die Richtung, die auch Bettina Küntzel formuliert. Die 43-Jährige ist mit ihrem Mann und den beiden Kindern da und sagt: "Es geht um eine Mobilitäts- und Agrarwende." Der Adressat? "Die CSU." Die bediene noch immer die Auto-Lobby und schiebe viele Umwelt-Themen auf die lange Bank, "man muss da viel mutiger rangehen". Martin Hänsel, Stellvertretender Geschäftsführer vom Bund Naturschutz in Bayern, sagt, während er grüne Fahnen zusammensteckt und schon die ersten musikalischen Einlagen laufen: "Wir erleben seit Jahren, dass wesentliche Probleme in der Landespolitik nicht angegangen werden." Es gebe keine Verkehrswende, man brauche schlicht weniger Autos, um die Luft sauberer zu bekommen. Außerdem gehe die Staatsregierung nicht gegen Flächenfraß vor, "das Volksbegehren wurde nicht zugelassen". Man zeige an diesem Samstag mit dem breiten Bündnis, dass es sich hier bei den Menschen eben nicht um eine Randgruppe handele, wie es die CSU gerne darstellt bei Demonstrationen in letzter Zeit, sagt Hänsel. Im Hintergrund rufen in dem Moment zum ersten Mal Tausende den Slogan des Tages: "Mia ham's satt!"

Protest: Die Polizei spricht von 15 000 Teilnehmern, die Veranstalter von 18 000.

Die Polizei spricht von 15 000 Teilnehmern, die Veranstalter von 18 000.

(Foto: Robert Haas)

Die Atmosphäre auf dem Königsplatz ähnelt ein wenig einer Mischung aus Tollwood und Open-Air-Konzert, statt Fingerfood an Ess-Ständen gibt es allerdings vor allem viel Information zu verdauen. Anton Hofreiter, Grünen-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, steht - was die Stimme anbelangt - ziemlich wahlkampfgeschädigt am Stand seiner Partei und kommt gar nicht dazu, etwas zu sagen. Er ist vor allem Selfie-Station, jeder möchte mit dem Politiker dieser gerade in Bayern so nach oben schießenden Partei ein Foto machen. "Unsere Lebensgrundlage ist auf verschiedene Arten bedroht", sagt Hofreiter zwischen zwei Fotos zu den verschiedenen Forderungen bei der Demo. Das sei ein großes Bündnis für den Arten- und Klimaschutz. "Es geht im Grunde schlicht um das Überleben von uns allen."

Mittlerweile macht die Band Hundling Musik und das Bühnenprogramm läuft. Die Slow-Food-Deutschland-Leute hören zu, als Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz vom schon verbreiteten "stummen Frühling" spricht. Es gebe eben keine Artenvielfalt mehr auf den Mais-Monokultur-Ebenen, deshalb ist der Frühling so still. "In Bayern ist in den letzten 40 Jahren die Hälfte der biologischen Vielfalt verloren gegangen", sagt er und fordert weitere Großschutzgebiete.

Protest: Klimaschutz und Tierschutz waren dabei nur zwei Themen der zahlreichen und kreativen Plakate.

Klimaschutz und Tierschutz waren dabei nur zwei Themen der zahlreichen und kreativen Plakate.

(Foto: Robert Haas)

Sepp Huber steht derweil neben einem der Traktoren, die gleich den Demonstrationszug zum Odeonsplatz und über die Theresienstraße zurück zum Königsplatz anführen werden, und schüttelt den Kopf. "Ich bin pensionierter Elektriker aus dem Bayerischen Wald und hier, weil es einfach grauenhaft ist, wie wir mit der Natur umgehen." Noch mehr Kopfschütteln. "Wir leben doch von der Natur." Ein paar "Naturfreunde Deutschlands" ziehen mit roten Fahnen vorbei, als der 21-jährige Moritz Angstwurm von der Bund-Naturschutz-Jugend auf der Bühne sagt: "Geht wählen, gebt der Natur eine Stimme." Und Chris Methmann, der letzte Redner vor dem Start des Demonstrationszuges, sagt anschließend: "Vielleicht geht der Wahltag vorbei, aber diese Bewegung wird bleiben, und sie wird laut bleiben." Und Tausende Menschen werden laut.

Anschließend ziehen die Demonstranten los. Es sind noch einmal viele Teilnehmer und Plakate hinzugekommen, etwa "Statt Bavaria One pflanzma liaba an Baam" oder "Sägt am Horst, nicht am Forst". Liedermacher Hans Well und seine Wellbappn gstanzeln und bekommen für jede Zeile Applaus. Biene Maja reimt sich auf BASF und Bayer, es gibt eine Umtauschprämie für Dobrindt und wie man "den Kindern in Bayern das Wort absurd erklärt - wenn einer wie Scheuer Minister werd".

Das große Finale ist dann allerdings keine Musik, sondern eine kurze Durchsage. Die Wellbappn tritt ab und einer der Organisatoren auf, er hat die Zahl der Demonstranten. "18 000!" ruft er auf den Königsplatz - und alle jubeln und rufen noch einmal "Mia ham's satt!"

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