Protest gegen "Glockenbachsuiten":Späte Wut wegen der "Luxusburg"

Protest gegen "Glockenbachsuiten": So sehen die Pläne für das Eckgrundstück an der Reichenbachbrücke aus: die künftigen Glockenbachsuiten am Rand der Isarvorstadt.

So sehen die Pläne für das Eckgrundstück an der Reichenbachbrücke aus: die künftigen Glockenbachsuiten am Rand der Isarvorstadt.

Tausende Münchner protestieren im Internet gegen die geplanten und bereits genehmigten "Glockenbachsuiten" an der Isar. Das Bauprojekt können sie wohl nicht mehr verhindern - doch die Stadt registriert die Stimmung sehr genau.

Von Sebastian Krass

Die Ruby-Bar hat vor mehr als einer Woche dichtgemacht. Doch bis auf dem Grundstück an der Ecke Fraunhofer-/Erhardtstraße die Bebauung abgerissen und die Kastanien gefällt werden, wird noch einige Zeit vergehen. Ein Nachbar hat vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Baugenehmigung für das Projekt eingereicht, gegen das im Internet ein Proteststurm losgebrochen ist.

Bis zur Klärung des Rechtsstreits ist die Baugenehmigung unwirksam. Der Concept Bau, die auf dem Areal ein Haus mit 25 Wohnungen bauen will - Projektname: "Glockenbachsuiten", Quadratmeterpreis zwischen 7600 und 14.000 Euro - sind so lang die Hände gebunden. "Ich rechne mit einem Baubeginn im Frühjahr", sagt Projektleiter Tobias Kofalk. Mit dem Abriss könnte es eventuell Anfang 2014 losgehen. Die Fertigstellung des neuen Wohnhauses in prominenter Lage, direkt an der Reichenbachbrücke, ist für 2016 vorgesehen.

Damit, dass die Klage die Baugenehmigung ins Wanken bringen könnte, wie es die bislang 8000 Unterstützer der Petition "Kein Luxustempel in der Fraunhoferstraße!" auf der Online-Plattform change.org hoffen, ist derzeit aber nicht zu rechnen. Bei solchen innerstädtischen Bauprojekten können Nachbarn oft eine Entschädigung für nicht eingehaltene Abstandsflächen herausschlagen. Mit einer Klage können sie Zeit gewinnen und ihre Verhandlungsposition verbessern. "Es ist üblich, dass der Nachbar erst mal klagt", sagt Kofalk, dem allerdings nach eigenen Worten noch keine Begründung vorliegt. Man sei aber ohnehin schon "im Gespräch" mit dem Nachbarn, der dem Vernehmen nach nicht öffentlich in Erscheinung treten will. Kofalk rechnet nicht damit, dass der Rechtsstreit die momentane Zeitplanung ins Wanken bringt.

Den seit knapp zwei Wochen laufenden Online-Protest gegen die Glockenbachsuiten sieht Kofalk gelassen. "Dass bei einem Bauvorhaben in so exponierter Lage Reaktionen kommen, das war eigentlich klar." Für das Grundstück bestehe aber schon seit sehr langer Zeit Baurecht, "da hätte man auch 1870 schon bauen können". Frühere Eigentümer wie die Paulaner-Brauerei hätten das nicht genutzt, die Concept Bau tue dies nun. "Und wenn das Grundstück nicht in der Form bebaubar wäre, dann hätten wir es auch gar nicht gekauft."

In der Stadtverwaltung dagegen hat der Protest Bewegung ausgelöst. Die angekündigte Antwort des Planungsreferats an Andreas Dorsch, den Initiator der Online-Petition, soll in diesen Tagen rausgehen. Dorsch hat bereits angekündigt, diese dann den Unterzeichnern der Petition zukommen zu lassen - was das Referat auch ausdrücklich wünscht. Der in Harlaching wohnende Dorsch kritisiert, dass die geplante "Luxusburg" das gewachsene Stadtbild an der Stelle gefährde und das Viertel sich dadurch noch mehr in Richtung eines "Hochpreis-Slums" entwickele. Zudem hält er die Architektur des Gebäudes für völlig misslungen. Er spricht von "wenig einfallsreicher Schuhschachtelarchitektur, das sieht aus wie transparentes Lego".

Dorsch ist sich bewusst, dass der Protest in diesem Fall wohl zu spät kommt - weil die Baugenehmigung schon erteilt ist. Aber ermutigt von der Resonanz auf seine Petition fordert er nun noch entschiedener mehr Bürgerbeteiligung bei solchen Bauprojekten. Die bisherigen Mechanismen zur Bürgerbeteiligung seien unzureichend.

Und da man nicht ständig neue Petitionen ins Netz stellen könne, weil sich das abnutze, regt Dorsch an, die Stadt solle eine Online-Plattform für Stadtentwicklung schaffen. Dort könnten künftig Bürger bei Bauvorhaben, die ähnlich große Auswirkungen auf das Stadtbild haben, früher Kritik und Anmerkungen einbringen. Wie groß das Bedürfnis dafür sei, zeige die Petition.

Was wird aus der Ruby-Bar?

Als Beispiel nennt Dorsch die geplante Neugestaltung des Königshofs am Stachus. Den bisher öffentlich kursierenden Entwurf hält er für völlig verfehlt. "Ich hoffe, die Stadt versteht den Wink, der Zaunpfahl wächst zumindest stetig", sagt Dorsch mit Blick auf die wachsende Zahl der Unterstützer seiner Petition.

Reichenbachstraße /  Ecke Erhardtstrasse in München, 2013

Tausende Münchner protestieren im Internet gegen die geplanten "Glockenbachsuiten".

(Foto: Robert Haas)

Das Planungsreferat zeigt sich grundsätzlich offen. "Die allgemeine Stimmungslage teilen wir in weiten Teilen", sagt die Sprecherin Karla Schilde. "Auch wir arbeiten daran, dass, wo Veränderungen in München stattfinden, diese maßvoll und stadtbildschonend vonstatten gehen." Aber Beispiele wie das Grundstück an der Fraunhoferstraße oder der Königshof seien falsch gewählt. Denn in solchen Fällen habe das Planungsreferat wenig Einflussmöglichkeiten: Das Baurecht existiert, dann könne man letztlich nur noch darauf achten, dass der Bauherr die Vorschriften einhält. "Wir wissen, dass das unbefriedigend ist. Aber aus unserer Sicht ergibt Bürgerbeteiligung dort Sinn, wo wir gestalterischen Einfluss haben, wo wir die Regeln machen."

Sie meint damit Gebiete, auf denen das Planungsreferat Bedingungen für Baurecht setzen kann. Als Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit nennt sie das Paulaner-Gelände und die Bayern-Kaserne. Ein Beispiel für die Zukunft sei der Münchner Nordosten, jenes mehr als 500 Hektar große Areal östlich der S8-Trasse, dessen Nutzung seit geraumer Zeit in großem Stile neu geplant wird. Aber da stehe man "noch ganz am Anfang, bei vorbereitenden Untersuchungen", sagt Schilde. Es sei noch zu früh, die Bürger zu beteiligen, da die Eckdaten noch gar nicht feststünden. Dorschs ästhetischen Bedenken wegen des Königshofs hält Schilde entgegen, der kursierende Vorschlag sei längst überholt. Auch die Stadtgestaltungskommission sei davon "nicht begeistert" gewesen. Derzeit läuft ein Architektenwettbewerb, mit dessen Ergebnissen Mitte Oktober zu rechnen ist.

Auf die Kritik an der Architektur der Glockenbachsuiten reagiert der Bauherr ebenfalls gelassen. Die derzeitige Planung sei das Ergebnis "eines Architektenwettbewerbs unter Federführung der Stadt", sagt Projektleiter Kofalk. "Dem einen gefällt es, dem anderen nicht." Das sei ganz normal.

Und was wird nun aus der Ruby-Bar? Hätte sie vielleicht noch weitermachen können, jetzt, da es mit dem Abriss noch dauert? "Wenn es jetzt zwei, drei Monate leer steht, dann war die Schließung vielleicht etwas zu früh", sagt Kofalk. Andererseits werde man schon bald mit "vorbereitenden Arbeiten" beginnen. Deshalb habe man den Pachtvertrag nun auslaufen lassen.

Robinson Kuhlmann, einer der Betreiber der Bar, sagt: "Es ist zwar schade, dass es jetzt vorbei ist. Aber wir haben an dem Ort angefangen für zwei Monate. Jetzt sind es eineinhalb Jahre geworden. Wir sind dankbar, dass man uns so lange hat machen lassen." Zudem sei das Konzept der Ruby-Bar auf Zwischennutzung ausgelegt. "Wir sind schon sechs Mal umgezogen." Die Suche nach der nächsten Location sei bereits im Gange. 2014 soll es weitergehen.

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