Sie fürchten Lärm und Schmutz - und Christiane Wölfl, Seniorchefin einer Konditorei in der Haidhauser Kellerstraße, brachte es in der Bürgerversammlung am Donnerstag auf den Punkt: Die Leute wollten doch nicht jeden Tag Sandkuchen essen. Ihren Laden könne sie zusperren, wenn sich fast vor der Haustür eine Baugrube auftut und sich täglich Lastwagen voller Bauschutt an ihrem Haus vorbeischieben.
Doch nicht nur das treibt die Haidhauser: Die meisten Redner und Antragsteller sehen in dem Großprojekt keinen Sinn - und sie selber hätten auch nicht viel davon. Insofern wundert es nicht, dass die Bürger in zahlreichen Anträgen gegen die Stammstrecke stimmten.
Neben einem sofortigen Baustopp forderten sie per mehrheitlichem Votum unter anderem, dass sich die Stadt München aus der Finanzierung zurückzieht, dass die den Planungen zugrunde liegende Kosten-Nutzen-Rechnung noch einmal analysiert und eine neue Kostenschätzung der Baustelle aufgestellt wird. Außerdem solle bei solchen Projekten mehr Bürgerbeteiligung stattfinden. Das Votum der Bürgerversammlung hat insofern Gewicht, als sich der Stadtrat oder der Bezirksausschuss binnen drei Monaten mit den Anträgen auseinandersetzen müssen.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der die Versammlung leitete, zeigte sich auch angesichts vieler Zwischenrufe gelassen. Er räumte sogar Bürgern, die nicht aus dem Bezirk Au-Haidhausen kommen, ein Rederecht ein, und schritt auch nicht sofort ein, als sie die auf fünf Minuten beschränkte Redezeit überzogen. Dass der Stadtrat den Bau des Stammstreckentunnels im Nachhinein noch aufzuhalten versucht, ist aber unwahrscheinlich; so ist es auch aus den Stadtratsfraktionen von CSU und SPD zu hören. Ein Zurück wäre auch nicht möglich: Der Bau ist genehmigt. Aus der Finanzierung könnte die Stadt zwar aussteigen, aber auch das ist unwahrscheinlich, denn es existieren bereits Verträge mit Baufirmen, ein Bruch würde wohl hohe Schadenersatzforderungen nach sich ziehen.
Ingeborg Michelfeit, Vorsitzende der Bürgerinitiative Haidhausen, gab sich am Tag nach der Versammlung pragmatisch. Auch sie glaube nicht, dass der Stadtrat nachträglich zurückrudert. Dennoch habe die Versammlung die Bedenken der Bürger deutlich gemacht. Man sei nicht prinzipiell gegen den Ausbau des Nahverkehrs sagt Michelfeit. "Es muss aber Sinn machen."