Süddeutsche Zeitung

Protest an der Münchner Freiheit:Tausend für die Sieben

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Eine Initiative will die "Schwabinger 7" und das kulturelle Leben im Quartier retten - und haben zu Protesten aufgerufen. Die Organisatoren fürchten um Schwabings Seele.

Thomas Kronewiter

Die Wände sind kohlrabenschwarz, helle Stellen haben nur die Kratzspuren ungezählter Gäste hinterlassen. Luft kommt in die "Schwabinger 7" außer durch die Tür nur über einen Ventilator in der Wand. Doch nun regt sich Widerstand, denn die Nachkriegsbaracke, die die legendäre Schwabinger Kneipe beherbergt, soll für einen Neubau an der Feilitzschstraße abgerissen werden sollen; auch das Monopolkino nebenan muss weg.

Es geht also um einiges - die Organisatoren des Protests fürchten um Schwabings Seele.

Eine Handvoll Studenten sitzt an diesem Freitag an den zerkratzten Tischen von Wirt Johann Maier, den alle nur Max nennen. Vergangenen Montag haben sie eine Bürgerinitiative gegründet. Seitdem haben die 35Aktivisten unter dem Motto "Rettet die Münchner Freiheit - für ein kulturelles Schwabing" via Internet gut 1000Sympathisanten gesammelt und eine ganze Anzahl Schwabinger Gastronomen, Café-Betreiber und Kulturschaffender auf ihre Seite gebracht. Die Emotionen gehen hoch im Schankraum, Initiativen-Sprecher Florian Raabe bricht immer wieder in Tränen aus.

Das Ziel ist zunächst, das Vorhaben der Hamburgischen Immobilien Handlung (HIH) zu verhindern, die an der Feilitzschstraße7 bis 9 ein Wohn- und Geschäftshaus mit 34Eigentumswohnungen und einer kleinen Ladenzeile errichten will. Eine Veränderungssperre will die Bürgerinitiative deshalb erwirken, die "Schwabinger7" als Einzeldenkmal ausweisen lassen. Ein Bebauungsplan soll letztlich eine kulturelle Nutzung festschreiben. Den von der Lokalbaukommission bereits erteilten Vorbescheid hält Tobias Ruttloff von der Initiative für fehlerhaft. Geht es nach den Aktivisten, soll das Vorhaben der HIH zurückgestellt werden. Florian Raabe will zudem "aufdecken, dass die HIH versucht hat, die umliegenden Eigentümer auf juristisch korrektem Weg zu schmieren".

Dieses Rad zurückzudrehen, ist nicht einfach - deshalb soll nun ordentlich Druck gemacht werden. Am Freitag, 27.Mai, ist eine Demonstration geplant, bei der sich alle einreihen sollen, die sich angesichts der Veränderung im Viertel Sorgen machen. "Wir wollen kein Luxusquartier, wir wollen ein Viertel", sagt Raabe.

Am Dienstagabend haben er und seine Mitstreiter das so ähnlich den Mitgliedern des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann erklärt. Dort stießen sie neben Sympathie für das Engagement und das Grundanliegen aber auch auf eine gute Portion Skepsis. Der angestrebte Bebauungsplan etwa - dafür sieht Petra Piloty (SPD) "keine Chance". In Altschwabing würden Bauvorhaben danach beurteilt, was in direkter Nachbarschaft schon realisiert sei. Stülpe man den Grundeigentümern nun plötzlich einen Bebauungsplan über, "werden irrsinnige Schadenersatzforderungen gestellt".

Und auch unter Schwabings Kultur verstehen einige Lokalpolitiker etwas anderes als die Bürgerinitiative. Für Janne Weinzierl (SPD) etwa ist die "Schwabinger 7" nicht mehr als eine "Nachtschwärmer-Kneipe, wo man sich einen hinter die Binde kippen kann".

Der Hamburgischen Immobilien Handlung ist bekannt, dass das Projekt "nicht auf hundert Prozent Zustimmung trifft". Einen Anlass, die Planung zu ändern, sieht der zuständige Projektentwickler aber nicht.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2011
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