Prominente über das Phänomen Biergarten:Und in den Haxn die Unendlichkeit

Warum sitzt Gerhard Polt immer zwischen Klo und Hendlstand und was war bei Franz Xaver Kroetz auf der Toilette des Augustiner Biergartens los? Prominente Münchner über ihre ganz persönliche Sicht auf das Phänomen Biergarten.

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Luise Kinseher, 2011

Quelle: Alessandra Schellnegger

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Luise Kinseher, Schauspielerin und Kabarettistin: Ein Biergarten unterscheidet sich ganz wesentlich von einer Freischankfläche. Freischankflächen unterliegen strengsten Regeln. Sie befinden sich auf dem Gehsteig vor einem Café oder Restaurant, haben die Größe eines Handtuchs und sind vom KVR durch böse blaue Punkte markiert. Ragt ein Körperteil über diese Begrenzung hinaus, droht Lokalverbot oder Verstümmelung durch vorbeifahrende Radfahrer. Außerdem ist das Tragen einer Sonnenbrille mit tellergroßen Gläsern Pflicht, und man muss Hugo trinken oder Sprizz.

Nein, da gehe ich lieber in den Biergarten hinter der Bavaria, da bekomme ich ein ganz normales Weißbier, muss nicht cool rumsitzen und kann nach der Sperrstunde nebenan im Bavaria-Park zwischen einer liegenden Quellnymphe und einem Jüngling auf der Seekuh bis zum Morgengrauen in den Sommer feiern.

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Quelle: Schunk

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Richard Süßmeier, Gastronom: Ich sitz' gern im Freien, wenn's nur a bissl geht. Ich hab an meinem Wohnort in Grünwald zwei Lokale, die ich stammtischmäßig bevorzuge, und dann hab ich noch einen Stammtisch im Forsthaus Wörnbrunn, da war ich heuer auch schon draußen.

Der schönste Biergarten? Der ist immer da, wo ich eingeladen bin, ned? Mei, wenn die ersten Sonnenstrahlen kommen, dann sind halt sofort die Leute da, die das genießen wollen. Das sind dann genau die, die auch die letzten Sonnenstrahlen wieder genießen wollen, im Herbst. Da haben wir in Wörnbrunn oft Probleme gehabt, weil die Leute mit der Sonne mitgewandert sind und in einen anderen Service gegangen sind. So ist das halt. Ich kenn' das ja schon von meinen Eltern her, die in den 30er-, 40er-Jahren den Straubinger Hof am Viktualienmarkt hatten. Da war immer schon ein kleiner Biergarten dabei. Wobei wir nie ,,Biergarten'' gesagt haben, sondern ,,Wirtsgarten''. ,,Biergarten'' kommt aus Norddeutschland. Wir hatten ein bestimmtes Publikum, das ist nur gekommen, wenn es im Freien sitzen hat können. Sonst sind die nie gekommen. Die von drinnen sind zwar auch oft raus. Aber es hat Leut gegeben, Sie werden's nicht glauben, die sind bei der größten Hitz' drinnen sitzengeblieben! Aber da sieht man's mal wieder: Der Mensch ist einfach ein Individualist.

Aber Sie wollen sicher eine Anekdote hören von Prominenten? Also, in Wörnbrunn, da ist der Strauß mal gekommen mit 20 Leuten, die hatten das Stüberl reserviert. Aber nachdem wir den Biergarten aufgemacht hatten, hieß es: Wir möchten lieber draußen sitzen. Und der Strauß wollte in der Sonne sitzen. Aber das wollten nicht alle, manchen war der Schatten lieber. Dann haben wir gesagt: ,,Gut, stellen wir halt Schirme auf'' und haben das Stüberl freigegeben. Als dann ein Wind aufgekommen ist, wollten sie aber wieder rein, und drinnen ist kein Platz mehr gewesen. Das war wirklich nicht ganz einfach.

Franz Xaver Kroetz, 2010

Quelle: Alessandra Schellnegger

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Franz Xaver Kroetz, Autor und Schauspieler: Biergärten sind für mich ein Ort des Schreckens; ich bin ein eingefleischter Einzelgänger und im Biergarten muss man als Masse, wenigstens als Gruppe auftreten. Ich krieg schon von weitem, wenn ich einen vollen Biergarten lachen, grunzen, schreien, saufen hör, Angst; Platzangst. Dazu kommt, dass ich als Semi-Promi immer in Gefahr bin, geoutet zu werden.

Das hat mir auch, ein paar Jahre ist's her, endgültig den Appetit verdorben. Ich hab mich überreden lassen und war mit Bekannten im Augustiner-Biergarten. Nach zwei Maß musste ich aufs Klo. Im Pissoir hab ich grad meinen Laden geöffnet, da ruft es hinter mir: ,,Gell, aa da Baby muaß hin und wieda sei Hosn obelassn.'' Ich dreh mich erschrocken um. ,,Denk da nix, i hob dein Schwanz scho im Fernsehn gseng, wiasd ausm Bett von da Mona krabbelt bist, in Paris seids gwen, gell?'' - Mehr sagt er nicht, er stellt sich neben mich und pinkelt einen Strahl ins Urinal, der mich vor Neid erblassen lässt. Bei mir kommt nichts mehr, kein Tropfen. Gedemütigt zieh ich den Schwanz ein und flüchte unverrichteter Dinge.

Da ich wie fast alle Künstler auch an Verfolgungswahn leide, trau ich mich nicht mehr aufs Klo, sondern sitz mit voller Blase da und trink zur Kompensation nichts mehr. Man redet mich blöd an, ich grantel zurück. Ich bin unglücklich und nüchtern. Halt's eine Stunde aus und geh dann zum Hauptbahnhof; zum Pinkeln. In einen großen, vollen Biergarten bringen mich keine zehn Pferde mehr. Aber bei mir daheim, an der Alz bei Altenmarkt, da gibt's einen kleinen, idyllisch in die Landschaft gestreuten Biergarten, der heißt ,,Beim...'' - ja so blöd werd ich sein und das hier verraten!!! Den mag ich, und wenn ich da hinkomm, bin ich der Franz und nicht der Baby. Tipp: Mit dem Radl hinfahren und mindestens drei Maß trinken: Der Rückweg wird so lang, dass man in den Haxn die Unendlichkeit spürt.

Gerhard Polt verkauft Bier mit der Aufschrift "Poltator", 2002

Quelle: DPA-SZ

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Gerhard Polt, Kabarettist: Die Eröffnung der Biergartensaison ist ja Gott sei Dank nicht amtlich festgelegt. Der richtige Zeitpunkt kann sein vor dem Maikäfer oder nach dem Maikäfer - aber auch zur Zeit des Holzbocks! Beim Auftreten des Borkenkäfers kann es natürlich auch schon so weit sein. Wenn der Borkenkäfer schon arbeitet, dann kann es losgehen... Wobei dieser andere Schädling, die Miniermotte, der kann da noch nicht mithalten. Die Miniermotte hat's schon schwerer, die ist ja auf Kastanien spezialisiert. Die muss dann warten, bis die Kastanien ausgetrieben haben. Der Schädling ist praktisch angewiesen auf die Kastanien, wohingegen der Biertrinker nicht, das ist der große Unterschied! Und: Der Biertrinker ist normalerweise kein Schädling, sondern ein Nützling, oder?

So lange die Kastanien noch keinen Schatten geben, ist der Biertrinker also im Vorteil. Da brauchst du dann nämlich als Biertrinker auch keinen Bierdeckel. Der Bierdeckel ist ja quasi eine Bewaffnung gewesen gegen den Maikäfer. Oder gegen den Spatz, der einem in den Krug neischeißt.

Ob ich einen Lieblingsbiergarten habe? Nein, eigentlich nicht. Aber ich muss immer strategisch gut sitzen. Für mich ist immer wichtig, dass ich nicht mittendrin, sondern eher an der Peripherie sitze. Sollte ein Hendlgeruch oder irgendwie so was in der Nähe sein, dann möcht ich so sitzen, dass sich der Hendlgeruch ein bissl kreuzt mit dem Geruch von den öffentlichen Toiletten. Genau dort gibt es dann meistens die spannendsten Geschehnisse in einem Biergarten. Da sitzt man dann nämlich zwischen den zwei wichtigsten Polen eines Biergartens.

© SZ vom 27.04.2012/ehm
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