Projekt "Track 'n' Field":"Eine Bibliothek ist mehr als nur verstaubte Bücher"

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Pop und Backsteinmauer: 120 Minuten hatte jede Band im Gasteig Zeit, ein Musikvideo zu drehen. (Foto: Robert Haas)

Im Pixel im Gasteig dürfen junge Bands vier Tage lang Musikvideos aufnehmen. Die Bücherei soll auch als Raum der Partizipation wahrgenommen werden

Von Dirk Wagner

"Black Snow. Take Nummer Eins", sagt die Frau mit der Timecode-Klappe. "Zu mir bitte auch noch", ruft eine der drei jungen Kamerafrauen, die im Pixel die Aufnahmesession einer Band filmen. Sofort wird die Synchronklappe noch einmal in ihre Richtung geschwenkt. Dann startet der Sänger der Band Black Snow mit einem Gitarren-Intro. Bassist und Schlagzeuger steigen ein. Endlich folgt der Gesang. Doch schon nach der ersten Strophe gibt es einen Patzer. Sofort stoppt die Band. "Wir fangen gleich noch mal ohne Klappe an", sagt Martin Noweck vom Medienzentrum München (MZM), der das Projekt "Track 'n' Field", wie diese Aufnahmesession für junge Musiker im Gasteig heißt, medienpädagogisch betreut. Diese Aufgabe teilt er sich mit Florian Antonov, dem stellvertretenden Leiter der Musikbibliothek, der gerade die Tonaufnahmen überwacht, und mit der Buchwissenschaftlerin Karina Fink, die das Medien- und Programmangebot "update. jung & erwachsen" der Münchner Stadtbibliothek für junge Erwachsene kuratiert.

In den Stadtbibliotheken Am Gasteig und Hasenbergl gibt es dafür sogar eigene Bereiche, in denen Workshops stattfinden, junge Menschen sich zum Zocken treffen oder eigens Medien zu wechselnden Themen bereit gestellt werden. Am Gasteig ist dieser Bereich im Übergang der Stadtbibliothek zur Kinder- und Jugendbibliothek verortet, wo auch der Backstagebereich der zwölf Bands ist, die von Donnerstag bis Sonntag jeweils drei Stunden im Pixel aufnehmen dürfen. Zu sehen sind deren Aufnahme-Sessions auf dem Youtube-Kanal der Jugendsendung "Dein Life", die junge Medienmacher mit Unterstützung des MZM gestalten. Im Dezember wird es im Medienzentrum einen weiteren Workshop geben, wo die hier getätigten Filmaufnahmen zu einem professionellen Musikvideo geschnitten werden. Damit können sich die Musiker dann sowohl im Internet präsentieren als auch bei potenziellen Veranstaltern vorstellen. "Bis dahin müssen sie die einzelnen Tonspuren, die wir ihnen mitgeben, selbst so gemischt haben, wie sie es haben wollen", sagt Noweck. In Ausnahmefällen hilft er und sein Team aber auch bei der Tonmischung. Immerhin ist "Dein Life" ja auch auf M 94.5 als Radiosendung zu hören. Klanggestaltungen gehören also zur Kernkompetenz der mitwirkenden jungen Medienmacher.

Dass solche Medienkompetenzen aber auch das Arbeitsfeld einer Bibliothekarin berühren, scheint die Informations- und Bibliothekswesen-Studentin Kimberley Winter nicht zu irritieren. Als derzeitige Praktikantin der Musikbibliothek ist sie eine der Kamerafrauen für die Musikvideos. "Bibliothek ist eben mehr als nur verstaubte Bücher", sagt sie provozierend. Und Karina Fink ergänzt: "Natürlich sind wir auch ein Ort des Studierens, des Zurückziehens. Aber Bibliothek verändert sich. Sie ist nicht mehr nur ein Raum mit Medien, sondern auch ein Raum der Begegnung und der Partizipation."

Dass Bibliotheken sogar Tonstudios haben, in denen Bands regelmäßig aufnehmen, durfte der ehemalige Leiter des Medienzentrums, Günther Anfang, vor zwei Jahren in Finnland erleben. Zusammen mit anderen Medienpädagogen aus dem deutschsprachigen Raum nutzte er die damalige Exkursion zur Inspiration. Weil zufällig auch Antonov von einem eigenen Tonstudio in der Musikbibliothek träumte, kam es zu einer Kooperation des MZM mit der Stadtbibliothek, die diesen Traum zumindest als zeitlich befristete Projekte im Pixel Wirklichkeit werden lässt. Die Besonderheit der dortigen Aufnahme-Sessions ist eine 360-Grad-Kamera, um die sich die Bandmitglieder positionieren. Das Video, das so entsteht, suggeriert den Betrachtern, sie würden inmitten der Band stehen. Mit entsprechenden Schwenks ihrer Handys bestimmen sie, in welche Richtung sie schauen. So blicken sie mal zum Drummer, mal zum Bassisten, oder eben zum Sänger von Black Snow.

© SZ vom 07.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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