Süddeutsche Zeitung

Projekt:Schüler plädieren für die autofreie Innenstadt

  • In einem Projektseminar haben sich Schüler mit den Problemen im Verkehr in München befasst.
  • Die elf Oberstufenschüler des Oskar-von-Miller-Gymnasiums sind zu dem Schluss gekommen, dass viel zu tun ist für Stadt, Land und Bund.
  • Die Autos sollten weniger werden, dafür müsse der Nahverkehr dichter und übersichtlicher sein.

Von Melanie Staudinger

Manchmal sind in der Früh die U-Bahnen so voll, dass man sich kaum rühren kann. Fünft- und Sechstklässler berichten, dass sie schon mal von Erwachsenen aus einem Zug gezogen worden seien - weil sie mit ihrem Ranzen angeblich zu viel Platz wegnähmen. Die Tarife sind schwierig zu verstehen, die Verbindungen gerade ins Umland mehr als suboptimal. Wer aufs Fahrrad ausweicht, der kämpft mit zugeparkten Wegen, zu engen Radspuren und den Radfahrern, die meinen, die Straße gehört ihnen alleine. Nachts ist es leerer in der U-Bahn, Mädchen und junge Frauen nutzen aber dennoch lieber ein teures Taxi, weil ihnen die Atmosphäre gerade an den unterirdischen Bahnhöfen nicht taugt.

Elf Oberstufenschüler des Oskar-von-Miller-Gymnasiums haben mit Lehrerin Claudia Hauf in einem Projektseminar die Mobilität in München einmal genauer angeschaut und sie liefern eine ziemlich ernüchternde Bestandsaufnahme. Volle Straßen, volle U-Bahnen und Busse, komplizierte Tarifsysteme, teure Tickets, zu wenig Platz für Radfahrer, Gestank und Schadstoffe in der Luft - aus Sicht der Münchner Jugendlichen gibt es einiges zu tun für die Politik in Stadt, Land und Bund.

Die angehenden Abiturienten haben Probleme eruiert, Daten gesammelt, ihre Mitschüler und Eltern befragt und daraus Lösungsansätze erarbeitet, die sie sogar schon im städtischen Planungsreferat vorstellen durften. Ihr Fazit: Auch wenn es schon viele Ansätze gibt, um die Mobilität in München zu verbessern, müsste es schneller gehen. Denn Spaß macht der Verkehr in einer wachsenden Stadt wie München schon lange nicht mehr.

An Bussen, Tram- und U-Bahnen stört die Schüler vor allem, dass die Fahrzeuge immer so voll sind. Der Takt in den Hauptverkehrszeiten müsse dichter werden. Und das Tarifsystem einfacher. "Wenn ich von Touristen angesprochen werde, welche Fahrkarte sie kaufen sollen, kann ich das meist gar nicht beantworten, obwohl ich hier lebe", sagt Flora Wechner.

Die Schülerin weist noch auf ein anderes Problem hin: das Ringsystem bei Wochen- und Monatskarten. Selbst wenn man in Ring zwei startet und endet, könne man während der Fahrt in Ring drei gelangen und zum unfreiwilligen Schwarzfahrer werden. Wer soll das noch durchblicken? Die Pläne, den gesamten Innenraum zu einer Zone zusammenzufassen, finden die Jugendlichen grundsätzlich gut. Mittlerweile gibt es auch Überlegungen, ein günstiges Schülerticket für das Gesamtnetz einzuführen - das fordern Schülervertreter bereits seit Jahren.

Erwachsene haben Angst um ihre Kinder

"Was uns überrascht hat, ist, dass viele Erwachsene bereit wären, auf ihr Auto zu verzichten, wenn es denn gute Alternativen gäbe", sagt Jasmin Khalili. Das kam bei der schulinternen Umfrage heraus. Mehr als die Hälfte der 500 Befragten gaben an, sie würden häufiger mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wenn diese günstiger wären, 40 Prozent fanden, dass das öffentliche Verkehrsnetz nicht ausreichend ausgebaut sei. Ebensoviele sagten, dass sie derzeit unzufrieden mit der Verkehrssituation seien. Mehr als 80 Prozent meinten gar, dass sie sich um die Sicherheit ihres Kindes im Straßenverkehr sorgen machten.

Bürgerbefragungen zeigten, dass die Furcht vor einem Verkehrsunfall größer sei als die Angst vor einer Straftat, argumentieren die Schüler. Sie machen sich zudem Sorgen um ihre Gesundheit. Denn nicht nur eine zu hohe Konzentration von Stickstoffdioxid und Feinstaub in der Luft birgt Gesundheitsrisiken. Wenn die Menschen mehr Auto fuhren und sich weniger bewegten, schadeten sie ihrer Gesundheit ebenfalls.

Die Innenstadt muss autofrei werden

Die angehenden Abiturienten des Oskar-von-Miller-Gymnasiums fordern daher: Die Innenstadt müsse autofrei werden. Damit das auch funktioniere, müsste nicht nur der öffentliche Nahverkehr billiger werden, sondern sollten auch die Fahrradwege besser ausgebaut werden. Das Fazit der Schüler liest sich eindeutig: Weniger Raum für Autos, mehr Raum für Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel. Allerdings wissen die Jugendlichen auch, dass das alles gar nicht so leicht umzusetzen ist, vor allem wenn man bedenke, wie lange es alleine gedauert habe, bis die zweite Stammstrecke genehmigt war.

Dass Erwachsene tatsächlich gegen dieses Projekt seien, konnten die Jugendlichen so gar nicht nachvollziehen, wie Seminarleiterin Hauf erzählt. Denn wenn immer alle dagegen sind, lässt sich der Verkehr in München nicht retten.

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SZ vom 06.02.2018/vewo
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