Projekt:Schneller Wohnungsbau: Stadt setzt auf ungewöhnliches Programm

  • Fast 5500 Wohnungslose gibt es inzwischen, und jeden Monat kommen 50 hinzu.
  • Rund 3000 geförderte Wohnungen sollen bis 2019 entstehen.
  • 1000 Wohnungen werden praktisch sofort neu errichtet: in Modulen ohne Keller und auch sonst mit abgespecktem Standard.

Von Dominik Hutter

Allmählich wird es dramatisch auf dem Münchner Mietmarkt: Fast 5500 Wohnungslose gibt es inzwischen, und jeden Monat kommen 50 hinzu. 12 500 Haushalte stehen auf der Warteliste für geförderte Wohnungen. Zusätzlich bemühen sich immer mehr Flüchtlinge um einen Mietvertrag - nach der Anerkennung müssen sie die Gemeinschaftsunterkunft verlassen.

Die Stadt München plant deshalb "eine Art Notoperation", wie es CSU-Fraktionschef Hans Podiuk ausdrückt. Rund 3000 geförderte Wohnungen sollen bis 2019 entstehen, 1000 davon schon im laufenden Jahr. Zusätzlich.

Das Programm "Wohnen für alle", das am Mittwoch auf der Tagesordnung des Stadtrats-Plenums steht, wird nicht auf die jährliche Zielzahl für Neubauwohnungen angerechnet, die das Rathaus bereits im vergangenen Sommer von 7000 auf 8500 erhöht hat.

Das Projekt von Stadtbaurätin Elisabeth Merk verfolgt zwei Grundprinzipien: keine Konkurrenz zwischen Münchner Wohnungssuchenden und Flüchtlingen. Und: Alles soll zügig ablaufen und vergleichsweise billig sein. "Es geht um den Versuch, möglichst schnell preiswerte, kleine, einfache Wohnungen zu bekommen", erklärt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl.

Stelzenbau auf dem Parkplatz des Dantebads

Die Wohnungen werden deshalb mit verminderten Standards in Modulbauten aus Holz, Beton oder Ziegeln errichtet. Sie sind nur eingeschränkt barrierefrei, und es gibt keine Keller. Bauherren sollen sowohl die städtischen Gesellschaften GWG und Gewofag als auch interessierte Privatfirmen sein.

Die beiden Kommunalunternehmen wollen aber den Anfang machen und noch 2016 jeweils 500 Wohnungen fertigstellen. "Ambitioniert" sei das, so schränkt Podiuk schon einmal ein.

Aber es seien ohnehin noch einige Fragen offen - etwa zur Architektur oder auch bei der Frage, wer eigentlich einziehen darf. "Aber wir müssen ja irgendwo anfangen." Zu den ersten Projekten soll ein Stelzenbau auf dem Parkplatz des Dantebads gehören.

Prinzipiell sollen die Wohnungen neben anerkannten Flüchtlingen sozial Bedürftigen der beiden unteren Einkommensstufen (Jahresbrutto bei einer Person bis zu 18 000/23 200 Euro) sowie im München-Modell (bis 28 100 Jahresbrutto) zur Verfügung stehen.

5081 Haushalte befinden sich in der Warteschleife

Bedarf gibt es genug: 5081 Haushalte befinden sich in der Warteschleife für geförderten Wohnraum - zusätzlich zu den bereits registrierten 12 500, von denen 8500 die höchste Dringlichkeitsstufe haben (laut Prognose steigt diese Zahl noch im Laufe dieses Jahres auf 11 000 an). Wie viele Flüchtlinge in den kommenden Jahren hinzukommen, ist unklar.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnet aber deutschlandweit für 2016 bis 2020 mit durchschnittlich 500 000 pro Jahr. Schon jetzt muss München - ohne die staatlichen Aufnahmeeinrichtungen - rund 10 300 Flüchtlinge unterbringen. Viele davon werden in den kommenden Monaten auf dem Wohnungsmarkt auftauchen. Ein Thema, das Merk zufolge "hohe Priorität" genießt, da die Zahl der abgeschlossenen Verfahren deutlich steigen werde.

GWG und Gewofag wollen die neuen Wohnungen auf Grundstücken errichten, die ihnen von der Stadt übertragen werden. Finanziert werden sollen die Investitionen über eine vom Stadtrat bereits für den Wohnungsbau beschlossene Finanzspritze, die einfach rascher überwiesen wird als geplant.

Dabei geht es um 15 Millionen Euro pro Jahr fürs Stammkapital sowie 250 Millionen aus einem von der SPD initiierten Sonderprogramm. Allerdings muss die Stadt später wohl neues Geld nachschießen - sonst können GWG und Gewofag nicht so viel bauen wie gewünscht. Zudem soll der Freistaat über reguläre Förderprogramme 107 Millionen beitragen.

Mehr Personal für mehr Baugenehmigungen

Die Landeshauptstadt erlebt bei den Preisen für Immobilien einen Boom ohnegleichen. Erschwingliche Wohnungen fehlen. Die Bürger wollen verstärkt beim Planen und Bauen in der Stadt mitreden. Alle diese Faktoren setzen auch die Verwaltung mächtig unter Druck. Mittlerweile sei in der Planungs- und Baugenehmigungsbehörde ein Maß an Belastung erreicht, sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk, das auch für die Beschäftigten nicht mehr zumutbar sei.

Sie fordert 105 zusätzliche Stellen. Mehrere Millionen Euro müssen jährlich dafür ausgegeben werden. Am Mittwoch entscheidet der Stadtrat. Der planungspolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Walter Zöller, versteht die Forderung und findet, besonders beim Planungsreferat müsse man eine Ausnahme vom allgemeinen Sparkurs machen, denn hier "ist die Wertschöpfung hoch". Tatsächlich seien aber zahlreiche Stellen abgebaut worden. Die Arbeitsmengen habe man nur durch Umstrukturierungen und Aufgabenkritik bewältigen können, heißt es dazu im Referat. So habe sich der Rückstau bei den Baugenehmigungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht.

Dass nun eine Grenze erreicht ist, sieht man auch im Stadtrat. CSU und SPD haben sich auf ein gemeinsames Stellenkonzept für das Planungsreferat geeinigt. Demnach soll es insgesamt 66 Stellen mehr geben. Das ist zwar deutlich weniger, als Merk angemeldet hat. "Aber damit muss das Planungsreferat auskommen", sagt Zöller. Es sollte nun gelingen, jedes Jahr noch mehr Bebauungspläne auf den Weg zu bringen, Staus in der Genehmigungsbehörde abzubauen und auch die Bürgerbeteiligung nicht zu vernachlässigen.

Trotz der Novellierung der Bayerischen Bauordnung ist die Bearbeitung der Anträge nicht einfacher geworden, teilt die Stadtbaurätin mit. Neue Herausforderungen, wie etwa das Bauen mit niedrigeren Standards, sorgen für zusätzliche Arbeitsbelastung. Nach einem Jahr, so wünschen es sich CSU und SPD, soll überprüft werden, ob sich die Stellenmehrungen positiv auswirken. DÜ.

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