Projekt "Regsam":Verknüpft

Das Sozialprojekt Regsam stellt Kontakte her zwischen Bedürftigen und ihren Nachbarn, Ehrenamtlichen, Kommunalpolitikern und sozialen Einrichtungen. Es geht um Hilfe, Erfahrungsaustausch und Interessenausgleich

Von Hubert Grundner

"Es geht darum, den sozialen Frieden zu sichern." Martina Hartmann scheut sich nicht, hoch zu greifen, um die Bedeutung von Regsam (Regionalisierung sozialer Arbeit in München), deren Geschäftsführerin sie ist, für das Zusammenleben in der Stadt zu beschreiben. Vor allem seitdem Regsam im Frühjahr 2014 den Auftrag erhielt, sich um die verstärkt nach München kommenden Flüchtlinge und Wohnungslosen zu kümmern. Dem Rathaus ist diese Arbeit so viel wert, dass es immerhin eine befristete Vollzeitstelle zusätzlich genehmigte. Wofür wiederum Hartmann dankbar ist. Insgesamt sind inzwischen acht Leute in den stadtweit 16 Regsam-Regionen im Einsatz.

"Sobald wir Kenntnis von einer neuen Gemeinschaftsunterkunft (für Flüchtlinge, d. Red.) haben, versuchen wir, ringsum ein Netzwerk aufzubauen", beschreibt Hartmann das übliche Vorgehen. In der Praxis kann das dann so aussehen, dass beispielsweise für Lokalpolitiker, Nachbarn und Vertreter einer solchen Einrichtung ein runder Tisch eingerichtet wird, der dem Erfahrungsaustausch oder auch dem Interessenausgleich dienen kann. Oder aber die Regsam-Mitarbeiter stellen Kontakt her zu den verschiedenen Arbeitskreisen in den jeweiligen Sozialregionen. Denkbar wäre etwa, dass aus dem Arbeitskreis Jugend Angebote zur Freizeitgestaltung für junge Asylbewerber kommen.

Eine weitere Aufgabe besteht für Regsam laut der Geschäftsführerin darin, die an den jeweiligen Unterkünften entstehenden Bedürfnisse zu bündeln, sowie an die Verwaltung und Politik weiterzuleiten. So gehen die Regsam-Mitarbeiter unter anderem der Frage nach, wie es um die Betreuung von Wohnungslosen bestellt ist oder was Menschen nach ihrer Flucht nach Bayern am dringendsten benötigen. Als Moderatoren versuchen sie dann, darauf eine Antwort zu geben. Die könnte so aussehen, dass sie dringend benötigte Spenden oder Sprachkurse vermitteln. Zusammenfassend lässt sich das sehr gut auch mit dem Slogan beschreiben, den Regsam seiner Arbeit voranstellt: "Voneinander wissen. Miteinander handeln".

Projekt "Regsam": Seit einem Jahr betreut Regsam auch Flüchtlinge und Wohnungslose. Acht Mitarbeiter sind insgesamt in der Stadt im Einsatz.

Seit einem Jahr betreut Regsam auch Flüchtlinge und Wohnungslose. Acht Mitarbeiter sind insgesamt in der Stadt im Einsatz.

(Foto: Catherina Hess)

Im Idealfall läuft es im Alltag dann vielleicht so wie an der Rosenheimer Straße, wo unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht worden sind. Durch Vermittlung von Regsam sei hier ein guter Kontakt zum Facharbeitskreis Jugend beziehungsweise zu den darin vertretenen Freizeitzentren hergestellt worden, erklärt Dieter Bolzani. Sprich, die Jugendlichen haben Angebote zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung bekommen. Der Regsam-Moderator kann sich aber auch noch an die teils chaotischen Zustände in der Erstaufnahmeeinrichtung Bayernkaserne erinnern, die mittlerweile offenbar behoben sind.

Ähnliche Anlaufschwierigkeiten galt es am Moosfeld zu überwinden, wo die Regierung von Oberbayern "über Nacht" eine Erstaufnahmeeinrichtung für circa 300 Flüchtlinge eröffnete. Das veranlasste im November 2014 die Regsam-Moderation und den örtlichen Bezirksausschuss, in Zusammenarbeit mit der Caritas einen runden Tisch mit allen an Hilfe interessierten Organisationen und Einrichtungen einzuberufen. Das Ziel war, sich über die aktuelle Situation in der Anlage zu informieren und - um effektiv Hilfe zu organisieren - die Unterstützungsmöglichkeiten aus dem Stadtteil mit den Bedürfnissen zusammenzubringen. Moderatorin Grit Schneider, in deren Zuständigkeit der Standort am Moosfeld fällt, kann immerhin feststellen: "Jetzt stehen erste Strukturen, jetzt kann man in die Probleme tiefer einsteigen."

Sie vergisst in diesem Fall aber auch nicht, auf die Unterstützung durch die Lokalpolitik hinzuweisen: "Bezirksausschüsse sind ganz wichtige Bündnispartner." Umso mehr, als sich gerade in den ersten Tagen und Wochen nach Bekanntgabe eines neuen Asylbewerberheims oder einer Wohnungslosenunterkunft oft vehementer Widerstand regt. In dieser Situation haben oft Bezirksausschuss-Mitglieder Aufklärungsarbeit geleistet - und für die Versäumnisse von Bezirksregierung und Stadt ihren Kopf hingehalten. Nicht von ungefähr sagt deshalb Regsam-Pressesprecherin Friederike Goschenhofer: "Eine Gemeinschaftsunterkunft ist natürlich immer ein Politikum, wenn sie in ein Viertel kommt."

Projekt "Regsam": Viele Interessen an einem Tisch: die Namenszettel der Teilnehmer der Beratungsrunde zur Bayernkaserne jüngst im Sozialbürgerhaus Freimann.

Viele Interessen an einem Tisch: die Namenszettel der Teilnehmer der Beratungsrunde zur Bayernkaserne jüngst im Sozialbürgerhaus Freimann.

(Foto: Catherina Hess)

Und die Münchner werden sich wohl daran gewöhnen müssen. Flüchtlings- und Wohnungslosenzahlen würden ja zeigen, dass das ein Thema bleiben werde, sagt Regsam-Geschäftsführerin Hartmann und fügt hinzu: "Es wird eng in der Stadt." In dem Maße, in dem der Nutzungsdruck auf den noch vorhandenen Flächen steige, werde es auch öfter zu Nutzungskollisionen kommen, prophezeit sie. Denn neben den Flüchtlingen und Wohnungslosen gehe es selbstverständlich auch um die berechtigten Interessen anderer Gruppen, zum Beispiel beim Bau von Schulen, Kindertagesstätten oder Altenheimen.

Noch klappt es in München ganz gut, die verschiedenen Bedürfnisse auszutarieren. Und eine deutliche Mehrheit zeigt sich Flüchtlingen und Wohnungslosen gegenüber aufgeschlossen und hilfsbereit. Dennoch blicken die Regsam-Leute mit einer gewissen Skepsis in die Zukunft. Dieter Bolzani beispielsweise fragt sich, wie es in drei, vier Jahren ausschaut, wenn der Zustrom an Flüchtlingen im jetzigen Umfang anhält: "Da bin ich sehr gespannt, inwieweit die Stadtgesellschaft dann noch ansprechbar ist." Vermutlich hatte Martina Hartmann recht, als sie sagte, dass es bei der Arbeit von Regsam darum gehe, "den sozialen Frieden zu sichern".

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