Süddeutsche Zeitung

Projekt "Musik für Kinder":Zehn Pianos gegen das Virus

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Mit Leih-Klavieren können Schüler, deren Familien sich Instrumentalunterricht nicht leisten können, während des Lockdowns weiter musizieren

Von Karin Kampwerth, München

Selbst die erste Tonleiter, die vielleicht noch ein bisschen schief auf dem Klavier zum Leben erweckt wird, ist Musik in den Ohren von Günter Busta. Und wenn die Kinder bald einfache Lieder erklingen lassen und im Herbst das erste Mal ihr Können in einem Konzert zum Besten geben dürfen, zeigt sich für Busta, wie richtig und wie wichtig es für Kinder sein kann, wenn sie ein Instrument erlernen. Auch für jene, in deren Familien das Musizieren nicht zum Alltag gehört.

Seit fünf Jahren nimmt die Mittelschule in Haar am Projekt "Musik für Kinder" teil, organisiert wird es von der Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation und unterstützt vom SZ-Adventskalender. Das Besondere an dem Projekt, das Busta leitet, sind die Teilnehmer - alles Schülerinnen und Schüler, die sonst eher wenig Chancen hätten, ein Instrument zu erlernen. Manche, weil die Wohnverhältnisse beengt sind und weder Platz für ein Klavier wäre, noch Raum, um Geige oder Klarinette zu üben, ohne die Nachbarn zu verärgern. Wieder andere, weil der finanzielle Spielraum der Eltern nicht ausreicht, um ein Instrument und den dazugehörigen Musikunterricht zu finanzieren. In der Mittelschule Haar bekommen sie all das, die Stiftung hat ein akustisches Klavier gesponsert, auf dem der ebenfalls von der Stiftung entsandte Musiklehrer Georg Roters die Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Eingeladen sind dazu in jedem Schuljahr die fünften und sechsten Klassen, sagt Busta. Im ersten Jahr gibt es Gruppenunterricht, im zweiten Jahr dann Einzelunterricht - bis Corona kam. Seitdem steht das Klavier im Musikzimmer gleich am Eingang unbenutzt da. Kommende Woche nun soll es aber wieder losgehen mit dem Unterricht. Und dann werden auch neue Fünftklässler wieder die ersten schiefen Tonleitern durch das helle Schulgebäude schicken.

Damit die Kinder durch den Lockdown und die damit verbundenen Schulschließungen aber nicht ganz auf ihr Instrument verzichten mussten, konnten mit Spenden des SZ-Adventskalenders zehn E-Pianos angeschafft werden. Fünf davon für die Mittelschule in Haar, fünf weitere für die Mittelschule an der Guardinistraße in München, die ebenfalls an dem Projekt "Musik für Kinder" teilnimmt.

"Ein Klavier ist ein ehrliches Instrument", sagt Gabriele Mantaj, die bei der Stiftung das Projekt verantwortet. "Der Ton ist gleich da und ich höre sofort, ob er richtig oder falsch ist." Diese prompte Rückmeldung sporne die Kinder an, weiterzumachen und immer besser zu werden. Wichtig ist Mantaj aber nicht nur die Musik allein, sondern auch das, was sie mit den Schülerinnen und Schülern macht. Wer selber musiziert, weiß, dass Koordination und Emotionen in Verbindung gebracht werden. Das sei nur einer von vielen positiven Aspekten des Musizierens, was Studien nachhaltig belegten, sagt Mantaj.

Eine Erkenntnis, die Günter Busta und der Rektor der Haarer Mittelschule, Markus Fauth, im Unterrichtsalltag immer wieder erleben. Die Konzentration und die Liebe zur Genauigkeit würden gefördert, da sind sich beide Lehrer einig. Busta hat auch schon häufig Kinder erlebt, die schüchtern an der Schule gestartet seien und sich durch das gemeinsame Musizieren, Singen und die Auftritte sehr zum Positiven entwickelt hätten. "Das war schon eine gewaltige Veränderung im emotionalen und sozialen Bereich", sagt Busta. Zwar könne man das nicht pauschal auf die Leistungen in den anderen Fächern übertragen, eine vorteilhafte Prägung für die weitere Schullaufbahn sei aber in jedem Fall zu erkennen, sagt Fauth.

Zum Höhepunkt eines jeden Musikunterrichtsjahres gehört am Ende ein großes Konzert. Dieses Jahr hätte es Mozarts Zauberflöte werden sollen. Doch Corona machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Auch die Auftritte in Seniorenheimen, die von den alten Menschen mit viel Begeisterung verfolgt würden, mussten abgesagt werden. Umso erfreuter waren Busta und Fauth, dass sie dank der Stiftung und des SZ-Adventskalenders fünf E-Pianos verleihen konnten, damit die Kinder auch während des Home-Schoolings weiter üben konnten. Und das ganz ohne Geschwister zu nerven oder Nachbarn zu stören. Denn beim E-Piano hört per Kopfhörer nur der mit, der selbst spielt.

Der SZ-Adventskalender konnte aber auch noch anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen helfen, die durch die Covid-19-Pandemie in ihrer Arbeit ausgebremst wurden oder in finanziellen Nöte gerieten, weil durch das Virus plötzlich Kosten entstanden, die man nicht erwarten konnte. Wie zum Beispiel der digitale Unterricht, dem Kinder aus benachteiligten Familien nicht folgen konnten, weil die Geräte fehlten. Für das Landschulheim Elkofen wurden elf Tablets mit finanziert.

Unterstützt werden konnte auch das Erdinger Projekt "Studierzimmer" der Aktionsgruppe "Pro Asyl". Hier steht seit Schulbeginn Jugendlichen mit Fluchthintergrund oder aus sozial schwachen Familien ein Raum mit sechs Internetarbeitsplätzen samt Notebooks und einem Drucker zur Verfügung. So müssen die Jugendlichen endlich keine Hausaufgaben mehr auf dem Handy erledigen.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2020
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