Projekt "Bellevue di Monaco":Zuhause im Herzen Münchens

Projekt "Bellevue di Monaco": Die Sportfreunde Stiller spielen im Februar 2014 bei einer Aktion von Goldgrund in der Müllerstraße.

Die Sportfreunde Stiller spielen im Februar 2014 bei einer Aktion von Goldgrund in der Müllerstraße.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Goldgrund-Aktivisten haben eine neue Idee: "Bellevue di Monaco" heißt das Projekt, bei dem die Häuser in der Müllerstraße für junge Flüchtlinge und Familien umgebaut werden sollen. Doch die Stadt reagiert skeptisch.

Von Bernd Kastner

Einen Namen hat das Projekt schon: "Bellevue di Monaco". Was nach einem noblen Hotel klingt, ist der Arbeitstitel für eine gewagte Idee: Für ein Integrationshaus, oder genauer: für ein Zuhause vor allem für junge Flüchtlinge in einem Ambiente aus Kunst, Kultur und Arbeit, und das mitten in München, in der Müllerstraße 2 bis 6. Dort stehen die bekanntesten und umstrittensten Leerstandshäuser im Besitz der Stadt.

Realisieren will das Projekt ein einzigartiger Zusammenschluss von Akteuren aus der Sozial- und Kulturszene. Initiiert haben es die Aktivisten von "Goldgrund", der Satire-Gruppe um den Lustspielhaus-Chef Till Hofmann. Anders als bisher will Goldgrund die Stadt diesmal nicht vorführen, sondern mit ins Boot holen, um ein Leuchtturmprojekt zu schaffen. Das erste und größte Problem dabei ist, dass der Stadtrat den Abriss von zwei der drei Häuser längst beschlossen hat.

Hinter der Idee stehen neben den renommierten Jugendhilfeträgern Verein für Sozialarbeit, Condrobs, HPKJ und der Initiative für Münchner Mädchen (Imma) auch der künftige Intendant der Kammerspiele, Matthias Lilienthal, und die Macher des Projekts "Import Export" in der Goethestraße. Sie wollen zunächst die Stadt von ihren Abrissplänen für die Müllerstraße 2 und 4 abbringen.

Die Bellevue-Planer halten die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Häuser für denkmalschutzwürdig. Auch seien sie sanierungsfähig - und das mit geringem Aufwand. In der Debatte um die Zukunft der Häuser während des Wahlkampfs hatte sich bereits die CSU für eine "Pinselsanierung" ausgesprochen.

"Theater- und Kulturlabor"

Einen "Ort des Willkommens im Herzen der Weltstadt mit Herz" will Goldgrund etablieren. Wohnen sollen dort auch alleinerziehende junge Frauen und Menschen, die Hilfe beim Schritt in ein selbstständiges Leben brauchen und kaum Chancen auf eine Wohnung haben. 40 bis 50 Personen im Alter zwischen 18 und 27 könnten dort für jeweils bis zu zwei Jahre wohnen. "Wir als Bürger einer liberalen Weltstadt müssen zusehen, dass die von uns aufgenommenen Menschen eine Perspektive haben, Teil unserer Stadtgesellschaft zu werden."

Goldgrund will einen "transkulturellen Begegnungsort" schaffen und den benachbarten Hochbunker an der Blumenstraße einbinden: Er könnte zu einem "Theater- und Kulturlabor" werden mit Ateliers, Workshop- und Proberäumen. Für das Erdgeschoss schwebt den Bellevue-Planern ein Restaurant vor, in dem es wechselnde Speisen aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea gibt, den Heimatländern vieler Flüchtlinge.

Die Müllerstraße 6 könnte ein Café beherbergen, das junge Flüchtlinge selbst betreiben und Nachbarschaftstreff, Infozentrum und Veranstaltungsort in einem ist. Auch Ausbildungsbetriebe könnten sich ansiedeln oder Werkstätten, etwa in der Müllerstraße 2. Das unmittelbar benachbarte Bürgerhaus Glockenbachwerkstatt böte sich als Kooperationspartner an.

Leerstand wird zum Politikum

"Die Stadt hätte hier die einzigartige Chance, eine ganz neue Form der Unterkunft und Betreuung mitten im Herzen von München zu etablieren", schreiben die Goldgrund-Aktivisten in ihrem Konzeptpapier. "Wir als Stadt und Bürger könnten zeigen: Wir setzen uns entschlossen für den Schutz von Asylsuchenden ein und treten dem Rassismus entgegen."

Goldgrund besteht vor allem aus dem Schwabinger Kulturmanager Hofmann, dem Filmemacher Christian Ganzer und dem SZ-Redakteur Alex Rühle. Sie haben zunächst den Luxustrend auf dem Immobilienmarkt satirisch aufgespießt und dann den Leerstand Hunderter städtischer Wohnungen mit provokanten Aktionen zum Politikum gemacht.

So haben sie, verkleidet als Gorillas und unterstützt von Prominenten wie Ex-Fußballer Mehmet Scholl und dem mittlerweile verstorbenen Dieter Hildebrandt, in der Müllerstraße 6 auf die Schnelle eine Wohnung saniert, und so die Stadt in Erklärungsnot gebracht. Ergebnis der Aktion ist, dass der Stadtrat zumindest dieses Haus kostengünstig sanieren will.

"Goldgrund muss uns nicht zum Jagen tragen"

Diesmal wollen die Aktivisten der Stadt die Hand reichen, die Bürgermeister und mehrere Referenten haben am Donnerstag das Bellevue-Konzept auf den Tisch bekommen: "Die Stadt müsste das eigentlich als Prestigeobjekt sehen", sagt Hofmann. Als Leuchtturmprojekt, ähnlich dem "Integrationshaus" in Wien oder dem "Grandhotel Cosmopolis" in Augsburg: Dort haben Aktivisten aus einem ehemaligen Altenheim ein Haus für Flüchtlinge und Hotelgäste, für Kunst und Kultur gemacht.

Die Stadtspitze reagierte zunächst nicht oder ablehnend auf die Idee. Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) lässt ihren Sprecher nur auf den Abrissbeschluss des Stadtrats verweisen: "Wir möchten dem nichts hinzufügen." Der Sprecher des Kommunalreferats, das wegen des städtischen Leerstands in der Kritik steht, sagt: "Goldgrund muss uns nicht zum Jagen tragen."

Er betont, dass das Ensemble nie komplett leer gestanden sei, und dass schon länger in Nummer 6 Flüchtlinge leben. Dass die Häuser schnell zu renovieren seien, "ist de facto nicht richtig". Laut Stadtratsbeschluss soll anstelle von Nummer 2 und 4 ein Neubau mit geförderten Wohnungen für mehrere Millionen Euro entstehen.

Dass das Landesamt für Denkmalschutz die Häuser plötzlich für denkmalwürdig erachte, sei "mehr als fraglich", so der Sprecher. Den denkmalgeschützten Bunker wiederum brauche der Bund vom Jahresende an zwar nicht mehr für den Zivilschutz, er sei aber nur schwer umzubauen. Und überhaupt: Auch die Stadt könne sich an der Müllerstraße ein Gewerbe vorstellen, das Flüchtlinge beschäftige.

Ein künftiger, prominenter Angestellter der Stadt will sich von amtlichen Hürden nicht bremsen lassen: Matthias Lilienthal, der 2015 die Leitung der Kammerspiele übernimmt, ist begeistert von der Bellevue-Idee. "Der Umgang mit Flüchtlingen ist ein zentrales Thema in unserer Gesellschaft." München könne die Arme ausbreiten und die jungen Flüchtlinge in die Arme schließen. Er jedenfalls lasse sich von Widerständen nicht entmutigen: "Wenn ich etwas richtig finde, dann kämpfe ich darum."

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