Süddeutsche Zeitung

Mängel bei Wiesenhof:Das Hendl-Problem

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Rund eine Million halbe Hendl werden jährlich auf der Wiesn verspeist - ein Großteil davon stammt aus Betrieben, die unter dem Markennamen des niedersächsischen Geflügelkontors firmieren. Schon bald werden die Wirte wieder ihre Vorbestellungen aufgeben. Ob Wiesenhof diesmal wieder dabei sein wird, ist noch nicht sicher.

Astrid Becker

Nach gravierenden Hygienemängeln in einem seiner Schlachtbetriebe im sächsischen Möckern läuft Wiesenhof Gefahr, nach McDonald's noch einen anderen äußerst lukrativen Abnehmer zu verlieren: das Oktoberfest. Rund eine Million halbe Hendl werden jährlich auf der Wiesn verspeist, ein Großteil davon stammt aus Betrieben, die unter dem Markennamen des niedersächsischen Geflügelkontors firmieren.

Exakt 522.821 ganze Hendl wurden im vergangenen Jahr auf dem Oktoberfest verspeist. Schon bald, in den Monaten Mai und Juni, werden die Wirte wieder ihre Vorbestellungen bei ihren Lieferanten aufgeben. Ob Wiesenhof diesmal wieder dabei sein wird, ist noch nicht sicher. Vor zwei Wochen hatten die Behörden einen vorübergehenden Produktionsstopp in einem der 13 Wiesenhof-Betrieben im Bundesgebiet verhängt und insgesamt 975 Tonnen Hühnerfleisch für den Verkauf gesperrt. Die Fastfood-Kette McDonald's hatte daraufhin kein Geflügelfleisch mehr dort bezogen.

Auch auf die Wiesn liefert das niedersächsische Geflügelkontor jährlich viele Tonnen frische Hendl - zum Beispiel an "Bräurosl"-Wirtin Renate Heide. So lange sich der Wiesenhof-Skandal nicht ausweitet, sieht sie offenbar keinen Grund, ihren Lieferanten zu wechseln: "Unsere Hendl kamen ja nie aus Sachsen, sondern immer von einem Betrieb in Bogen", sagt sie. Zudem sei es nicht einfach, neue Betriebe zu finden, die in der Lage seien, die riesigen auf dem Oktoberfest benötigten Mengen zu liefern. Auch Sepp Schmidbauer weiß das nur allzu gut: Er betreibt auf der Wiesn die Hühnerbraterei Ammer und hat bisher als einziger komplett auf Bio-Geflügel umgesattelt. Bis 2009 hatte er bei einem Betrieb im Kreis Paderborn eingekauft - bis der wegen Etikettenschwindels in die Schlagzeilen geriet.

Schmidbauer hatte daraufhin Strafanzeige gestellt und sich einen neuen Lieferanten gesucht: "Das ist im Biobereich sogar noch schwieriger, weil es länger dauert, bis man dort ein Hendl schlachten darf." Er glaubt daher nicht, dass Wiesenhof vom Oktoberfest verschwinden wird: "Die brauchen ja nur 28 Tage Zeit zur Mast, bis dahin kann man viele Mängel beseitigen."

Wirtesprecher Toni Roiderer, der seine Hendl für das Hackerzelt bei einem niederbayerischen Bauern ordert, sieht das ähnlich. Er gibt aber zu bedenken: "Qualität und Frische sind die wichtigsten Faktoren. Wenn bei einem Lieferanten etwas nicht stimmt, wird jeder vernünftige Wirt dort nicht mehr bestellen." Bisher steht nur eines fest: Hendl wird es auf der Wiesn auch künftig geben. Denn abgesehen von seiner Beliebtheit als Wiesnklassiker lässt sich kaum ein anderes Gericht in derart großen Mengen gleichzeitig zubereiten: Je nach Grillgröße und Zelt können etwa 700 Portionen nach 45 Minuten Garzeit serviert werden.

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SZ vom 22.03.2012
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