Produkte aus dem Knast:Zum Kundendienst nach Stadelheim

Sie wollen Ihr Auto billig reparieren lassen, eine preiswerte Hochzeitstorte bestellen oder den Garten kostengünstig bepflanzen? Dann müssen Sie ins Gefängnis Stadelheim - als Kunde.

Beate Wild

Anton Schärfl schwärmt von seinem Job. "Wir sind eine Supertruppe", sagt er. "Alle sechs, die hier zurzeit in der Werkstatt arbeiten, sind Bayern. Ein echt gutes Klima", fügt er hinzu und nickt zustimmend. Schärfl ist Kfz-Meister in einer Autowerkstatt in München.

Produkte aus dem Knast: Was machen die schweren Jungs den ganzen Tag hinter Gittern? Arbeiten - wenn sie Glück haben.

Was machen die schweren Jungs den ganzen Tag hinter Gittern? Arbeiten - wenn sie Glück haben.

(Foto: Foto: Beate Wild)

Doch etwas ist bei seinem Job anders als normal: Sein Arbeitsplatz befindet sich hinter Gittern, genauer gesagt in der JVA Stadelheim. Aber Schärfl ist kein Häftling, sondern Justizvollzugsbeamter. Jeden Morgen um 7.20 Uhr kommt er nach Stadelheim, um dort seiner Arbeit nachzugehen. Das macht er schon seit 1993.

Die Kfz-Werkstatt auf dem Gefängnishof ist der Geheimtipp für preisbewusste Autobesitzer. Denn die sechs Häftlinge hier, alle Kfz-Mechaniker, schrauben billiger als woanders. "80 Prozent unserer Kunden sind Privatleute von draußen", sagt Schärfl. Die restlichen Autos stammen von JVA-Beamten. Rund 2000 Fahrzeuge reparieren die Sträflinge pro Jahr.

Auf Wunsch wird der Wagen von der Werkstatt in Münchens Männerknast auch zum TÜV gefahren. Wer sein Auto zum Kundendienst bringen möchte, sollte sich vier bis sechs Wochen vorher anmelden. "Selbstverständlich wird das Auto durchsucht, bevor es hier aufs Gelände darf", erklärt Schärfl. Und auch die Ausweisdaten des Fahrers werden kontrolliert.

Das erscheint auf den ersten Blick vielleicht etwas mühsehlig, aber die günstigen Preise der Haftanstaltsgarage lohnen sich wirklich. Außerdem fällt bei Produkten und Dienstleistungen aus dem Gefängnis auch keine Mehrwertsteuer an. Über die konkreten Preise dürfe aber nichts in der Presse stehen, sagt Schärfl. Man wolle schließlich die Werkstätten draußen nicht verärgern. Außerdem müsse der Preis je nach Art und Komplexität der Reparatur erstmal verhandelt werden.

Zum Kundendienst nach Stadelheim

Neben Schärfl und den sechs Insassen gibt es noch den Chef der Knast-Werkstatt: Thomas Bojus, ebenfalls JVA-Beamter und Kfz-Meister. Er ist sogar schon seit 17 Jahren in Stadelheim beschäftigt. Nein, eingesperrt fühle er sich eigentlich nicht, sagt Bojus. Da gewöhne man sich schnell dran, hinter Gittern zu arbeiten: "Hier drinnen sieht es ja aus wie in einer Werkstatt 'draußen'. Man sieht die Mauern ja nicht."

JVA Stadelheim

Stadelheims Bäckermeister Elmar Deinhart neben seinen Kreationen.

(Foto: Foto: Beate Wild)

Hochzeittorte aus dem Knast

Auch Elmar Deinhart kommt sich nicht vor wie eingesperrt. Der Bäckermeister leitet die Knast-Backstube und ist seit 23 Jahren als JVA-Beamter in Stadelheim beschäftigt. Zusammen mit einem anderen Meister und sechs Gefangenen versorgt er nicht nur die 1300 Insassen, sondern arbeitet auch auf Bestellung von "draußen". "Für Partys oder Firmenfeiern kann man hier fast alles in Auftrag geben", sagt Deinhart. Brezen, Sauerteigbrot, Vollkornsemmeln, Kuchen oder Torten.

"Alles ist möglich, auch aufwändige Verzierungen zu speziellen Anlässen", erklärt der Bäckermeister. Also eine Hochzeitstorte aus dem Knast? "Auch das ist kein Problem." Besonders zur Weihnachtszeit häufen sich jedes Jahr die Aufträge. Weitere Abnehmer der Backwaren aus Stadelheim sind Schulen aus der Umgebung und natürlich die 600 Mitarbeiter der JVA.

In Deinharts Bäckerei erinnert wenig daran, dass die Öffentlichkeit vor diesen Männern, die hier Brezen formen und Teig kneten, geschützt werden soll. Keine uniformierten Sicherheitsbeamten sind zu sehen. Die Häftlinge tragen weiße T-Shirts und karierte Hosen, wie unter Bäckern üblich. Ab und zu blitzt mal irgendwo auf der Haut eine Tätowierung auf. Aber das haben draußen ja auch viele.

Hauptsache raus aus der Zelle

In Stadelheim arbeiten die Männer gerne den ganzen Tag. "Wer Arbeit hat, ist glücklich", sagt Ingrid Rock. Sie ist die Chefin aller Arbeitsbetriebe in Stadelheim. "Arbeiten ist ein Privileg. Hauptsache raus aus der Zelle", erklärt sie. Von den 1300 Gefangenen hätten nur 500 eine Beschäftigung. Der Rest sei arbeitslos.

Zum Kundendienst nach Stadelheim

JVA Stadelheim

Rainer Ruckriegel ist Obergärnter im Münchner Knast.

(Foto: Foto: Beate Wild)

Für die Insassen ist die tägliche Stunde Freigang die einzige Abwechslung. Wer nicht arbeitet, sieht sich mit der trostlosen Alternative konfrontiert, 23 Stunden am Tag in seiner Zelle zu hocken. Das bestätigen auch die Häftlinge. "Lieber würde ich sieben Tage arbeiten als nur fünf", sagt einer. In den Betrieben komme man wenigstens mit den anderen zusammen, man hätte jemanden zum Reden. Auch die Zeit vergehe so schneller. Die Langeweile alleine in der Zelle sei kaum auszuhalten.

Für ihre Arbeit bekommen die Männer auch ein bisschen Geld. "Strafgefangene 1,34 Euro pro Stunde, Untersuchungshäftlinge nur 0,75 Euro", sagt Rock. Vier Siebtel des Geldes müssen die Arbeiter ansparen für das Leben nach der Haft. Den Rest dürfen sie im Knast-Laden ausgeben. Dort gibt es vor allem Zigaretten, Kaffee und Süßwaren zu kaufen. "Ungefähr 100 Euro bleiben einem Häftling im Monat übrig", klärt Rock auf. Davon könne man sich "drinnen" schon einiges leisten.

Zum Gärtnern nach "draußen"

Aber Stadelheim hat viel mehr zu bieten als die Bäckerei und die Kfz-Werkstatt. Neben den Werkhallen, wo Häftlinge Tüten kleben, gibt es noch Wäscherei, Schreinerei, Malerei, Schlosserei und Gärtnerei. Die Stadelheimer Häftlinge machen drei Millionen Umsatz im Jahr. 2006 blieb ein Gewinn von 884.000 Euro über - für die Staatskasse.

Die Schreinerei etwa fertigt derzeit das gesamte Mobiliar für den neuen Frauenknast am Mangfallplatz, der von Herbst an in Betrieb geht. Aber nicht nur in der Stadelheimer Schreinerei kann man als Privatmann oder Unternehmen Sachen bestellen. Auch die gefängnisinterne Gärtnerei nimmt gerne Aufträge an.

Rainer Ruckriegel, der Obergärtner, zählt stolz auf, was er und seine fünf Gehilfen alles fertigen: "Die Bestellungen gehen von Weihnachtsdeko über Trauergebinde bis hin zum Hochzeitsschmuck." Auch wenn ein Privatmann im Frühjahr seinen Balkon bepflanzen will, kann er Blumen in Stadelheim ordern.

"Wenn wir einen Garten bepflanzen sollen, dann dürfen bestimmte Häftlinge sogar mit raus", erzählt Ruckriegel. Ob ein Insasse zum Arbeiten für ein paar Stunden hinaus darf, hängt von der Schwere seines Verbrechens ab. Und davon, wie lange er schon einsitzt: "Wer erst kurz da ist, macht noch eher Fluchtversuche. Die schon länger hier sind, haben sich schon ihrem Schicksal ergeben."

Wer sich über die Arbeit der Häftlinge in bayerischen Gefängnissen informieren will, kann das auf der Internationalen Handwerksmesse München (IHM) vom 28. Februar bis 3. März 2008 tun. Dort haben die Knast-Betriebe einen Info-Stand. Weitere Infos sind unter www.jva.de abzurufen.

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