Probleme wegen Mietschulden:Abgewiesen vom Amt

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Nur ein paar Münzen: Vielen alten Menschen bleibt zum Leben kaum etwas übrig.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Wegen Mietschulden wird eine 78-jährige Frau beinahe obdachlos.
  • Als sie sich mit ihrem Problem an das Sozialbürgerhaus wendet, verweigert die Behörde ihr zunächst jegliche Hilfe.
  • Als das Amt den Mietrückstand doch noch übernimmt, erfolgt die Übernahme in Form eines Darlehens.

Von Sven Loerzer

Weit mehr als ihr halbes Leben hat eine 78 Jahre alte Münchnerin in derselben Wohnung verbracht. Doch jetzt hätte nicht viel gefehlt, dass die Frau, die seit 1959 dort lebt, obdachlos geworden wäre - und zwar ohne eigenes Verschulden. Beim zuständigen Sozialbürgerhaus fand sie zunächst kaum Hilfe und Unterstützung, sondern fühlte sich im Gegenteil drangsaliert.

Weil ihre kleine Rente nicht zum Leben reicht, bezieht die Frau Grundsicherung im Alter. Für sie alleine wäre die Wohnung nach den in München geltenden Mietobergrenzen für die Kostenübernahme aber zu teuer. Die Frau hatte deshalb untervermietet, um die Mietkosten so zu senken, dass der auf sie noch entfallende Betrag vom Sozialbürgerhaus in voller Höhe als angemessen anerkannt wird. Doch nach einigen belastenden Auseinandersetzungen mit dem Untermieter sah sich die Frau gezwungen, dafür zu sorgen, dass er im September ausziehen musste. Seinen Mietanteil hatte der Mann aber seit Juli nicht mehr bezahlt, weshalb der Frau wegen Mietschulden die Räumungsklage ihres Vermieters drohte. Erst zum November fand sie einen Studenten, der bei ihr zur Untermiete einzog.

Dreimal sucht sie vergeblich beim Sozialbürgerhaus nach Hilfe

Die rund 2500 Euro Mietrückstand wegen der ausgefallenen Untermietzahlungen aber konnte die Frau nicht aufbringen. In ihrer Verzweiflung wandte sich die 78-Jährige an das Sozialbürgerhaus Laim-Schwanthalerhöhe und bat Ende vergangenen Jahres die Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit (FAST) um Hilfe. "Dreimal war ich vergeblich bei einer Mitarbeiterin vorstellig geworden", weshalb die allmählich ziemlich verzweifelte 78-jährige Rentnerin die geforderten Unterlagen schriftlich einreichte.

Am 19. Januar meldete sich die FAST-Mitarbeiterin daraufhin schriftlich und hielt der 78-Jährigen vor, die Überprüfung habe ergeben, dass sie ein Auto besitze, das im August 2014 zugelassen worden sei. Das habe sie jedoch dem Sozialbürgerhaus nicht gemeldet, obwohl sie diese "Vermögensveränderung" hätte melden müssen. Es sei nicht ersichtlich, was mit dem vorherigen Auto geschehen sei.

Dem widerspricht die 78-Jährige. Denn das alte Auto sei im Juni 2014 mit Motorschaden liegen geblieben, die zu erwartenden Reparaturkosten hätte sie nicht aufbringen können. Sie habe deshalb mit Hilfe eines fachkundigen Freundes ein 16 Jahre altes Auto als Ersatz gekauft, weil sie wegen eines Wirbelsäulenschadens und schwerer Kniegelenkarthrose darauf angewiesen sei: "Ein uralter Freund in den USA übermittelte mir 800 Euro als Darlehen, das ich mit kleinen Raten zurückzahle." All dies habe sie aber damals dem Sozialbürgerhaus sehr wohl mitgeteilt.

Sozialbürgerhaus lässt sich Darlehen zurückzahlen

Um so erstaunter war sie, dass sie nun noch einmal alles belegen und zusätzlich auch ihre Kontoauszüge seit August 2014 vorlegen sollte. Anfang März teilte die FAST dem Vermieter schließlich mit, dass die Mietschulden übernommen würden. Die 78-Jährige erhielt ebenfalls Nachricht davon mit Schreiben vom 10. März - nachdem sich die Süddeutsche Zeitung beim Sozialreferat erkundigt hatte, ob und wann die Frau Hilfe erhält. Der Mietrückstand werde übernommen, lautete die Auskunft. Das Sozialbürgerhaus ließ die Frau allerdings wissen, die Übernahme erfolge in Form eines Darlehens: "Dieses müssen sie in Raten an die Landeshauptstadt München zurückzahlen."

Das Sozialbürgerhaus setzte 80 Euro als monatliche Rückzahlungsrate fest und behält den Betrag gleich von der Grundsicherung ein. Die Rentnerin sollte dazu eine Einverständniserklärung "dreifach unterschrieben", wie es heißt, an das Sozialbürgerhaus zurückschicken. Der Grundsicherungsempfängern in München zugestandenen monatliche Lebensbedarf beträgt 420 Euro - da schmerzt jeder Abzug.

Erst auf die weitere Nachfrage der Süddeutschen Zeitung, ob es richtig sein kann, einer 78-jährigen Frau auf Jahre hinaus tatsächlich den Lebensunterhalt zu kürzen, obwohl sie an den Mietrückständen keinerlei eigenes Verschulden trifft, kündigte ein Sozialreferatssprecher schließlich an: "Es wird ein neuer Bescheid ergehen. Die Übernahme der Mietschulden wird als Beihilfe gewährt." Den Zahlungsanspruch gegen den ehemaligen Untermieter, den die Frau verklagt hat, hatte sich die FAST ohnehin schon abtreten lassen.

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