Problematische Tradition:Memminger Fischfrevel

"Tradition oder Diskriminierung" vom 4. August:

Am Kern der Sache vorbei: Wie glaubwürdig ist der Kampf der weiblichen Mitglieder des Memminger Fischervereins gegen Diskriminierung?

Alljährlich durchpflügt eine Horde grölender Männer in Steinzeit-Manier mit Keschern den Memminger Stadtbach im Rahmen des sogenannten Fischertages. Ziel dieser grotesk und barbarisch anmutenden Veranstaltung ist der Fang der schwersten Forelle und die damit verbundene Ernennung zum Fischerkönig.

Die Fische werden dabei gehetzt, zusammengepfercht, gequetscht und nach erfolgreichem Fang in mehr oder weniger gut gefüllten Wassereimern zu den Schlachtzelten verbracht. Dort erwartet sie endlich die Erlösung in Form eines mehr oder minder präzisen beziehungsweise wirkungsvollen Schlags auf den Kopf - (teilweises) Bewusstsein der Fische beim anschließenden Ausnehmen und Zerstückeln nicht ausgeschlossen.

Nun dürfte es sich zweifelsohne auch bis in die beschauliche ehemalige Reichsstadt in Oberschwaben herumgesprochen haben, dass es sich bei Fischen um soziale und empfindsame Wesen handelt, die keineswegs immun gegen Schmerz, Stress oder Angst sind. Müßig hervorzuheben, dass diese Hatz und Tötung der Fische keinen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes in sich birgt und somit gegen dieses verstößt.

Dennoch halten die Memminger Stadtväter stoisch an diesem barbarischen Spektakel fest und verweisen dabei auf die jahrhundertelange Tradition. Längst überfällig und umso erfreulicher also die jüngst erfolgte Anprangerung des Fischertags unter großem medialen Echo? Mitnichten! Beklagt wird hier mit keiner Silbe, dass das Tierschutzgesetz im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten wird. Nein, die weiblichen Mitglieder des Memminger Fischervereins fühlen sich diskriminiert, da ihnen die Vereinsstatuten den Sprung in den Bach verwehren und sie mit der Rolle der "Kübelesträgerinnen" vorlieb nehmen müssen.

Grundsätzlich ist der Kampf für Geschlechtergerechtigkeit natürlich ein hehres, absolut zu unterstützendes Anliegen. Doch dieses ist notwendigerweise auch immer kontextbezogen zu betrachten. Einerseits die Gleichbehandlung der Geschlechter einzufordern, andererseits aber empfindsamen Wesen essenzielle Rechte auf Schutz vor Qual und unnötigem Töten abzusprechen, das passt nicht zusammen! Dieses widersprüchliche Verhalten unterminiert die Bewegung des Gender Mainstreaming. Ein glaubwürdiger und ernst gemeinter Einsatz für die Geschlechtergerechtigkeit kann hier nur bedeuten, die Abschaffung des Memminger Fischertags einzufordern und damit Transgender, Frauen und Männer gleichermaßen von dieser tierquälerischen und menschenunwürdigen Tradition zu befreien.

Dr. Clemens Heuson, Augsburg

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