Kommentar:Münchens Subkultur stirbt

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Nicht nur Bands haben in München mit der schwierigen Immobilien-Situation zu kämpfen. Auch viele Clubs wie das Harry Klein sind bedroht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Clubs verschwinden und für Musiker gibt es kaum noch geeignete Räume - der Kommerz frisst die Subkultur in der Landeshauptstadt. Das belegt auch eine neue Umfrage.

Kommentar von Michael Bremmer

Heuer wird ein wenig leiser gefeiert werden, auch kleiner. Wenn sich am 3. Januar alle Clubs zum Gastrosilvester treffen, um nachzufeiern, dann werden diesmal nur 56 kommen. Vor ein paar Jahren waren es mal mehr als 100. Fast die Hälfte hat aufgegeben.

München wächst. Investoren kaufen Flächen, für Wohnungen, Gewerbe, Hotels. Der Kommerz frisst sich durch die Stadt, und mit zugebauten oder verspekulierten Flächen stirbt Pop- und Nachtkultur. An der Sonnenstraße 8 etwa soll ein Hotel entstehen, ein Bauvorbescheid bereits vorliegen. An dieser Stelle existiert der Electro-Club Harry Klein. Noch. Das X-Cess, im selben Haus angesiedelt, hat bereits aufgegeben. Es ist nicht der einzige Club, der verschwunden ist. Und es geht auch nicht nur um Clubs, Münchens gesamte Popkultur ist in Gefahr.

Natürlich macht die Wohnungsnot Diskussionen schwierig, ob eine Freifläche für Kultur erhalten bleiben kann oder ob darauf Platz für Neumünchner geschaffen wird. Um die verbliebenen Orte wird geschachert, die Gruppe mit der größten und lautesten Lobby sahnt ab. Den Erstzugriff hat die Hochkultur, die Spaßkultur hat gerade werbewirksam Eckart von Hirschhausen eingeflogen, um zu erklären, warum München ein Humormuseum benötigt.

Und die Popkultur? Die Fachstelle Pop vom Feierwerk hat nun eine Umfrage zur Proberaum-Situation präsentiert. 1500 bis 2000 Bands gibt es in dieser Stadt, mehr als 1000 Musiker wurden an der Erhebung beteiligt. Das Ergebnis ist beschämend. 20 Prozent der Bands haben keinen festen Proberaum. 75 Prozent teilen sich einen oft winzigen Raum mit anderen Bands, meist dürfen sie ihn nur einen Tag nutzen. 20 Quadratmeter, häufig ohne Heizung, häufig ohne saubere Toiletten, häufig ohne die Möglichkeit, Instrumente wegzusperren - und das für mehrere hundert Euro Miete.

Der Aufschrei aber bleibt aus. Es bestehe Hoffnung, so ist zu hören, weil es Anfang Dezember ein Hearing der Stadt gibt. Weil sie endlich zuhören will, welche Probleme Pop-München umtreiben. Zuhören alleine wird nicht reichen. Natürlich liegt das Wohl der Stadt nicht daran, ob es fünf Proberäume mehr oder weniger gibt.

Aber die Stadt muss ins Grübeln kommen, warum immer mehr Musiker München verlassen, weil es anderswo bessere Arbeitsbedingungen gibt. Und sie muss kapieren, dass Touristen nicht nach München kommen, weil die Hotels so schön sind - sondern auch wegen der Pop- und Nachtkultur.

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