Simone hat extra ein Plakat gebastelt, doch jetzt ist es plötzlich weg. "Gegen die Hetzjagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg" hatte die stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union Augsburg auf einen Pappkarton geschrieben, der nun spurlos verschwunden ist. "So ein Pech", meint die 25-Jährige. Konservative beim Straßenkampf - das klappt eben nicht immer reibungslos.
Am Samstagmittag haben sich am Münchner Rindermarkt mehrere hundert Anhänger des ehemaligen Verteidigungsministers versammelt. Ihr Ziel: Guttenberg zur Rückkehr in die Politik zu bewegen. Sie stehen um das steinerne Rindviech im Brunnen herum. Auf Plakaten steht: "KT, du bist ok" oder "Ein Guttenberg tritt nicht zurück, er nimmt nur Anlauf". An die Brust haben sie sich Buttons geheftet, auf denen das Wort "Opfer" und das Konterfei Guttenbergs abgebildet ist.
Doch es sind nicht nur Guttenberg-Anhänger gekommen, sondern fast genauso viele Gegner des CSU-Mannes. Politikstudent Matthias hat sich eine Narrenkappe übergezogen und hält ein Schild in die Höhe: "I love KT - Straffreiheit für Superstars". Sein Kommentar: "Man kann das, was derzeit abgeht, nur noch mit Humor nehmen." Andere fordern die sofortige Heiligsprechung Guttenbergs oder die Rückkehr von König Ludwig II. Eine Gruppe skandiert: "Doktor für alle und zwar sofort." Ein älterer Herr mahnt sie erregt um Ruhe.
Auch in anderen Großstädten haben sich Guttenberg-Anhänger versammelt. Doch dort sieht es eher aus nach: Es ist Demo und kaum einer geht hin. In Köln sind es gerade einmal 50, in Hamburg nach Schätzung der Polizei 150, in Berlin sind nur ein paar Dutzend Gegner gekommen.
In Guttenberg, dem Heimatort des Politikers, gingen immerhin 2000 Menschen auf die Straße, dreimal so viele wie der Ort Einwohner hat. Darunter auch Guttenbergs Vater, der Dirigent Enoch zu Guttenberg. Die Kritik an seinem Sohn bezeichnete der 64-Jährige als "Menschenjagd". "Dieser Geifer und Jagdrausch der politischen Gegner macht Angst um das Verbleiben der Mitmenschlichkeit in unserem Land."
Über Facebook hatten die Anhänger zu den Demonstrationen aufgerufen und sie vorbereitet. Nachdem Guttenberg nach der Plagiats-Affäre zurückgetreten war, haben mehrere hunderttausend Menschen in der Gruppe "Wir wollen Guttenberg zurück" ihre Sympathie mit ihm bekundet.
Guttenberg-Demo in München:"KT come back"
Am Münchner Rindermarkt haben sie sich versammelt, mehrere hundert Fans des Ex-Verteidigungsministers. Ihr Ziel: Guttenberg zur Rückkehr bewegen. Ihre Gegner: Die missgünstigen Medien und die Spötter, die Guttenbergs Größe nicht erkannt haben.
Im Real Life sind jedoch in München kaum junge Facebook-Nutzer gekommen, sondern vor allem Menschen jenseits der 50. Wie die 71-jährige Renate zum Beispiel. "Das war endlich mal einer mit Ausstrahlung und einer vorzeigbaren Frau", sagt sie. Dann schwenkt sie ihre mitgebrachte Deutschlandfahne.
Fünf Meter weiter schimpft Peter Mengel über die Mediendiktatur. "Das, was mit Guttenberg gemacht wurde, ist höchst miserabel", meint der Rentner aus Fürstenfeldbruck. Dann lauscht er wieder den Rednern auf der Bühne. Hier wird gerade nicht nur die Rückkehr Guttenbergs in die Politik, sondern auch die "Ernennung zum Papst und zum Anführer der Revolution" gefordert. Mengel klatscht begeistert - wie auch zahlreiche andere. Was sie nicht mitbekommen haben: Es ist ein Gegner Guttenbergs, der spricht. In der Hand hält er ein Transparent, auf dem "Schluchz!" steht.
Nach einer halben Stunde haben die Konservativen ein bisschen Übung im Demonstrieren bekommen. Der Applaus nach den Redebeiträgen wird lauter, vereinzelte Bravo-Rufe hallen sogar über den Rindermarkt. "Die anderen haben auf ihn eingetreten, jetzt treten wir für ihn ein", meint einer. Ein anderer: "Guttenberg, kommen Sie wieder! Das Land braucht Sie!" Angegriffen werden stets Opposition und die Medien. Fällt der Name Jürgen Trittin, ist die Resonanz besonders laut.
Bei den Redebeiträgen wird vom Leder gezogen wie beim Politischen Aschermittwoch, manchmal ist das Niveau jedoch auch deutlich tiefer. Eine Frau liest aus einem Protestbrief vor, den sie an den Bundestag geschrieben habe. Sie meint: Das Verhalten der Opposition im Bundestag erinnere sie an die Hetze der Nazis im Reichstag - und das könne sie beurteilen, schließlich sei sie Jahrgang 1942.
Dann ergreift auch die Augsburgerin Simone das Mikrofon. Ihr gebasteltes Plakat hat sie immer noch nicht wiedergefunden. In ihrem Redebeitrag bemängelt sie, dass jemand, der viel geleistet hat, nur einen einzigen Fehler machen müsse, und sofort fallengelassen werde. Die Anhänger finden auch hier einen Grund zum Klatschen, die Gegner einen zum Feixen.