Pro 7 vor Gericht:In Unterhose vor Millionenpublikum

Ein TV-Team ist in eine Wohnung eingedrungen und hat den überrumpelten Mann in Unterhose gefilmt. Nun muss Pro 7 Schmerzensgeld zahlen.

E. Müller-Jentsch

Das einfache "Ja" eines Bürgers, der von einem Fernseh-Team in einer peinlichen Situation überrascht worden ist, genügt nicht als Zustimmung zur Ausstrahlung der Szene.

Pro 7 vor Gericht: Muss 5500 Euro Schmerzensgeld zahlen: Der Privatsender Pro 7.

Muss 5500 Euro Schmerzensgeld zahlen: Der Privatsender Pro 7.

(Foto: Foto: ddp)

Die Pressekammer des Landgerichts München I hat den Privatsender Pro 7 zur Zahlung von 5500 Euro Schmerzensgeld an einen slowakischen Hamburger-Brater verurteilt, der im Rahmen einer Gerichtsvollzieher-Reportage verschlafen und nur mit Unterhose bekleidet einem breiten Publikum vorgeführt worden war. Sollte dieses Urteil Bestand haben, müssten TV-Sender die Konzepte ihrer Action-Reportagen ebenso überdenken wie Behörden die Genehmigungen für Kamerateams, Kontrollpersonen zu begleiten.

Wie berichtet, hatte die Sendung "Galileo" im Frühjahr 2007 die Arbeit einer Münchner Gerichtsvollzieherin darstellen wollen. Die Erlaubnis des Münchner Amtsgerichts lag vor, die Kuckuck-Kleberin mit der Kamera begleiten zu dürfen. Unter anderem hatte die Gerichtsvollzieherin einen Mann auf der Terminliste, der schon so lange seine Handy-Rechnungen nicht mehr bezahlt hatte, dass bereits Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war. Doch dieser Schuldner, ein Kurierfahrer, war zu dieser Zeit nicht daheim. Er hatte aber einem slowakischen Bekannten erlaubt, in seiner Abwesenheit die Wohnung zum Ausschlafen zu benutzen.

Bei Ausstrahlung der Reportage wurde von der Kamera festgehalten, wie die Gerichtsvollzieherin mit Hilfe eines Schlossers in Begleitung von Polizisten die Wohnung betritt. Der völlig unbeteiligte Griller war anfänglich nur mit Unterhose bekleidet zu sehen. Während die Beamten seinen Pass einforderten, war auch deutlich zu hören, wie er seinen Namen nennen musste.

Nach der Sendung von Arbeitskollegen geschmäht, klagte der Betroffene: Er habe nicht eingewilligt, dass Aufnahmen von ihm gefertigt werden, zumal der Beitrag ihn in einer entwürdigenden Situation zeige. Sollte ihm gegenüber vom TV-Team eine entsprechende Erklärung abgefragt worden sein, so habe er sie nicht verstanden, da er damals kaum Deutsch gesprochen habe. Außerdem sei er in dieser Situation überrumpelt worden und damit überfordert gewesen.

In Unterhose vor Millionenpublikum

Als Zeugen hatten Mitglieder des Kamera-Teams in der Verhandlung zuvor gesagt, dem Mann sei sofort erklärt worden, worum es sich bei den Dreharbeiten handele. Er habe sich gut verständigen können und daher diese Erklärungen gewiss verstanden. Auf die Frage nach der Erlaubnis zum Weiterdrehen habe er mit "ja, ja" geantwortet. Vertreter des Senders meinten dazu: Der zuständige Redakteur habe folglich keinen Anlass gehabt, daran zu zweifeln, dass die Einverständniserklärung des Betroffenen die Berichterstattung erlaube.

Das Gericht glaubte den Zeugen zwar, dass der Slowake "objektiv den Tatbestand einer Einwilligungserklärung erfüllt hat". Diese Einwilligungserklärung sei jedoch sittenwidrig und damit nichtig. In der Überrumpelung allein sahen die Richter allerdings noch nicht die Sittenwidrigkeit. Entscheidend sei vielmehr, dass man eine Situation ausgenutzt habe, die den objektiven Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfülle.

"Während der Haftbefehl gegenüber dem Schuldner das Betreten der Wohnung durch die Gerichtsvollzieherin und die Polizeibeamten rechtfertigte, so gilt dies nicht für das Kamera-Team von Pro7", stellte die Pressekammer fest. Das habe einschließlich des Redakteurs ohne Einwilligung des "Hausrechtsinhabers" dessen Wohnung betreten und diese Situation genutzt, um dem Betroffenen in einer für ihn überrumpelnden Situation sein Einverständnis abzuverlangen. "Eine Einverständniserklärung aber, die unter Ausnutzung von Umständen eingeholt wird, die den objektiven Tatbestand einer Straftat erfüllen, ist zur Überzeugung der Kammer sittenwidrig und nichtig", sagt das Gericht.

Vor diesem Hintergrund sei auch die Sorge des Betroffenen nachvollziehbar, der Schwierigkeiten in seiner slowakischen Heimat befürchte, da dort der Text der Sendung nicht verstanden werde und lediglich erkennbar sei, dass er Schwierigkeiten mit der Polizei hatte.

Ob Pro7 gegen das Urteil (Aktenzeichen: 9 O 18165/07) Berufung einlegen wird, ist offen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: