Süddeutsche Zeitung

Privates Hilfsprojekt:Damit Weihnachten für Obdachlose kein Tag wie jeder andere wird

Der Kontrast zwischen einem fröhlichen Christkindlmarkt und dem Leben auf der Straße ließ Alexander Zanner aktiv werden. Die Beschenkten waren zunächst skeptisch.

Von Tobias Mayr

Am Anfang war es nur eine Idee. Dann kam eine Facebookseite dazu. Und plötzlich wurde daraus ein gar nicht mal so kleines Hilfsprojekt. "Weihnachten auf der Straße" heißt die private Aktion von Alexander Zanner, Noemi Mees und Manuela Danhofer. Sie möchten Weihnachten zu denen bringen, die das Fest nicht in einer gemütlichen Wohnung und am reich gedeckten Tisch verbringen können. Im vergangenen Jahr haben sie 70 Geschenke an Wohnungslose verteilt, heuer sollen es mindestens wieder so viele werden.

Decke, Socken, Mütze, Handschuhe, Weihnachtsplätzchen und eine Thermoskanne mit heißem Punsch: So bepackt zog das Team vergangenes Weihnachten los. Die Freude und Dankbarkeit, die sie auf ihrem Weg durch die kalte Dezembernacht zurückbekommen haben, sei unbeschreiblich gewesen, sagt Alexander Zanner, der Ideengeber und Kopf hinter Weihnachten auf der Straße. Dass der Münchner Ingenieur erst vor einem Jahr begonnen hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen, merkt man dem 32-Jährigen kaum an. Alles wirkt durchorganisiert, auf Facebook gibt es ein aufwendig produziertes Video und sogar ein eigenes Logo hat das Projekt bereits.

Dabei musste vor einem Jahr plötzlich alles ganz schnell gehen. Als Alexander Zanner und Noemi Mees Anfang Dezember vom Weihnachtsmarkt nach Hause gingen, fielen ihnen zwei Obdachlose auf der Straße auf. "Hinter uns der fröhliche Christkindlmarkt und vor uns die beiden Menschen auf dem Boden, das war ein schlimmer Kontrast", sagt Zanner. Er wollte zu diesen Menschen etwas Schönes bringen. "Ich habe nach etwas gesucht, das ich unmittelbar und direkt machen kann", erzählt Zanner - und die Idee Weihnachten auf der Straße war geboren. Es habe nicht lange gedauert, bis er seine Freundin Noemi Mees und Manuela Danhofer, eine Arbeitskollegin, anstecken konnte.

"Der Wunsch, etwas zu tun, ist schon lange in uns allen geschlummert, es hat nur ,klick' machen müssen." So begannen die drei Münchner in ihrem Freundeskreis und in den sozialen Netzwerken von ihrem Vorhaben zu erzählen. Nach nur zehn Tagen hatten sie knapp 1750 Euro Spenden zusammen, genug um 70 Geschenktaschen zu füllen. Sechs Stunden zogen sie an diesem Abend durch die Innenstadt und suchten nach Menschen, die Weihnachten auf der Straße feiern müssen.

Die Geschichten, die Zanner damals gehört hat, trägt er seither mit sich herum. "Ein Herr hat erzählt, dass er seit 15 Jahren kein Weihnachten mehr gefeiert hat", sagt Zanner. Kein Fest, keine Geschenke, bloß ein Tag wie jeder andere. "Da bekommt man wirklich feuchte Augen", sagt der 32-Jährige. Am Anfang hätten sie auch viel Skepsis gespürt, erinnert er sich. Aber sobald die Menschen verstanden haben, dass es ein Geschenk ist, strahlte dem Team Freude und Dankbarkeit entgegen. "Die Beschenkten haben uns auch beschrieben, wo ihre Freunde nächtigen", sagt Zanner. So haben die drei nach und nach 70 Abnehmer für die Geschenktüten gefunden.

"Wir wissen, dass wir mit dem Projekt niemanden von der Straße holen können", sagt der Ingenieur. Aber ihm gehe es vielmehr darum, Wertschätzung auszudrücken und sich umeinander zu kümmern. Einige der Beschenkten hat das Team auch während des Jahres wieder getroffen. "Dann geht man mal auf einen Kaffee und setzt sich mit den Leben der Menschen auseinander", sagt Zanner. Das ändere nichts an der Situation, aber es macht den Tag schöner.

Wenn Alexander Zanner Sätze wie diesen sagt, dann spricht aus ihm kein erfahrener Sozialarbeiter. Vielmehr spricht hier ein pragmatischer Normalbürger, der die Dinge selbst in die Hand nehmen möchte und Bürokratie scheut. Es habe "im Kopf nicht gepasst", sich in den herkömmlichen Obdachlosen-Einrichtungen zu engagieren, erklärt Zanner: "Vielleicht wollte ich mir einfach auch selbst beweisen, dass es funktioniert, wenn man möchte."

Den Beweis hat er sich im vergangenen Jahr erbracht. Dabei soll es aber nicht bleiben. Für 2017 wünscht sich Zanner, dass es 100 Päckchen werden. Etwas mehr und etwas bessere Qualität als vergangenes Jahr soll darin sein. Und auch das Team ist in diesem Jahr um drei Personen gewachsen. Jetzt fehlen nur noch Spenden. Bis zum 15. Dezember wird über die Facebookseite "Weihnachten auf der Straße" gesammelt, danach wollen Alexander Zanner und sein Team wieder losziehen.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2017/amm
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