Süddeutsche Zeitung

Private Studentenwohnheime in München:Leben und leben lassen

WGs sind rar, die Zimmer der Studentenwohnheime längst vergeben, Matratzenlager wurden eingerichtet: Die Wohnungsnot in München ist eklatant. Doch es gibt Einrichtungen, bei denen die Chancen auf ein freies Zimmer besser stehen. Ein Besuch in einem privaten Studentenwohnheim mitten in der Stadt.

Simon Leonhardt

"Apartments in zentraler Lage, ruhig gelegen zwischen Ludwigstraße und Englischer Garten, U-Bahn in 400 Metern, provisionsfrei." Das klingt verlockend. Noch dazu, wenn man Student in München ist. Denn viele Studierende haben Probleme mit der Wohnungssuche: Der doppelte Abiturjahrgang hat sich an der Uni eingeschrieben und natürlich kommen längst nicht alle Erstsemester aus München und brauchen deshalb Wohnraum in der Stadt. WGs sind rar und die 10.500 Plätze in den Wohnheimen des Studentenwerks sind längst vergeben, 6000 Bewerber stehen zudem auf der Warteliste. Für alle, die zum Semesterstart noch immer kein Zimmer gefunden haben, hat das Studentenwerk wieder ein Matratzenlager eingerichtet.

Doch in München gibt es eben nicht nur die Wohnheime des Studentenwerks, sondern auch private oder kirchlich geförderte Einrichtungen. Zwei von ihnen befinden sich in der Kaulbachstraße am Englischen Garten. Direkt nebeneinander stehen dort das katholische Newman-Haus und das Dr.-Johannes-Hanselmann-Haus des Evangelischen Waisenhausvereins.

In letzterem leben etwa 130 Studenten. 2008 erbaut, gehört es zu den neuesten Wohnheimen der Stadt. Als einer der ersten ist damals Nicolai eingezogen. "Ursprünglich wollte ich eine WG mit Freunden beziehen, doch das hat sich hier in München als schwierig gestaltet", erzählt er. Zuerst teilte er sich im Wohnheim ein Apartment mit einem Mitbewohner, jetzt hat er ein Einzelzimmer mit eigenem Bad, Küchenzeile und Terrasse. Dieser Luxus ist nicht ganz billig - die Preise liegen im Dr.-Johannes-Hanselmann-Haus schon mal doppelt so hoch, wie die Miete in den Wohnheimen des Studentenwerks. "Ich mag es hier, es ist ruhig und nah zur Uni. Trotzdem kann ich mir das auch nur leisten, da meine Eltern mich finanziell unterstützen", meint Nicolai.

Claudia Wenzel sitzt in der Verwaltung des Hauses im Erdgeschoss und erklärt: "Wir beziehen keine staatlichen Fördergelder, sind ein privates Haus des Waisenhausvereins, der zur Diakonie gehört". Sie kümmert sich tagsüber um die Belange der Bewohner. Gerade steht Georg vor ihrer Bürotür. Er ist erst letzte Woche aus Kärnten nach München gezogen, um sein Medizinstudium anzufangen. Sein Zimmer ist teilmöbliert: ein Schreibtisch, ein geräumiger Schrank und ein schmales Bett stehen darin, alles in Weiß gehalten, was dem Zimmer eine geräumige Wirkung gibt. Mit dem Bett aber hat er Probleme. Das hat nämlich schon mal bessere Zeiten erlebt: Das Furnier ist abgesplittert und es ist nicht mehr ganz so standfest.

Einmal die Woche sitzt im Büro von Claudia Wenzel auch Pfarrer Janning Hoenen. Er kümmert sich um die immateriellen Dinge: Der Seelsorger hat ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Bewohner - ein Angebot, das man annehmen kann, aber nicht muss.

"Hier ist es jedem selbst überlassen, was er macht und machen will. Das kommt mir drüben im Newman-Haus anders vor", sagt Nicolai. Dort werden beispielsweise freie Plätze, laut Homepage, nicht chronologisch sondern nach Kriterien wie Engagement in sozialen Einrichtungen und Religionszugehörigkeit vergeben. Durch separate Zimmer mit eigenen Küchen erscheint Nicolai auch das Zusammengehörigkeitsgefühl im Dr.-Johannes-Hanselmann-Haus nicht so ausgeprägt wie in anderen Einrichtungen. Dennoch gibt es einmal in der Woche einen Partyabend im eigenen Barkeller. "Dort trifft man viele Leute, fast alle meine Freunde habe ich dort kennengelernt", erzählt er.

So wird wohl auch Georg seine ersten Kontakte knüpfen. Bisher kennt er nur seinen Mitbewohner. "Trotzdem fühle ich mich sehr wohl. Es war eine gute Idee, mich spontan bei meinem letzten Besuch in München in diesem Haus zu bewerben." Sein Zimmer hat er dann auch recht schnell bekommen "Unsere Wartezeit beträgt ein bis zwei Semester", sagt Claudia Wenzel. Im Vergleich zu anderen Häusern eine relativ geringe Zeit. Das liegt, neben dem relativ hohen Preisniveau, auch daran, dass sich das Wohnangebot in der Kaulbachstraße nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitet. Georg soll es recht sein, er hat jetzt seine Bleibe in München und kann in sein Studium starten. Bleibt nur noch zu hoffen, dass auch die anderen 85.000 Erstsemester in Bayern recht bald irgendwo unterkommen.

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