Süddeutsche Zeitung

Royals in München:"Das ist so surreal"

Prinz Charles und Camilla zeigen in München royale Besuchsperfektion. Und manchem Fan wird vor der Residenz klar, dass es Prinzen und Könige wirklich noch gibt.

Von Philipp Crone

Hunderte zucken auf einmal zusammen. Prinz Charles läuft gerade noch gemächlich an den Schaulustigen vorbei, die sich in der Sonne vor der Oper postiert haben, als es plötzlich kracht. Die Gebirgsschützen haben abgedrückt und ein dutzendfaches Salut in die Luft geschossen. Charles und seine Frau Camilla sind solche Empfänge ja gewohnt, aber nicht die Zuschauer am Donnerstagnachmittag. Viele der etwa 1000 Besucher schauen sich einen Moment erschrocken um, lächeln dann erleichtert und widmen sich wieder dem Ziel des Ausflugs auf den Max-Joseph-Platz: möglichst nah rankommen an das Paar, mindestens ein paar scharfe Fotos und vielleicht sogar einen Händedruck ergattern.

Matilda Junghanns, 17, hat sich dafür direkt am Beginn des roten Teppichs postiert, trägt eine knallgelbe Regenjacke und hofft um kurz nach 14 Uhr, den britischen Gästen zu begegnen. Um 14.43 Uhr geht es dann aber erst los, Ministerpräsident Markus Söder und seine Frau haben sich ganz vorne an der Einfahrt zum Platz aufgestellt und erwarten die Fahrzeugkolonne.

Streng genommen ist das alles ziemlich übertrieben. Für einen Mann, der exakt 28 Minuten lang Hände schüttelt, gibt es Absperrungen, Verhaltensanweisungen (Hand geben, Kopf leicht neigen), sind Hunderte Polizeibeamte im Einsatz und es wird ein sehr langer roter Teppich ausgerollt. Für einen Mann, der in seinem Privatleben durchaus auch schon den einen oder anderen Fehltritt hinter sich hat. So weit, so eher nicht royal. Und doch umgeben Prinz Charles und Gattin Camilla das königliche Element, die Aura des Traumhaften. Wenn der bayerische Rundfunk live überträgt, wenn Boulevard-Zeitungen seitenweise berichten, wenn der Auftritt am Donnerstagmittag maximal inszeniert wird, dann liegt das daran, dass dieser 70-jährige Mann mit dem lichter werdenden grauen Haar fasziniert. Warum?

Eileen Schneider, 19, steht hinter dem Absperrseil und wartet. Die Anglistikstudentin sagt: "Mich fasziniert am britischen Königshaus das Traditionelle, das Alter und seine Geschichte." Schneider ist da, um eine möglichst intensive Erinnerung an den Prinzen mitzunehmen.

Die Historie also, und was fasziniert die Leute noch? Warum wollen manche alles über den Besuch der beiden wissen? Für diejenigen sei kurz erwähnt: Der Teppich, über den sie gehen, ist exakt 220 Meter lang, aus der Palmfaser Sisal gefertigt und wurde am Donnerstagvormittag um 9.52 Uhr noch mit einem Staubsauger der Marke Numatic gereinigt. Kurz vor dem Eintreffen der Gäste mussten dann einige Polizisten mithelfen, den durch den Wind immer wieder verwehten Teppich zu fixieren, am Ende auch mit Nägeln im Boden.

Das muss britischer Humor sein

Es ist bei der Faszination Königshäuser immer die Mischung aus Sehnsucht und Schadenfreude, die beiden großen Themen der Klatsch-Branche. Die Sehnsucht, auch ein so vermeintlich problemloses Leben zu führen wie ein Prinz oder gar König, als Aufgabe nur das Hände-Schütteln, Kränze oder Blumen niederzulegen, lobende Worte über das jeweilige Land und die wunderbaren Beziehungen zu verstreuen, zu essen, zu lächeln, sich bejubeln und in dem Fall zum vierten Enkel gratulieren zu lassen. Archie, Sohn von Charles' Sohn Harry und seiner Frau Meghan, kam am Montag zur Welt. Die Schadenfrohen, die an diesem Nachmittag eher am Fernseher sitzen als hinter der Absperrung zunächst im Regen zu warten, die freuen sich aber auch. Dass Prinz Charles noch immer auf die Krone warten muss oder dass auch einem Prinzen die Haare ausgehen.

Was der britische Thronfolger dann auf dem Max-Joseph-Platz zeigt, ist schlichtweg royale Besuchsperfektion. Das sanfte Ablaufen der Gebirgsschützenparade, der beiläufige Small-Talk mit den Gastgebern und dann das Flanieren, vorbei an den Hunderten Fans, die kurz zuvor noch mit Fähnchen ausgestattet wurden. "Hello! Nice to meet you", sagt Camilla und ist beim "you" schon eine Hand weiter. Das muss britischer Humor sein. Manche jubeln, manche halten Charles auch einfach das Smartphone ins Gesicht. Doch der Prinz lässt sich weder von Salut-Schüssen noch drängelnden Fans beirren. Er schafft es, vor jedem, der ihm etwas sprachlos und mit ausgestreckter Hand gegenübersteht, blitzschnell eine menschliche Sekundenwärme auszustrahlen, die allen das Gefühl gibt, als habe er sie wirklich wahrgenommen.

So ergeht es auch Matilda Junghanns in der gelben Regenjacke. Sie gratuliert Charles, als der vorbeiläuft, zum Enkel. "Danke!", kommt zurück. "Der ist so niedlich", ruft die 17-Jährige, und der Prinz breitet lächelnd die Arme aus. "Das ist so surreal", sagt die junge Frau danach. "Ich habe Charles und Camilla die Hand geschüttelt."

Für manche ist es ein Nachmittag, an dem ihnen klar wird, dass es Prinzen und Könige wirklich noch gibt, nicht nur in Fernsehsendungen und Magazinen. Als das Paar um 15.11 Uhr die Residenz betritt, machen sich viele mit jeder Menge Handy-foto-Beute und einem leichten Lächeln im Gesicht auf den Heimweg. Es wirkt wie ein Hauch von royaler Leichtigkeit und dem Gefühl, einem sorgenfreien Leben im Überfluss zumindest einmal kurz nahe gewesen zu sein.

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SZ vom 10.05.2019/amm
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