Premiere:Party zum Weltuntergang

Anne Stein

Anne Stein, 25, mag Clowns und wäre auch selbst gern einer.

(Foto: Gabriela Neeb)

Anne Stein spielt am Volkstheater in "Das hässliche Universum"

Von Christiane Lutz

Vor sehr langer Zeit, als Zuschauerräume noch voll waren und Schauspieler sich auf der Bühne küssen durften, tauchte im Volkstheater eine Frau auf, die grell leuchtete, ein minzgrünes Kleid zu Turmfrisur trug und die Augen dramatisch aufriss. Nicht ganz tot, aber auch nicht wirklich lebendig wankte sie über eine Drehbühne, die an eine Spieluhr erinnerte, und schien Gefühle zu suchen, die sie lang schon verloren hatte. Eiskalt war der Auftritt und doch zerbrechlich, als sei sie aus Zuckerguss gemacht. Kurz: Anne Steins erster Auftritt als "Hedda Gabler" knallte gleich so richtig. Die, das war klar, muss man sich merken.

Es ist das erste Engagement der 25-Jährigen als Schauspielerin und ihre erste Spielzeit, die für sie so fulminant begann und dann so seltsam endete. Weil das Volkstheater aber einen eigenen Corona-Kurs fährt - die Sommerpause wurde vorgezogen -, spielt sie von Mittwoch an wieder. "Das hässliche Universum" heißt das Stück, das die Regisseurin Sapir Heller ausgesucht hat, geschrieben hat es Laura Naumann. Die Welt befindet sich in einem Gefühl der Ohnmacht, so der Text. Die unbekannte Anführerin der Gesellschaft heißt Rosa und ist ein Internetphänomen. Die tritt eine Art Revolution los und ruft auf: "Alles muss brennen". Eine BeerdigungsBand - das sind die vier Schauspieler - trifft sich, um all die Lieder nochmal zu spielen, die jetzt gespielt werden müssen, um der Welt die bestmögliche Beerdigungs-Party zu bieten. "Die ersten Proben waren sehr euphorisch", sagt Stein, "weil die Ansage war: Wenn das der letzte Abend wäre, den du spielst, was würdest du machen? Lass uns das probieren! Macht das Sinn? Nein? Egal!" Ein erstes Zögern, ob man in diesen Zeiten über Beerdigungen sprechen oder Scherze machen dürfe, hätten sie schnell überwunden. "Das war sehr befreiend", sagt Stein.

Sie sitzt auf einer Bierbank hinterm Haus, weil vorn im Garten auf der Bühne eine Band für ein anderes Stück probt. "Es ist so tolle Stimmung am Haus", sagt sie. Fünf Premieren in einem Monat bringt das Theater raus, alle paar Tage eine, da ist viel gleichzeitiges Werkeln. Stein ist selbst aufgeregt, wegen des Stücks, dass sie wieder vor echtem Publikum spielen darf, nachdem auch sie wochenlang zu Hause sein musste. "Ich hab mir während der Zeit viel Theater im Netz angeschaut, Kammerspiele, Schauspielhaus Zürich." Der Intendant Christian Stückl habe gesagt, Streaming und er, das passe nicht zueinander, "und er hat früh auf den Tisch gehauen und gesagt, er wolle so bald es geht wieder spielen. Dafür war ich sehr dankbar."

Ihren ersten Auftritt hatte Anne Stein schon 2012 am Residenztheater, wo sie als 17-Jährige in einer Inszenierung von Schnitzlers "Reigen" das "süße Mädel" spielte. Damals ging die gebürtige Gräfelfingerin in alle Münchner Theater, liebte besonders ein "Raskolnikow"-Clowns-Stück an den Kammerspielen, fand Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau "supercool", Frauen, die die Männer an die Wand spielen konnten. Sie wusste da noch nicht, ob der Beruf für sie spannend sei. Dann studierte sie doch Schauspiel, in Bochum.

Dort entdeckte sie ihre Liebe zum körperlichen Spiel. "Wir hatten eine tolle Bewegungslehrerin. Der Körper erzählt, nicht die Sprache, das fand ich immer toll und so handwerklich. Diese Präzision und Sauberkeit in der Arbeit. Das liegt mir sehr", sagt sie. "Es gibt Schauspieler, die müssen verstehen, woher ihre Figur kommt und wissen, wo die in ihnen zu verorten ist. Das bringt mich nur in Stress, und ich finde das schnell wahnsinnig uninteressant." Dazu passt, dass sie Gruppen wie "Forced Entertainment" toll findet und Clowns und deren offensives Scheitern. Und dazu passt natürlich auch ihre Interpretation der Hedda Gabler (Regie: Lucia Bihler), die vor allem über ihren Körper kommunizierte, der wie ferngesteuert wirkte. Nicht über Gefühle oder Worte.

In "Das hässliche Universum" wird Anne Stein nun ein blond gelocktes Country-Girl mit Cowboy-Boots, Glitzerkleid und Gitarre spielen. Wieder eine ausstaffierte Figur, für die ihre Maskenbildnerin sehr lang an ihr herumbasteln muss - mit Abstand und unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften. Welches ihr letzter Song sein sollte, verrät Anne Stein nicht. Sie sagt: "Wir genießen einfach, dass es mit der Welt zu Ende geht. Und ja, es wird eine große Show."

Das hässliche Universum, Premiere am Mittwoch, 29. Juli, 20.30 Uhr, Volkstheater

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