„Arm, aber umso kreativer“ – derlei Sprüche muss man sich erst mal leisten können. Die Kultur hat von Jahr zu Jahr mit weniger Geld auszukommen, und das grundsätzlich erst mal schlecht. Und das trifft auch die kleine Oper in der Pasinger Fabrik, die ohnehin stets das Beste aus fast Nichts gezaubert hat.
Für die aktuelle Produktion – Gioachino Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ – war es finanziell offenbar besonders eng, sodass Andreas Pascal Heinzmann, der musikalische Leiter, sein Mini-Orchester noch mal abgeschmolzen hat: vier Streicher, eine Flöte und das Schlagwerk, er selbst dirigiert vom Cembalo aus. Und weil man sich einen wirklich guten Bel-Canto-Tenor nicht leisten konnte, singt den Fürsten Almaviva nun ein Sopran. Klingt unkonventionell, nun, in dieser Barbier-Inszenierung ist so manches etwas anders. Und das hat nicht nur mit den Finanzen zu tun.
Eine spannende Neuinterpretation wollen sie vorlegen, allerdings ohne Rossinis berühmter Opera buffa Gewalt anzutun, das betonen Heinzmann und Regisseur Florian Hackspiel unisono. Beide haben zunächst intensiv das Material studiert. Heinzmann in der Bibliothek „Los Angeles Opera“, wo er seit Jahren als „first assistant conductor“ engagiert ist, Hackspiel wühlte im Archiv am Gärtnerplatztheater. Er ist dort als Spielleiter, Regieassistent sowie als Dozent für Szenische Arbeit am Opernstudio unter Vertrag. „Ich habe Auszüge verschiedener Produktionen nebeneinander gelegt, und so haben wir sehr schöne, kompakte Striche vorgenommen“, sagt der Dirigent. Gesungen wird, wie üblich am kleinen Pasinger Haus, auf Deutsch.
Der erst 23-jährige Rossini selbst hatte seine bis heute populärste Oper 1816 in circa zwei Wochen zu Notenpapier gebracht. Und später notorisch geändert, erst seit den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts gibt es eine Art gesicherte Fassung. Das Libretto von Cesare Sterbini basiert auf derselben Quelle wie Mozarts „Le nozze di Figaro“ (1786): Pierre Augustin Caron de Beaumarchais‘ Lustspiel „Le barbier de Seville“. Darin liebt Graf Almaviva Rosina, die von ihrem Vormund Dr. Bartolo bewacht wird, denn der hat es auf ihre Mitgift abgesehen. Mithilfe von Figaro, dem Barbier, verschafft sich Almaviva in diversen Verkleidungen – als Soldat und Musiklehrer – Zutritt zu Bartolos Haus. Nach turbulenten Verwicklungen kriegen sich die beiden.

Soweit das Original. In Florian Hackspiels Fassung erwartet das Publikum eine Art Spiel im Spiel. Die Wagenhalle der Pasinger Fabrik, wo man traditionell an Bistrotischen sitzt und die Gäste während der Oper trinken und auch essen dürfen, wird zum Restaurant „Zum Schwan von Pesaro“. Gastgeber ist Figarossini, eine Figur, in der der Komponist, Feinschmecker und Frühpensionist Rossini und seine Kreatur Figaro verschmelzen. Als Wirt hat er sich in seinem Gasthof eine Opernbühne gegönnt, auf der er als scheinbar allmächtiger Impresario alle Fäden zieht.
So sind die Figuren zunächst Puppen, die ganz nach seiner Pfeife tanzen. Bald aber muss sich Figarossini fragen: „Ist das noch meine Oper, meine Geschichte, meine Musik?“ Denn die Puppen haben die Handlung ohne ihn weitergedreht. Und die beiden Frauen, Almaviva und Rosina, werden den Puppenlarven entschlüpfen und als Liebende zu echten Menschen werden. Dass sich hier zwei Frauen lieben, sagt Florian Hackspiel, spiele für die Geschichte der Oper keine Rolle. „Wir machen da keine Outingstory daraus.“
„Der Barbier von Sevilla“, Premiere 26. Juni, 19.30 Uhr, Wagenhalle der Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1, bis 10. August, auch open air in Schloss Blutenburg, Infos unter www.pasinger-fabrik.de
