Premiere am Münchner Volkstheater:Ohrfeigen mit Anlauf und Abstand

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Faustregel: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Gilt auch für Werner Schwabs Stück mit Luise Deborah Daberkow und Silas Breiding. (Foto: Gabriela Neeb)

Das Volkstheater zeigt Abdullah Kenan Karacas Inszenierung des Dramas "Übergewicht, unwichtig: Unform".

Von Yvonne Poppek

Ausgerechnet im Wirtshaus fängt es also an. Auf die geschlossenen Türen der Gaststätten mussten die Menschen ungefähr genauso lange blicken wie auf jene der Theater. Jetzt dürfen beide wieder aufsperren. Ein Teil zwar nur den Außenbereich, aber in den Zuschauerraum darf man hinein. Vom Platz aus darf das Publikum des Volkstheaters dann am Donnerstagabend auf eine Bühnen-Gaststube blicken. Dort wird sie angerichtet sein, die Premiere von Werner Schwabs "Übergewicht, unwichtig: Unform".

Zugegeben, es ist kein Sehnsuchtsort, den Regisseur Abdullah Kenan Karaca und sein Bühnenbildner Vincent Mesnaritsch zeigen. Ein grobschlächtiges Etablissement ist es, passend zu Schwabs düsterem Personal, das mit Namen wie Schweindi, Hasi oder Fotzi etikettiert ist. Sie sitzen da in diesem Gasthaus herum, traktieren sich verbal auf tiefstem Niveau und hauen sich gerne gegenseitig eine runter. Bis dann ein "schönes Paar" in ihren geschlossenen Kreis eindringt, ihren Neid und Hass auf sich zieht.

Grobschlächtiges Etablissement, düsteres Personal: das Stück "Übergewichtig, unwichtig: Unform". (Foto: Gabriela Neeb)

Für Regisseur Karaca ist "Übergewicht, unwichtig: Unform" ein Stück, das in unsere jetzige Zeit passt. "Weil ich immer wieder beobachte, wie roh wir miteinander umgehen", sagt er. "Und weil wir vieles auf andere projizieren." Wie wir auf andere schauten, habe sich verändert, sagt er. Neid spiele da durchaus eine Rolle.

Die Premiere war schon einmal für März angesetzt, jetzt kommt sie im Mai. Die Proben unterlagen durchgehend den Corona-Regelungen. Dabei geht es viel um Abstände, die letztlich Einfluss auf die Regie genommen haben. Während Schwab seine Figuren grob aufeinander loslässt, müssen im Volkstheater die Schauspieler ihren Hass und ihre Rohheit stets getrennt durch anderthalb Meter ausleben. Die Inszenierung sei auf der einen Seite realistisch gedacht, sagt Karaca. Aber so etwas Handfestes wie eine Ohrfeige könne es nicht geben. Dafür hätten sie neue Formen entwickelt - ein Prozess, den Karaca als spannend bewertet. "Übergewicht, unwichtig: Unform" ist die vorletzte Premiere an der Brienner Straße, im Sommer zieht das Volkstheater ins Schlachthof-Viertel um - vom Namen her eine Gegend, in der Schwabs martialisches Stück nur allzu gut hineinpasst.

Übergewicht, unwichtig: Unform , Premiere: Donnerstag, 20. Mai, 20 Uhr, Volkstheater, Brienner Str. 50, Telefon 5234655

© SZ vom 19.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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