Preiserhöhungen beim MVV:Wehrlose Pendler und voreilige Nörgler

Lesezeit: 2 min

Sind Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr in München gerechtfertigt? Oder handelt es sich um ein Preis-Leistungs-Missverhältnis? Zwei Autoren, zwei Meinungen.

S- und U-Bahn fahren wird teurer - dieser Satz, den der wehrlose Pendler fast alljährlich vom MVV vor den Latz geknallt bekommt, enthält einen entscheidenden Fehler, nämlich das Verb "fahren". Wenn die Busse und Bahnen denn so führen, wie sie sollten, wäre eine Preissteigerung ganz vielleicht noch zu tolerieren.

In Wahrheit wird aber nicht das Fahren teurer, sondern das Sich-die-Beine-in-den-Bauch-Stehen, weil die S-Bahn mal wieder nicht kommt. Und der Schnupfen, den man sich auf dem zugigen Bahnsteig holt. Das Ölsardinenfeeling kostet künftig ebenso mehr wie der böse Blick vom Chef ob der Verspätung oder der Fußmarsch nach Hause mit einem quengeligen Kind, weil der Anschluss-Bus aufgrund der S-Bahn-Verspätung leider weg ist.

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Auch steigt der Tarif für die Vergeudung von Lebenszeit, weil man für jeden halbwegs wichtigen Termin eine Bahn Puffer einplant und diese Pufferzeit dann irgendwo absitzen muss. Und nicht zu vergessen die Fitness-Einheiten: Kinderwagen die Treppe runterschleppen, weil Aufzug und Rolltreppe kaputt sind - auch das wird teurer. Wenigstens braucht man so nicht den Pipi-Gestank im Fahrstuhl zu ertragen.

Preis-Leistungs-Verhältnis? Beim öffentlichen Nahverkehr in München handelt es sich zunehmend um ein Preis-Leistungs-Missverhältnis. Das Jahresabo, einer der größeren Posten auf der Ausgabenliste, wird teurer und teurer. Und das, wofür der Kunde zahlt - von A nach B transportiert zu werden, und zwar pünktlich -, wird schlechter und schlechter. Eigentlich wäre es an der Zeit, die Preise zu senken, als Entschädigung für all die verschwendeten Stunden und strapazierten Nerven der Fahrgäste.

Fahrgast, ein schönes Wort. Man würde sich beim MVV gerne mal wie ein Gast fühlen - und nicht wie ein Transportgegenstand.

Von Nadeschda Scharfenberg

Öffentlicher Nahverkehr in München
:MVV will Tariferhöhung um sechs Prozent

Die Einnahmen stagnieren, der Münchner Verkehrsverbund braucht mehr Geld. Das soll über deutlich teurere Tickets hereinkommen. Beschließen müssen diese Erhöhungen die Kommunalpolitiker der Region. Aber ist das zu vermitteln?

Von Marco Völklein

An dieser Stelle ein kurzer Blick auf die Leidgeprüften entlang der Linie S 1: Die S-Bahn ist in Moosach unterbrochen, die Regionalzüge werden umgeleitet, die Pendler schimpfen wüst auf die Bahn. Dabei war es ein Lastwagenfahrer, der jedes Höhen-Warnschild missachtend die Moosacher Brücke demolierte; die Bahn trifft keine Schuld. Manchmal ist es nötig, ein bisschen genauer hinzusehen - das gilt für Lkw-Fahrer wie für Bahn-Nörgler.

Wer nicht will, dass der MVV sein Angebot einschränkt, also weniger Züge und Busse fahren lässt, für den gibt es gute Gründe, eine Tariferhöhung richtig zu finden (auch wenn sie den eigenen Geldbeutel trifft). Zumal wenn er den Traum hegt, dass das MVV-Angebot vielleicht sogar ausgeweitet wird. Dass die ökologisch sinnvollste Fortbewegungsart im Großraum künftig die Ökostromumlage zahlen muss, dafür kann der MVV nichts. Dass seine Angestellten mehr verdienen wollen, ist in Ordnung. Und dass neue Fahrzeuge kaufen und Fahrer einstellen muss, wer öfter und auf mehr Strecken fahren soll, ist eine Binsenwahrheit. Woher aber soll das Geld kommen?

Sicher, die Kommunen könnten auf juristisch trickreichen Wegen die Nahverkehrsbetriebe subventionieren. Dann begleicht der Steuerzahler die Rechnung, das kommt fast aufs Gleiche raus. Oder die Stadtwerke könnten mit ihren Gewinnen aus dem Energiegeschäft den Nahverkehr noch mehr quersubventionieren als bisher. Aber ist es gerechter, wenn die Stromverbraucher (und das sind alle Münchner, auch die armen) den Nahverkehr zahlen?

Eine Preiserhöhung um bis zu sechs Prozent ist plakativ genug, um den Blutdruck steigen zu lassen. Doch wenn der wieder unten ist, bitte mal kurz innehalten: Der MVV hat einen Teil seiner Tarife zuletzt sogar faktisch gesenkt, indem er die Wochen- und Monatskarten nicht mehr an die Kalenderwochen und -monate bindet. Und die Preissteigerungen beim Auto können mit denen beim MVV allemal mithalten.

Von Kassian Stroh

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