Preis-Posse:München bekommt Millionen von der EU - und will sie nicht

Preis-Posse: Hätte man die Millionen nicht gut für das "Wohnen für alle"-Programm brauchen können? Doch so einfach ist es nicht. Das Geld hätte zweckgebunden eingesetzt werden müssen.

Hätte man die Millionen nicht gut für das "Wohnen für alle"-Programm brauchen können? Doch so einfach ist es nicht. Das Geld hätte zweckgebunden eingesetzt werden müssen.

(Foto: Catherina Hess)
  • Das Sozialreferat der Stadt München hat sich bei der EU um einen Förderpreis beworben und bekam diesen zugesprochen: Fast 4 Millionen Euro sollten aus Brüssel kommen.
  • Voraussetzung dafür: München selbst zahlt eine Million dazu. Das lehnte der Stadtrat aber ab.
  • Das Geld hätte zweckgebunden für drei Projekte eingesetzt werden müssen. Kritiker sahen die soziale Gerechtigkeit gefährdet. Außerdem seien 5 Millionen Euro zu viel für drei Projekte.

Von Dominik Hutter

Es klingt skurril: Die Stadt München hat sich bei der Europäischen Union um einen Förderpreis beworben, wurde als einzige deutsche Stadt unter 378 Bewerbern ausgewählt - und will die 3,9 Millionen Euro nun doch nicht haben. Die Vollversammlung des Stadtrats lehnte am Mittwoch mit breiter Mehrheit einen Dringlichkeitsantrag der Grünen ab, die die Summe doch noch für die Flüchtlingsarbeit retten wollten.

Das Geld wird nun tatsächlich nicht abgerufen. Ein gewaltiger Imageschaden sei das, schimpfte Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel - vermutlich sei es sinnvoll, nicht allzu schnell wieder mit Geldwünschen in Brüssel vorstellig zu werden. CSU-Fraktionsvize Manuel Pretzl konterte: "Ich weigere mich, Geld auszugeben, das ich eigentlich nicht brauche."

Das Geld sollte drei Flüchtlingsprojekten zugute kommen, die im Programm "Wohnen für alle" enthalten sind. Das Sozialreferat hatte sich unter seiner früheren Chefin Brigitte Meier bei der EU-Initiative Urban Innovative Actions zum Themengebiet "Integration von Migranten und Flüchtlingen" beworben - eigenmächtig ohne Stadtratsbeschluss, wie Bürgermeisterin Christine Strobl kritisch anmerkte.

Denn die Stadt muss für das Projekt mitzahlen - die 3,9 Millionen fließen nur, wenn aus den Kassen der Kommune noch eine Million oben drauf kommt. Mit dem Geld hätten unter anderem Musik- und Sprachkurse, Theaterprojekte und eine deutlich intensivere Betreuung finanziert werden sollen. Eine gute Sache, wie die Grünen und auch die Linken finden. Es sei "erschreckend", wie die Stadt München mit EU-Förderprojekten umgeht, schimpfte Linken-Stadträtin Brigitte Wolf. Und das, wo das reiche München oft ohnehin einen Ruf als arroganter Schnösel genießt.

Aus Sicht von Sozialreferentin Dorothee Schiwy hätte die äußerst großzügige Förderung dreier Projekte jedoch für reichlich böses Blut gesorgt: "Ich weiß nicht, wie ich den Bewohnern anderer Projekte erklären soll, dass an der einen Stelle weit über Standard gefördert wird, während andere mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen." Bei der Ablehnung des Fördergeldes gehe es "ganz konkret um soziale Gerechtigkeit". Im Sozialreferat ist das offenbar in großer Eile durchgezogene Projekt inzwischen nicht mehr wohlgelitten. "Das Grundproblem ist: Der Förderantrag hätte gar nicht gestellt werden dürfen", findet auch Pretzl.

Aus Sicht von Christian Müller, dem sozialpolitischen Sprecher der SPD, steht die Fördersumme in keinem Verhältnis zu den Geldern, die normalerweise für Flüchtlingsprojekte aufgewendet werden. Fast fünf Millionen Euro für drei Projekte - das sei eine enorm. Sonst reiche eine Million überschlägig für zehn Projekte. "Wir wissen nicht, ob wir dieses Geld überhaupt hätten ausgeben können", erklärte Müller. Die Stadt werde schon viele Bundesmittel für Arbeitsförderungsmaßnahmen schlicht und einfach nicht los.

Bürgermeisterin Strobl plädierte für einheitliche Standards in den städtischen Einrichtungen. Die frühere Sozialreferentin habe sich in Brüssel offenkundig mit einem Konzept beworben, von dem keiner etwas gewusst habe. FDP-Stadträtin Gabriele Neff regte an, dass künftig auch der Stadtrat miteinbezogen wird, bevor sich eine Behörde für ein Projekt mit städtischer Kofinanzierung bewirbt.

Demirels Anregung, das Geld doch einfach für mehr als nur drei Projekte zu verwenden, ist nach Auskunft der Stadtspitze nicht möglich. Das Geld sei speziell für die Projekte bestimmt, mit denen sich München beworben habe, betonte Strobl. Es dürfe zudem nicht für Investitionen in Gebäude ausgegeben werden, sondern sei allein für die Betreuung bestimmt.

Pretzl ärgerte sich über die angebliche Subventionsmentalität der Grünen, die einmal zugesprochenes Geld auf jeden Fall irgendwie ausgeben wollten. Ein Betreuungsstandard von rund 100 000 Euro für jede einzelne Person in den von der EU ausgezeichneten Projekten sei keineswegs sinnvoll, eine solche Summe werde auch für keine andere vergleichbare Initiative aufgewendet. Vor diesem Hintergrund sei es absurd, eine Million auszugeben, "um 3,9 Millionen zu erhalten, die wir nicht brauchen".

Die Millionen bleiben nun in Brüssel. Das Rathaus hat den Finanzierungsanteil der Stadt nicht freigegeben.

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