Die Sonne klettert gerade den Himmel über Harlaching hinauf, als die grüne Dame die Sache in die Hand nimmt. Die Frau im lindgrünen Kittel tippt ein paar Tasten. "Karte rein, Anmeldung drücken, dann Sterntaste", erklärt Maria Schweitzer. Eine Null müsse nicht vorgewählt werden, man könne einfach lostelefonieren. Aber Vorsicht, aufs Handy koste es extra. Die Patientin auf der Station 3b nickt. Danke, sagt dieses Nicken.
Maria Schweitzer wird an diesem Vormittag noch mehrere Telefonkarten besorgen, ein grüner Helfer auf den Fluren der München Klinik Harlaching, zwischendrin macht sie sich immer wieder Notizen. Doch als die Münchnerin, die früher in einer Bäckerei gearbeitet hat und das Ehrenamt als Grüne Dame mittlerweile seit zwei Jahren ausübt, das Zimmer der Patientin auf der Station 3b betritt, ist da mit einem Mal ganz viel Ruhe. Schweitzer legt Mitgefühl in ihre Stimme, lächelt. Sie weiß, die Frau muss sich im Krankenhaus einer Chemotherapie unterziehen. Da braucht es nicht nur ein funktionierendes Telefon, um Freunde und Familie anzurufen. Sondern auch aufbauende Worte. Und manchmal, wie im Fall des nach der Geburt im Gebüsch ausgesetzten Neugeborenen, das anschließend in der Kinderklinik Harlaching gesund gepflegt wurde, singt die 78-Jährige sogar für die Patienten. "Wir tun unser Möglichstes", sagt Schweitzer und klemmt sich einen bunten Korb unter den Arm.
Seit zehn Jahren gibt es die Ehrenamtlichen in der grünen Arbeitskleidung in Harlaching. Sie lesen den Patienten aus der Zeitung vor, besorgen Telefonkarten, schieben sie im Rollstuhl spazieren, laufen mit ihrem Korb zum Kiosk, um Wünsche wie eine Flasche Limonade zu erfüllen. Aufgaben, die keine spezielle Ausbildung erfordern. Für die dem Klinikpersonal aber oft die Kapazitäten fehlen. "Wir haben Zeit und hören zu", sagt Einsatzleiterin Gaby Nießen-Daur. Wolle ein Patient allerdings drei Tafeln Schokolade vom Kiosk geholt haben, hielten die ehrenamtlichen Helfer natürlich Rücksprache mit den Krankenpflegern oder Ärzten. Denn was, wenn einer etwa Diabetiker sei, und keine Schokolade essen dürfe?
Die Frau mit dem charmanten Mannheimer Zungenschlag koordiniert nicht nur den Dienstplan der Grünen Damen und Herren in Harlaching, sie ist seit vielen Jahren selbst eine von ihnen. Derzeit besteht das Team aus 23 Frauen und drei Männern. Ginge es nach Nießen-Daur, dürften es aber gerne mehr werden. Es fehle an Nachwuchs. Schließen seien in der Klinik jeden Tag drei bis vier der Ehrenamtlichen im Einsatz, an den Wochenenden eine oder zwei. In München stehen die Ehrenamtlichen unter der Schirmherrschaft der Johanniter; es gibt sie zum einen an der München Klinik, an den Standorten Harlaching, Bogenhausen und Neuperlach. Aber auch im Seniorenzentrum Pullach, der Lungenfachklinik Gauting und dem Krankenhaus Martha-Maria sind die Grünen Damen anzutreffen.
Brigitte Schröder, die Frau des früheren Außenministers Gerhard Schröder (CDU), habe die Organisation der Grünen Damen 1969 gegründet, nachdem sie bei einer USA-Reise auf die Freiwilligendienste der Pink Ladies aufmerksam geworden war, erzählt Nießen-Daur. "Da hat die gesagt: Das brauchen wir für Deutschland unbedingt auch." Nur farblich habe man sich dann doch abheben wollen von dem amerikanischen Vorbild. Bundesweit sind heute mehr als 7600 Ehrenamtliche in grünen Kitteln in Krankenhäusern und Altenheimen unterwegs, in großen wie in kleinen Städten Deutschlands.
Ihre Dienste sind offenbar gefragt. Auf den Gängen in Harlaching jedenfalls wird Nießen-Daur alle paar Meter gegrüßt oder angesprochen: Ein kaputtes Telefon hier, Kleiderbügel dort. Und dann wäre da noch ein Patient, der gerne eine Küchenrolle hätte. F. Joachim Meyer, Chefarzt des Lungenzentrums Bogenhausen-Harlaching und gerade auf Visite, lobt den Zuspruch, den die Patienten durch die ehrenamtlichen Mitarbeiter erfahren würden - auch im Hinblick auf die Genesung. Überhaupt hätten die grünen Damen und Herren "einen direkten Zugang", wenn es um die Sorgen und Ängste der Kranken gehe. Da sei die Frage nach der Telefonkarte nicht selten der Einstieg in ein langes Gespräch.
Vor dem Aufzug im vierten Stock bleibt Einsatzleiterin Nießen-Daur stehen, sie blickt kurz zu Boden, als lägen dort die richtigen Sätze parat. Denn natürlich, so sagt sie, gehe es ihr nahe, wenn ein Patient schwer erkrankt sei. Sogar Tränen seien schon geflossen. Warum also arbeitet jemand freiwillig an einem Ort, der geprägt ist von Krankheit und Schmerzen? "Man gibt viel, aber man bekommt noch mehr zurück", so formuliert das Christa von Heck. Dank, Freundlichkeit, und ja, selbst Liebe. Die Frau mit dem silbergrauen Pagenkopf sitzt im Aufenthaltsraum der Grünen Damen an einem runden Tisch. Seit ihr Mann vor fünf Jahren gestorben ist, engagiert sie sich im grünen Kittel für andere. Die Aufgabe in Harlaching strukturiert ihre Woche, sie fühlt sich gebraucht. Anderthalb Jahre bleiben ihr noch dafür. Mit 80 ist Schluss, älter dürfen die Ehrenamtlichen nicht sein. Was sie dann tun wird, weiß sie zwar noch nicht. "Aber mir wird schon was einfallen."
Weitere Informationen unter gruene.damen.muc@gmail.com