Postkarten:Die Karte kommt an

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Auch im Selfie-Zeitalter werden noch analoge Grüße verschickt

Von Günther Knoll

Schnell ein Selfie vor dem Hofbräuhaus und ab damit über Whatsapp, Facebook oder Instagram in die weite Welt - dass damit das Ende der klassischen Ansichtskarten eingeläutet wird, ist ein Irrtum. Das beweisen die vielen klassischen Drehständer vor den Souvenirshops, auf denen sich die Stadt in allen möglichen Formen und Farben präsentiert. Da gibt es die klassische Ansicht im Postkartenformat mit dem Rathaus samt Marienplatz, den Türmen des Liebfrauendoms, dem Olympiagelände. Je nach Jahreszeit lässt sich München auch im Schnee oder in voller Blüte verschicken, Grüße von der Wiesn gehen offenbar auch im April. Nicht in jeden Briefkasten dürfte die extrabreite Karte mit dem Panorama der Stadt passen. Kartengrüße lassen sich aber auch in Brezn- oder Bierkrugform verschicken.

Sebastian Winkler hat sich mit seinem Verlag auf historische München-Postkarten spezialisiert. (Foto: Stephan Rumpf)

Auch in einem Trachtengeschäft mitten in der Fußgängerzone gehören Ansichtskarten zum Sortiment. Sie seien ein Kundenmagnet und alles andere als Ladenhüter. "Old school", kommentiert eine Verkäuferin, als ein italienisches Touristenpaar an den Drehständern mit wachsender Begeisterung verschiedene Motive aussucht. Oft würden bei ihr gleich zehn Stück auf einmal gekauft, sagt die junge Frau. Im Stadtmuseum treffen sich im Verkaufsbereich Gegenwart und Vergangenheit: Ein typischer Dultstand und das Fachgeschäft "Servus Heimat" teilen sich die Fläche. Neben Design-Karten mit mehr oder weniger originellen bayerischen Sprüchen finden sich auch historische Motive.

Der Blick von außen

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(Foto: N/A)

"Meine Freundin und ich sind zum ersten Mal hier. Was mich beeindruckt, ist tatsächlich, wie organisiert alles ist. In dieser Stadt funktioniert wirklich alles: von den öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zur Ordnung der Autos auf den Straßen. Wenn man aus einem Land wie Bolivien kommt, fällt einem das natürlich auf. Wir haben noch keinen Menschen gesehen, der über eine rote Ampel geht, auch wenn keine Autos fahren." Reinaldo Figueroa, Bolivien gima

Sebastian Winkler hat sie ausgesucht, der neben seinem Antiquariat in der Auenstraße auch einen kleinen Verlag betreibt. Leben könne er von seinen Karten nicht, sagt er, er mache das eher aus Liebhaberei. Schließlich produziere er zu Preisen, bei denen andere Verlage schon an Großhändler verkaufen könnten. Und dennoch bewegen sich Winklers Verkaufszahlen nach eigenen Aussagen jährlich "im fünfstelligen Bereich", bei anderen Verlagen könne man locker eine Null anhängen.

Auch bei Münchnern sind Winkler-Karten gefragt, für sie bedeuten die Motive oft persönliche Erinnerungen an die Stadt. Die Touristen, so sagt Winkler, wählten eher das aus, "wo das Klischee der Stadt durchdekliniert wird". Die meisten von ihnen liebten es "krachert": München heute im Hochglanzformat. Winkler dagegen will mit seinen Karten ein Stück Vergangenheit bewahren, seine ältesten Motive stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neu in seinem Sortiment führt er den Hauptbahnhof, "der wird in seiner jetzigen Form auch schon bald Vergangenheit sein". Im Gegensatz zur Ansichtskarte, denn die wird, da ist sich Winkler mit Kollegen und Händlern einig, "immer ihre Fans haben".

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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