Süddeutsche Zeitung

Postillon-Artikel:Polizei ermittelte angeblich nicht gegen Studenten

  • Die SZ hatte berichtet, dass die Polizei gegen einen Münchner Studenten ermittelte, der einen Satiretext auf Facebook gelikt hatte. Die Polizei hatte das am Montag bestätigt.
  • Nun teilt die Polizei mit, dass sich das Verfahren nicht gegen den Studenten, sondern gegen die Macher der Satireseite Der Postillon richtet. Es sei jedoch eingestellt worden.

Von Martin Bernstein

Ein eineinhalb Jahre alter satirischer Postillon-Artikel mit dem Titel "Björn Höcke dreht Hitler-Foto auf seinem Nachttisch um" macht weiter Furore. Zuerst berichtete die SZ am Donnerstag über ein Ermittlungsverfahren gegen einen Münchner Studenten, der den Satiretext auf Facebook gelikt hatte. Die Polizei hatte den Vorgang auf Nachfrage am Montag zunächst bestätigt. Am Freitag jedoch erklärte das Präsidium nun, die Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hätten sich gar nicht gegen den 27-jährigen Studenten gerichtet, sondern nur gegen die Urheber des Beitrags. Ermittelt wurde demnach gegen die Macher der in Fürth ansässigen Satireseite Der Postillon.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bestätigte am Freitag: Ja, der Vorgang sei ihr bekannt. Das Verfahren gegen den Herausgeber der Satireseite sei allerdings "ohne weitere Ermittlungen eingestellt" worden. Für die Nürnberger Strafverfolger war offenkundig: "Da die Darstellung im Rahmen eines Artikels erfolgte, der sich satirisch mit Björn Höcke und der AfD beschäftigte, war sie (...) nicht strafbar."

Die Münchner Ermittler sahen das zunächst offenbar anders. Ein Staatsschützer der Kriminalpolizei war auf den Like des Musikstudenten Johannes König aus München gestoßen, als er im Auftrag der Staatsanwaltschaft dessen Datenträger sichtete. Gegen den Musiker ermittelt die Polizei nämlich seit Februar noch in einer anderen Sache: König hatte einen Nachrichtenbeitrag des Bayerischen Rundfunks auf seiner Facebook-Seite geteilt, auf dem eine Fahne der Kurdenmiliz YPG zu sehen war. Die Fahne darf - außer zur medialen Berichterstattung - in Deutschland nicht gezeigt werden, wenn damit für die PKK geworben wird.

Die Polizei hatte König also bereits im Visier, als der Staatsschutzbeamte auf den Postillon-Like stieß und am 11. Juli vermerkte, es sei wegen des Hitler-Fotos ein "neues" Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Mit einem eigenen Aktenzeichen wurde das Verfahren an das für politisch rechts motivierte Straftaten zuständige Kommissariat 44 weitergeleitet. Der entsprechende Vermerk findet sich in der 45 Seiten dicken Akte über König, die der Musikstudent vor gut einer Woche erstmals einsehen konnte. Den Vermerk konnten er und sein Anwalt nur so verstehen, dass nun auch wegen des Hitler-Fotos gegen ihn ermittelt wird, berichtet König. Tatsächlich steht an keiner Stelle, dass sich der Vorwurf gegen den Postillon richtet.

Erst als auch andere Medien am Freitag bei der Polizei Fragen zu dem Vorgang stellten, erklärte das Präsidium: Gegen König sei "in diesem Zusammenhang nicht ermittelt" worden. "Bei einem möglichen Strafverfahren hätte er lediglich einen Zeugenstatus gehabt." Wann Medien oder Künstler ein eigentlich verbotenes Symbol zeigen dürfen, könne die Polizei nur "einschätzen" - eine abschließende Bewertung müsse aber der Staatsanwalt treffen.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2018/baso
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