Viel weiß man nicht über Sophie Andresky, außer, dass sie Mitte 30 ist, in Berlin lebt und: Deutschlands erfolgreichste Porno-Autorin ist. Fragen darf man Andresky aber alles. Anlässlich der Münchner Lesung aus ihren Texten (am Mittwoch und Donnerstag im Litera-Tour & Blütenlust, Kirchenstraße 5. Beginn: 20 Uhr. Reservierung erforderlich) sprach sie mit der Süddeutschen Zeitung über männliche Phantasien und Verbalerotik.
SZ: Frau Andresky, warum haben Sie angefangen, erotische Literatur für Frauen zu schreiben? War Ihnen das Angebot zu langweilig? Zu blumig?
Sophie Andresky: Früher gab es nur zwei Sorten: Pornographie für die Männer und politisch-esoterische Klitoris-Huldigungen für die Frauen. Die Männertexte waren stereotyp und dämlich. Großbusige Mädchen veranstalteten Fellatiowettbewerbe oder ließen sich herumreichen wie Gummipuppen. Aber die Frauentexte waren genauso unerträglich: Entweder riefen sie in Pamphlet-Manier zum Kampf gegen den Penis auf, oder es waren weichgespülte Schnulzen, in denen die Knospen der Liebe sich im Abendrot mit der bebenden Lanze des Geliebten vereinigten. Ich wollte aber etwas anderes: heiße Frauen, heißen Sex und Geschichten, die Unterleib und Oberstübchen ansprechen.
SZ: Wann ist erotische Literatur gut?
Andresky: Ein guter Text ist immer dann gut, wenn er gut geschrieben ist. Das gilt für erotische Geschichten ja genauso wie für Zeitungsartikel. Die Sexszenen sollten lang und detailliert sein, sprachlich explizit und gern auch vulgär, denn Sex ist ja keine klinische, wohlerzogene Sache. Und im besten Fall sind sie sogar witzig, denn Sex ist ja doch irgendwie absurd: Nackt wie rollige Gürteltiere wälzt man sich miteinander herum, stöhnt dummes Zeug, macht dabei ein noch dümmeres Gesicht, rollt den Bauchspeck in Wülste oder zeigt sich gegenseitig die spitzen Knochen, schwitzt und speichelt, hechelt und grunzt, und am Ende liegt man klebrig und grenzdebil grinsend nebeneinander und hat einen unglaublichen Jieper auf Nutella.
SZ: Sie haben in einem Interview gesagt, dass Männer Frauen gerne in zwei Kategorien steckten: "eine Art asexuelles, plapperndes Efeu - oder Nutten".
Andresky: Ja, entweder schlau oder scharf. Heilige oder Hure. Solche Frauenklischees müssen wirklich mal langsam begraben werden. Nehmen Sie mich: Ich bin Akademikerin und schreibe Pornos. Ich habe ein Faible für Messerbänkchen und Umgangsformen und verwende in der entsprechenden Situation durchaus ein Wort wie "ficken". Ich bin Feministin und liebe Sex in der Hündchenstellung. Das ist alles miteinander vereinbar. Man sollte sich nicht reduzieren lassen auf die Rolle der asexuellen Topfpflanze oder die der Strapsmaus.
Auf der nächsten Seite: Worüber Andresky nie schreiben würde.
SZ: Was kann man mit Worten anstellen, was Filmbilder nicht können?
Andresky: Im Kopfkino kann man mitspielen und zwar jede Rolle. Je nach Laune kann man die draufgängerische Heldin sein, die sich die Männer nimmt, oder das scheue Gänseblümchen. Eigene Bilder sind viel stärker und erotisierender. Einen Porno sieht man, regt sich an, auf und ab, und dann ist es vorbei. Eine eigene Phantasie - und Gelesenes macht man ja immer zumindest teilweise zu einer eigenen Phantasie - kann einen lange beschäftigen, man kann es abändern und neu gestalten. Und der Kick der Sprache kommt natürlich dazu. Als Verbalerotikerin will man ja nicht nur etwas tun, man will es auch benennen.
SZ: Mussten Sie die Sprache für Ihre Geschichten erst finden?
Andresky: Ich habe natürlich das Rad nicht neu erfunden und auch keine neue Sprache. Aber ich habe mich bedient, wo ich wollte, egal ob es den Machos, Emanzen, Sexualtherapeuten, Esoterikern, ernsthaften Literaten oder sonst wem gepasst hat. Sprache ist ein hochexplosives Material, und ich finde es spannend, damit herumzuexperimentieren.
SZ: Sind das eigene Erlebnisse oder Phantasien, die Sie Ihre Protagonisten da nachspielen lassen?
Andresky: Was ich schreibe, sind im Grunde Märchen. Sexmärchen. Erotische Utopien. Natürlich spielen autobiographische Elemente mit hinein, aber wenn ich derartig viel auf der Jagd wäre wie die Frauen in meinen Büchern, käme ich ja gar nicht mehr zum Schreiben. Die Ansichten, die ich aber zum Beispiel in Kolumnen vertrete, sind schon meine ureigenen Überzeugungen, die da heißen: Sex ist kein Lifestyleartikel, sondern ein Grundrecht - sofern alle Beteiligten einverstanden sind! Sex ist für alle da, für Junge und Alte, Schöne und Hässliche, Homo- , Bi- und Heterosexuelle, Behinderte und Verhinderte, Verklemmte und Aufgeschlossene. Und guter Sex macht diese Welt jedes mal ein bisschen schöner.
SZ: Gibt es Ausdrücke oder Praktiken, die für Sie nicht in Frage kommen?
Andresky: Gewalt, Zwang, Erniedrigung oder Ekel wird es in meinen Geschichten nie geben. Das hat für mich einfach nichts mit Sex zu tun. Blumige Ausdrücke finde ich oft unfreiwillig komisch wie z.B. "Lustgrotte", "Blütenkelch" oder "Liebeslanze". Ich persönlich höre auch "Titten" nicht gern, ich mag den Klang nicht.
SZ: Die spontane Reaktion hier in der Redaktion war: "Eine Frau, die Pornos schreibt? Sicher, dass das kein Mann mit Pseudonym ist?" - kennen Sie das?
Andresky: Wenn man meine Geschichten liest, dürfte schnell klar sein, dass ich eine Frau bin. Das ist eindeutig eine weibliche Weltsicht, gerade auch in den Sexszenen. Die Männer müssen ganz schön was einstecken. Ich weiß gar nicht, wo bei einer Frau, die Pornos schreibt, das Problem sein soll. Das Schlimme an Pornos ist doch nicht, dass man da nackte Menschen beim Geschlechtsverkehr sieht, sondern dass diese Filme so armselig und grottenschlecht sind. Ich kann das gar nicht oft genug sagen: Sex an sich ist noch nicht frauenfeindlich.
SZ: Warum möchten Sie anonym bleiben? Heißen Sie, wenn Sie beim Bäcker Brot vorbestellen, auch Frau Andresky?
Andresky: Bei meinem Bäcker heiße ich nur "Frollein", und Vorbestellungen würden seine Service-Bereitschaft überfordern. Das, was ich da schreibe, ist ja etwas sehr Intimes, sowohl für mich als auch für meine Leser, in deren Kopf ich mit meinen Phantasien quasi eindringe. Ich bin generell kein Fan vom Rampenlicht. Und was meinen Bäcker angeht: Ich möchte nicht wissen, wovon der hinter seiner Stirnglatze träumt und wie er es tatsächlich treibt. Und ich möchte auch nicht, dass er darüber nachdenkt, was bei mir sexuell so abgeht, wenn ich ein Körnerbrötchen - oder an PMS-Tagen eine Rumkugel - kaufe.