Popszene in München:Weit weg vom Wunderland

Nur langsam entwickelt sich in München das Bewusstsein, dass es mehr gibt als Oper und Theater - dabei ist die hiesige Popszene sehr lebendig.

Sebastian Gierke

Subkultur. Underground. Musikszene. Da denken viele immer noch an düster, an feucht, an klein. Es klingt nach Keller, nach kaum wahrgenommener Nische und nach: "Wir machen alles selbst." Aber eben auch nach Zusammenhalt, nach Cliquengefühl, nach einer Welt, die nicht für alle sichtbar ist - und die gerade deshalb so interessant, so kraftvoll, aber auch so gefährdet ist.

"The Sound of Munich now", 2009

"The Sound of Munich now": Beim SZ-Festival traten 2009 die Münchner Candelilla auf.

(Foto: Stephan Rumpf)

In München sind die Sorgen aktuell nicht existentiell. Die Szene ist vielfältig und lebendig, es tut sich etwas. Man findet Leidenschaft und Engagement bei vielen jungen Bands und Musikern. Und das, obwohl in München die Hochkultur dominiert, alles andere überstrahlt. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. "Dabei ist die Popkultur wichtig für eine Stadt, das Lebensgefühl, das Image. Sie ist auch ein Wirtschaftsfaktor und eben nicht nur lästig. Das in die Köpfe der Leute zu bringen, ist die Aufgabe", sagt Lobbyist Bernd Schweinar vom Rock-Büro Süd.

Dennoch ist es beinahe egal, wen man fragt, wohin man kommt - das Hauptproblem für die Popkultur in München wird immer ähnlich definiert: Pop werde hier immer noch nicht als Kunstform anerkannt, so wie die Oper oder das Theater. "Genau wie in der Hochkultur gibt es auch in der Popmusik Bereiche, die sich nicht selbst tragen, die aber wichtig sind in einem sozialen, gesellschaftlichen Kontext. Da braucht man eben Unterstützung", fordert der umtriebige Veranstalter Thomas Lechner.

Doch das lange so ungeliebte Stiefkind Subkultur erhebt gerade sein manchmal so wunderbar schmuddeliges Haupt. Die Beliebtheit steigt, genauso wie die öffentliche Präsenz. Das liegt zum einen an einer Vielzahl von guten, interessanten Künstlern. Der jungen Musikszene gelingt es immer häufiger, auch in ihrer Heimatstadt Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Bands und Veranstalter, die Bewohner der Subkultur-Welt, kommen aus der Nische und dem Keller hervor und schreiben sich in das Bewusstsein einer Stadt ein, die erst langsam begreift, wie viel Kreativität hier vorhanden ist. Es wird plötzlich gesprochen über Bands wie Frittenbude oder die Talking Pets.

Einen Beitrag zu dieser Entwicklung leistete auch das SZ-Podium im Jahr 2008. "Nach der Diskussion ist einiges in Bewegung gekommen", erinnert sich Christian Kiesler, Veranstalter vom Feierwerk. Vor zwei Jahren diskutierten Musiker und Kulturschaffende mit dem Münchner Kulturreferenten Hans-Georg Küppers beim SZ-Podium "Pop statt Peanuts" über die Lage der jungen Musikszene in München. Küppers versprach Verbesserungen - im Rahmen des Möglichen. Eine Raumbörse werde zum Beispiel eingerichtet, hieß es im Kulturreferat, um unter anderem die Situation bei den Bandräumen zu verbessern. Die Raumbörse gibt es mittlerweile auf der Internetseite der Stadt, die Angebote dort sind jedoch überschaubar. Aktuell sind es sechs: Kulturhäuser, Bürgersäle. Aber ein Proberaum in der Seidlvilla? Das ist wohl keine Option für eine junge Münchner Indie-Band.

An anderer Stelle hat sich mehr getan. Im Feierwerk wurde das P.R.O. Musikbüro mit einem jährlichen Budget von 40000 Euro ins Leben gerufen. Dort wird Bands mit Informationen und Kontakten weitergeholfen. Außerdem werden in Zusammenarbeit mit dem Rock-Büro Süd Bandworkshops angeboten, die gut angenommen werden. Auch zwei Busse stehen mittlerweile im Feierwerk bereit. Damit kommen die Bands für Auftritte aus der Stadt heraus und werben für den Popstandort München. Sie sind ständig ausgebucht.

Überhaupt werde in der bayerischen Landeshauptstadt auf hohem Niveau gejammert, glaubt Christian Kiesler. "So ein Haus wie das Feierwerk, von der Stadt finanziert, gibt es sonst in ganz Deutschland nicht."

Auch Zehra Spindler kann nicht klagen. Die Veranstalterin hat mit ihrem Team in den vergangenen vier Monaten aus einem leerstehenden, ehemaligen Kaufhaus einen subkulturellen Leuchtturm gemacht, den Puerto Giesing. Sie hat für die Genehmigungen gekämpft - und sie bekommen. "Uns wurde im Kulturreferat viel Offenheit und Verständnis entgegengebracht", erzählt Spindler.

"Dass dieses große, dieses tolle Projekt so kurzfristig zustande kommen konnte, wäre vor vier oder fünf Jahren nicht möglich gewesen", glaubt Thomas Lechner. Doch wie alle sieht er auch noch große Probleme. Für die Finanzierung des für die Besucher kostenlosen Theatron-Pfingst-Open-Airs, eines der besten Festivals in Bayern, muss er beispielsweise jedes Jahr wieder kämpfen.

Nein, München ist kein Popwunderland. "In anderen Städten wie Stuttgart oder Hamburg, werden zur Popförderung ganz andere Beträge in die Hand genommen", sagt Bernd Schweinar. Vieles liegt noch im Argen. Es geht immer wieder um Bandräume, Auftrittsmöglichkeiten, Kommunikationsstrukturen, Vernetzung. Vor allem aber um das Ansehen, das Bewusstsein für Subkultur in der Stadt, in den Ämtern, bei der Bevölkerung. Auch im Umland tut sich oft wenig. Dort ist die Szene meist auf das aufopferungsvolle Engagement Einzelner angewiesen.

Klar ist aber auch: Nicht jede Band hat einen Auftritt verdient, nur weil sie aus München ist. Doch kreative Nischen, die ohne städtische Zuschüsse gefährdet sind, bedürfen gezielter Unterstützung. Hier gibt es gute Ansätze. "Es wurde etwas losgetreten" in den vergangenen zwei Jahren, glaubt Kiesler. Und die Richtung stimme. Doch die Schritte in diese Richtung, die könnten energischer sein.

Einen typischen Sound für München? Den gibt es nicht. Den wird man auch beim Festival "Sound of Munich now" nicht finden, das die Süddeutsche Zeitung gemeinsam mit dem Feierwerk ebendort an diesem Samstag, 23. Oktober, veranstaltet. Darum geht es auch nicht. Gezeigt werden sollVerfolgt wird nur ein Ziel - zu zeigen, dass die Bandszene Münchens derzeit so spannend ist wie nie. Das sollen von 18 Uhr an 16 Bands unter Beweis stellen. Nach dem Auftaktkonzert von Frittenbude wird bei einer Podiumsdiskussion der Frage nachgegangen: "Wie viel Subkultur leistet sich München?" Von 19.30 Uhr an spielen dann die Bands im Viertelstunden-Takt. Der Eintritt ist frei.

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