Süddeutsche Zeitung

Pop:Vinyl für die Zukunft

Musiker unterstützen den Münchner Konzertclub "Milla" mit einem Sampler

Von Martin Pfnür

Das Datum, an dem die Türen das letzte Mal unter Normalbedingungen aufgingen, hat Thomas Schamann noch im Kopf: 12. März 2020, Juju Rogers & Negroman, zwei versierte deutsche Rapper, die vor einem begeisterten Hip-Hop-Publikum den Kehraus auf der kleinen Milla-Bühne gaben. Danach fiel, abgesehen von einer finalen Ausgabe des bestuhlten Lesebühnenformats "Rationalversammlung", fürs Erste der Vorhang. Fast ein Jahr ist das jetzt her. Und die Frage, die sich ja für so viele, für die darbende Veranstaltungsbranche aber womöglich noch etwas drängender stellt, sie lautet natürlich: Wie kommt man da halbwegs unbeschadet durch?

Fragt man bei Thomas Schamann nach, der in der Milla für das Booking und die Pressearbeit zuständig ist und selbst aber auch als DJ, Barmann und Solomusiker unterwegs ist, klingt zumindest so etwas wie ein perspektivischer Optimismus durch. "Dank der Unterstützung unseres Stammpublikums und einer Vermieterin, die uns mag, uns sehr mit der Pacht entgegenkommen ist und der das Kulturprogramm ein wirkliches Anliegen ist, sind wir noch da", sagt er. "Wir erwarten, auf den gleichen Booten auch noch über den Sommer zu kommen, höchstwahrscheinlich mit zusätzlicher Hilfe durch das Rettungsprogramm ,Neustart Kultur'. Wenn der Herbst 2021 aber wieder so aussähe wie dieses Frühjahr, dann müssten wir uns alle noch mal neue Fragen stellen."

Dass es dazu erst gar nicht kommt, bleibt angesichts der weiterhin zäh, aber doch immerhin anlaufenden Impfkampagne natürlich zu hoffen. An eigenen Antworten auf die Krise mangelt es der Milla indes jedenfalls nicht. Vergangenen Sommer haben sie einen kleinen Biergarten vor dem Bürofenster genehmigt bekommen, zwar ohne Live-Betrieb, dafür aber "gut für die Moral", sagt Schamann. Und auch bezahlte Streaming-Konzerte finden in Form der seit Januar laufenden "Telemilla" regen Anklang, sowohl beim Publikum, bei den auftrittsentwöhnten Musikern aus der Region und nicht zuletzt bei zumindest einer Handvoll freier Mitarbeiter, denen man endlich wieder ein paar Schichten anbieten kann.

Wie familiär sich der Indie-Kosmos der Milla gestaltet, demonstriert nun auch ein via "Millaphon" erscheinender Solidaritätssampler auf Vinyl, dessen Erlöse dem Erhalt des Konzertclubs zugutekommen. Zehn Künstler finden sich darauf, und alle stehen sie in einer mehr oder weniger engen Verbindung zur Milla. Da ist das britrockige "Electrified" von Fabian Hertrich alias Young Fast Running Man, dessen Künstlername als Folk-, Blues- und Rock-Spezialist auf seine Zeit als sogenannter "Runner" in der Milla zurückgeht. Da ist Candelilla-Sängerin Mira Mann, die einst federführend für das Milla-Booking zuständig war, und mit "Telefon" ein elektronisch verdengeltes Spoken-Word-Stück beiträgt. Da ist Florian Kreier, der auch Teil der Rationalversammlungspoeten ist, und als Angela Aux zusammen mit dem Wahlwiener Sam Irl einen verhallten "Heavy Dub" in den Raum stellt. Und da sind Cornelia Breinbauer aka Tiger Tiger und der Beatbastler ditu, die auch für die Programmgestaltung der Milla verantwortlich zeichnen und den Sampler mit einem futuristischen Popentwurf und einem funky Hip-Hop-Instrumental bereichern.

Zusammen mit dem unterkühlten Sound der Post-Punk-Bands Paar und Bleib Modern, dem erdigen Bluesrock von Inside Golden, der ätherischen Ballade des jungen Duos Fallwander oder der retromanisch verorgelten Disconummer der Organ Explosion ergibt das ein Album, das zum einen schmerzlich deutlich macht, was da zuletzt für eine Bandbreite in diesem Keller unterhalb der Holzstraße verloren gegangen ist. Zum anderen darf man sich aber schon auch ermutigt fühlen, dazu beizutragen, dass es im Herbst wieder losgehen kann. "Wenn es gut läuft, trägt uns die Aktion einen Monat weiter", sagt Thomas Schamann. Derweil stellen er und sein Team schon mal das Live-Programm für das letzte Quartal und das nächste Jahr zusammen, "in dem Wissen, dass wir vielleicht zum vierten Mal alles verschieben müssen".

Der auf 500 Stück limitierte "Milla Sampler" ist via millaclubmunich.bandcamp.com bestellbar

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Quelle:
SZ vom 03.03.2021
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