Fußmarsch statt Streifenwagen:So sieht die neue Polizeiwache am Hauptbahnhof aus

Fußmarsch statt Streifenwagen: Durch die Glasfront haben die Beamten in der Polizeiinspektion 16 den Hauptbahnhof nun immer im Blick.

Durch die Glasfront haben die Beamten in der Polizeiinspektion 16 den Hauptbahnhof nun immer im Blick.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Revier der Polizeiinspektion 16 an der Bayerstraße ist nicht groß, hat es aber in sich. Die 40 Beamten haben eine neue Wache bezogen, die nicht nur mehr Platz bietet, sondern auch mehr Schutz vor pöbelnden "Kunden".

Von Ana Maria Michel

Der Bau der zweiten Stammstrecke und die Sanierung des Hauptbahnhofs betreffen nicht nur Tausende Fahrgäste, sondern auch die Münchner Polizei. Nach etwa 60 Jahren an der Arnulfstraße an der Nordseite des Bahnhofs musste die Polizeiinspektion 16 umziehen. Die Beamten sind bereits seit Ende Juli in den neuen Räumen in der Bayerstraße 14, an diesem Donnerstag wurden sie offiziell eingeweiht.

Das denkmalgeschützte Gebäude war früher ein Teil des Holzkirchner Bahnhofs. Durch eine große Glasfront haben die Beamten ihr Einsatzgebiet nun immer im Blick. Es umfasst neben dem Hauptbahnhof den Bahnhofsvorplatz, die Paul-Heyse-Unterführung und den Teil der Arnulfstraße, der am Bahnhof vorbeiführt. Das Revier ist nicht groß, aber es hat es in sich. Etwa 400 000 Menschen sind jeden Tag am Hauptbahnhof unterwegs. Polizeipräsident Hubertus Andrä lobte München beim Festakt zwar als sicherste Millionenstadt Deutschlands, wenn nicht gar der Welt. Doch der Bahnhof ist auch hier kein reiner Wohlfühlort. "Der Hauptbahnhof ist und war in den letzten Jahren ein Brennpunkt", sagte der SPD-Stadtrat Christian Vorländer. Die Kontrollen wurden deshalb verstärkt, der Konsum von Alkohol ist mittlerweile rund um die Uhr verboten. "Wer in München ankommt, kann sich sicher fühlen", sagte Bayerns Innenstaatssekretär Gerhard Eck bei der Einweihung, schob aber direkt hinterher: "Wer mit offenen Augen durch den Hauptbahnhof geht, kann sich sicher fühlen."

Die Arbeit am Bahnhof ist für die Polizei eine Herausforderung. "Hochmodern" ist deshalb laut Eck die neue Dienstelle, die Arbeitsbedingungen seien "optimal". Die alte Wache war nicht einmal halb so groß wie der neue Vorraum. Dort steht man erst einmal vor einer Scheibe, vor der man sein Anliegen vorbringen muss. Die Polizeiinspektion 16 ist die erste verspiegelte Wache Münchens. Im Vorraum kann man nicht sehen, wer drinnen etwa gerade eine Anzeige aufgibt. Erst, wenn man hineingebeten wird, darf man zu den Polizeibeamten. Eine solche Schleuse gab es in den alten Räumen nicht, erzählt Alexander Fuchs, der seit 1996 in der Polizeiinspektion 16 am Hauptbahnhof arbeitet. Was dazu führte, dass so mancher "Kunde", wie sie hier sagen, schon mal über die Theke sprang, um die Beamten anzugreifen. Für Notfälle ist die neue Wache mit Alarmknöpfen ausgestattet, die aussehen wie Buzzer in einer Quizshow. Drückt ein Beamter so einen Knopf, stürmt Verstärkung heran.

Aber längst nicht alles ist in der neuen Dienststelle "hochmodern". Die Diebstahlsanzeigen werden immer noch mit Formularen aus Papier aufgenommen. Sie liegen in verschiedenen Sprachen wie Englisch, Französisch oder Italienisch bereit, was vor allem während der Wiesn wichtig ist. Und eines der Geräte, mit dem Dokumente überprüft werden, hält jeden deutschen Personalausweis für gefälscht. Die Beamten fühlen sich aber in der neuen Dienststelle wohl. Fuchs hat seine Miniatur-Polizeiautos ins neue Büro mitgenommen. Nur die Schilder "Drücken" und "Ziehen" vermisst er noch an den Türen.

Zwei Zellen, eine Einzel- und eine Gruppenzelle für bis zu zehn Leute, gibt es auf der Wache. Neu ist, dass die Zellentüren mit durchsichtigen Scheiben verstärkt wurden, damit die Polizisten nicht durch das Gitter angepinkelt werden. Es ist eine spezielle Klientel, mit der die Beamten hier zu tun haben. Zuletzt wurde einer jungen Kollegin von Fuchs die Nase gebrochen. Auch er selbst hat schon einmal einen Tritt ins Gesicht abbekommen. Drogen, unerlaubte Prostitution, Diebstähle - das sind die Themen, mit denen er und seine Kollegen zu tun haben.

Doppelt wachsam

An Bahnhöfen genießen Bürger gewissermaßen doppelten Schutz. Neben der Landespolizei geht dort auch die Bundespolizei Streife, sie ist für die Sicherheit des Reiseverkehrs und des gesamten Streckennetzes der Deutschen Bahn verantwortlich. Rund um die Uhr kümmern sie sich um herrenloses Gepäck, um Ruhestörer oder Taschendiebe, die Reisenden beim Einsteigen die Geldbörsen aus der Hosentasche ziehen. Von der Leitstelle der Bundespolizei am Gleis 26 aus ist fast jeder Winkel des Hauptbahnhofs mit Kameras einsehbar. In einer ruhigen Nacht sind vier Streifen unterwegs. Die schauen sich aber nicht nur am Hauptbahnhof um, sondern fahren auch mit der S-Bahn.

Bei großen Veranstaltungen wird aufgestockt. Während der Wiesn sind an einem Tag viele Dutzend Bundespolizistinnen und -Polizisten im Einsatz, um orientierungslosen Besuchern auf dem Weg zur Theresienwiese und wieder zurück in ihre Züge zu helfen, Streitereien dabei zu unterbinden und notfalls Straftäter fest- und Anzeigen aufzunehmen. Bei wichtigen Fußballspielen begleiten Bundespolizisten die Fans in den Zügen.

Anders als die Landespolizei führt die Bundespolizei allerdings keine kriminalpolizeilichen Ermittlungen durch. Sie verfolgt Ladendiebe, Randalierer oder Schläger und zeigt sie an. Ihre Aufgabe liegt überwiegend in der Gefahrenabwehr, nicht in der Aufklärung größerer Kriminalfälle. An den Bahnhöfen arbeiten Bundespolizei und Landespolizei zusammen. Jeder Polizist muss natürlich jede Straftat verfolgen, wenn er sie mitbekommt. Aber im nächsten Schritt wird oft an die Landespolizei übergeben, wenn dahinter mehr steckt als ein einzelnes Vergehen.

Während die Beamtinnen und Beamten der Landespolizei schon ihr neues Domizil beziehen durften, müssen ihre Kolleginnen und Kollegen von der Bundespolizei noch ein bisschen in den alten Gemäuern durchhalten. Ihre Wache neben dem Nordausgang des Hauptbahnhofs am Gleis 26 soll als letzte ausziehen, bevor auch dieses Gebäude an der Arnulfstraße 1 abgerissen wird. ANH

Etwa 40 Polizisten arbeiten in der Polizeiinspektion 16, nur drei von ihnen sind Frauen. Auch bei jungen Kollegen habe die Dienststelle am Bahnhof einen schlechten Ruf, sagt Fuchs. Die Beamten fahren nicht wie andere im Streifenwagen durch die Gegend, sie sind zu Fuß unterwegs. Und seitdem die Polizeiinspektion 16 nicht mehr an der Nordseite des Bahnhofs liegt, hat sich noch etwas verändert: Heute kommen vermehrt Leute aus den umliegenden Wohnungen oder Büros vorbei, um Anzeige zu erstatten, etwa wenn ihr Fahrrad geklaut wurde oder sie beim Einkaufen im Internet betrogen wurden.

Die Beamten der Polizeiinspektion führen jedoch vor allem Kontrollen am Bahnhof durch. Vier von ihnen sind immer auf Streife. Auch Fuchs ist viel draußen, er arbeitet als sogenannter Kontaktbeamter. Er ist für die Menschen zuständig, die am Bahnhof arbeiten, etwa in den Läden. Auch die Junkies und die Obdachlosen kennt er. Doch die Lage am Bahnhof verändert sich, sagt Fuchs. Die Baustelle auf dem Vorplatz hat die Drogenszene verdrängt. Auch Fuchs weiß aber, dass das nicht bedeutet, dass die Junkies verschwunden sind, sie werden sich neue Orte suchen.

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