Polizeistatistik:Warum München so sicher ist

Polizeistatistik: Präsent auch in der Fußgängerzone: In München fahren Polizisten deutlich häufiger Streife als in anderen Städten. Das soll Straftätern weniger Raum geben und so die Sicherheit erhöhen.

Präsent auch in der Fußgängerzone: In München fahren Polizisten deutlich häufiger Streife als in anderen Städten. Das soll Straftätern weniger Raum geben und so die Sicherheit erhöhen.

(Foto: Robert Haas)

Rein statistisch kommt hier ein Polizist auf 265 Bürger - das ist der schlechteste Wert aller deutschen Millionenstädte. Dennoch gibt es hier deutlich weniger Straftaten als in Hamburg, Köln oder auch Frankfurt. Woran liegt das?

Von Thomas Schmidt

München ist mit Abstand die sicherste aller deutschen Großstädte. Jahr für Jahr, wenn das Präsidium seine Polizeistatistik präsentiert, landet es mit seinen Zahlen auf dem besten Platz. Pro 100 000 Einwohner werden in München 6201 Straftaten begangen, in Frankfurt, Hamburg, Köln und Berlin sind es etwa doppelt so viele. Doch warum ist das eigentlich so? Ein Erklärungsversuch.

Sind in München mehr Polizisten unterwegs?

Gefühlt gibt es in München deutlich mehr Polizei als in anderen Großstädten, Touristen aus Berlin oder Hamburg fällt sofort auf, wie viele Streifenwagen das hiesige Stadtbild prägen. Doch stimmt diese Wahrnehmung mit den Zahlen überein?

Das Münchner Präsidium ist nicht nur für die Stadt, sondern auch für den Landkreis verantwortlich, insgesamt leben 1,8 Millionen Menschen in diesem Zuständigkeitsbereich. Die Zahl der Beschäftigten des Präsidiums, von denen nicht alle Vollzugsbeamte sind, liegt bei etwa 6800. Rechnerisch kommt somit ein Mitarbeiter der Landespolizei auf 265 Bürger.

So überraschend es sein mag - dieser Wert ist bei Weitem der schlechteste im Vergleich der Großstädte. In Köln kümmert sich statistisch ein Mitarbeiter der Landespolizei um 215 Bürger, in Frankfurt sind es 195, in Hamburg 174 und in Berlin sogar nur 160. Das Münchner Präsidium hat folglich nicht mehr Einsatzkräfte pro Bürger - es hat weniger.

Warum erscheint die Polizeipräsenz an der Isar dennoch so hoch? "In München", sagt Jürgen Ascherl, stellvertretender Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft DPolG in Bayern, "sind die Streifenbeamten häufig sehr viel schneller wieder auf den Straßen unterwegs, während sie in den Städten anderer Bundesländer deutlich mehr Zeit auf der Dienststelle verbringen mit Vernehmungen und dem Abarbeiten von Anzeigen." Die Ermittlungs- und Schreibarbeiten erledigten seine Münchner Kollegen häufig erst nach ihrem Streifendienst, auch wenn sie dafür Überstunden leisten müssten. In anderen Bundesländern, sagt Ascherl, gebe es Präsidien, die kaum noch Streife führen und nur noch bei Einsätzen ausrückten. "Ein Kollege aus einem anderen Verband - ich will den Namen der Großstadt lieber nicht nennen - hat mir einmal berichtet, sie würden nicht mehr Streife fahren, um Benzin zu sparen."

In München ist die öffentliche Präsenz der Beamten in Uniform fester Bestandteil des Konzeptes. Das Präsidium rühmt sich selbst für seine Reaktionsschnelligkeit und die Sichtbarkeit der Polizeikräfte auf den Straßen. Je schneller und effektiver man eingreife, desto weniger entstünden Spielräume für Kriminelle, so die Logik.

Greift die Münchner Polizei härter durch?

Statistisch lässt sich das kaum belegen, es gibt aber entsprechende Hinweise. "Wir sind konsequenter", meint Jürgen Ascherl. In anderen Städten "wird auch mal rumgeeiert". Als Beispiel nennt er die strikte Münchner Vorgabe, dass kein Haus länger als 24 Stunden illegal besetzt bleiben darf. Dass diese Linie auch umgesetzt wird, konnte man 2017 bei den Aktionen der "Für Lau Haus"-Gruppe beobachten, gegen die die Polizei ohne zu Zögern und massiv vorgegangen ist - auch wenn die Besetzer immer schon verschwunden waren, als die Einsatzkräfte eintrafen. In anderen Städten hat der langwierige Kampf um besetzte Häuser geradezu Tradition, man denke nur an die Rote Flora in Hamburg, die Autonome seit 1989 besetzt halten.

Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit Rauschgiftdelikten. In München führen bereits kleinste Mengen Marihuana zu einer Anzeige. In anderen Städten wird das laxer gehandhabt, der gewöhnliche Kiffer oft laufengelassen. "Zustände wie in Berlin, wo im Görlitzer Park Konsumenten bis zu 15 Gramm Cannabis straffrei besitzen dürfen, wird es in München nicht geben", betonte unlängst Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä.

Dieses konsequente Vorgehen gegen vergleichsweise geringe Straftaten ist eine bewusste Münchner Marschroute, allerdings haben die hiesigen Einsatzkräfte auch größere Kapazitäten dafür frei: Rein statistisch fielen im Jahr 2017 auf jeden Mitarbeiter des Münchner Präsidiums 16 Delikte. In Hamburg waren es 22, in Berlin 23, und die Beamten in Frankfurt und Köln mussten sich mit 30 Delikten um knapp doppelt so viele Fälle pro Kopf kümmern. Je mehr Zeit ein Ermittler für eine Straftat hat, desto besser ist in der Regel auch die Aufklärungsquote. Das wiederum wirkt abschreckend auf Verbrecher.

Sorgt Münchens Wohlstand für Sicherheit?

Sorgt Münchens Wohlstand für Sicherheit?

Nicht nur die Polizeiarbeit spielt eine Rolle dabei, wie sicher eine Stadt ist, sondern auch die Menschen, die in ihr leben. Es gibt kaum einen Städtevergleich zur Wirtschaftskraft, bei dem München nicht auf dem ersten Platz landet. Die Stadt floriert, die Arbeitslosenquote ist mit 3,9 Prozent konkurrenzlos niedrig (Berlin 8,4, Köln 8,2, Hamburg 6,5, Frankfurt 5,7). Die statistische Kaufkraft eines durchschnittlichen Münchners lag im vergangnen Jahr bei 32 139 Euro. Ein Bürger Berlins hingegen hatte mit 21 227 Euro ein Drittel weniger zur Verfügung.

Der allgemeine Wohlstand an der Isar wirkt sich positiv auf die Sicherheit aus: Wer seinen Passat in der Garage parkt, wird selten aus Existenznot zum Taschenräuber. Natürlich begehen auch wohlhabende Bürger Straftaten, aber oft subtiler. Verbrechen wie Steuerhinterziehung oder Wirtschaftskriminalität können gewaltige finanzielle Schäden anrichten, wirken sich aber nicht auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung aus und stellen, was die statistischen Fallzahlen von Straftaten betrifft, eine vernachlässigbare Größe dar.

Welche Rolle spielt der Ausländeranteil in München?

Knapp 48 Prozent aller Tatverdächtigen in München waren 2017 keine Deutschen. Der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung liegt mit 28 Prozent deutlich darunter. Somit waren Ausländer in der Kriminalitätsstatistik überrepräsentiert. Das hat viele Gründe: Migranten werden häufiger kontrolliert, leiden oft unter prekären Lebensumständen, dürfen häufig nicht arbeiten, und gerade unter Flüchtlingen finden sich viele junge Männer, die allein aufgrund ihres Alters und Geschlechts statistisch häufiger straffällig werden.

Wenn aber Zuwanderer häufiger als Tatverdächtige erfasst werden, wirkt sich dann der Migrantenanteil im Vergleich der Großstädte auf die Sicherheit aus? Die Zahlen belegen das nicht: Frankfurt und München haben mit 29 und 28 Prozent beinahe denselben Anteil von Ausländern an der Gesamtbevölkerung, der Unterschied ist winzig. Bei den Straftaten pro 100 000 Einwohner jedoch ist der Abstand zwischen den Städten gewaltig, die Frankfurter werden statistisch doppelt so häufig straffällig wie die Münchner. In Berlin leben mit 19 Prozent anteilig die wenigsten Ausländer im Städtevergleich, gleichzeitig registriert die Polizei dort die meisten Straftaten pro 100 000 Einwohner. Mit dem Ausländeranteil sind die Unterschiede im Sicherheitsniveau der Großstädte folglich nicht zu erklären.

Sind Münchens Ausländer besser integriert?

Auch in München gibt es reichere und ärmere Gegenden, aber nicht zuletzt die astronomischen Mietpreise sorgen dafür, dass nirgendwo ganze Viertel verwahrlosen. Die Arbeitslosenquote schwankt innerhalb der Stadt nur geringfügig. Auch die hier lebenden Ausländer verteilen sich weitgehend homogen auf das gesamte Stadtgebiet, anstatt sich zu isolieren. In fast allen Vierteln liegt ihr Anteil zwischen 20 und 30 Prozent. Die deutsche und nichtdeutsche Bevölkerung ist durchmischt, was der Integration dient. Ein nachbarschaftliches Zusammenleben wirkt sich positiv auf die Sicherheit aus.

In anderen Großstädten herrschen hingegen gravierende Unterschiede. Ein gutes Beispiel ist Hamburg: Während der Ausländeranteil im Stadtteil Billbrook bei 77 Prozent liegt, leben in Blankenese gerade mal acht Prozent Nichtdeutsche. Je größer die Kluft, desto eher können Parallelgesellschaften entstehen, aus denen mitunter Spannungen erwachsen.

Sicherheit liegt im Trend

Auch wenn München in puncto Sicherheit seit Jahren den ersten Platz belegt, so ist der Trend in allen deutschen Großstädten derselbe: München vermeldete für das Jahr 2017 einen Rückgang der Straftaten um 14,7, Berlin von 8,5 Prozent. In Köln sank die Fallzahl um sechs und in Hamburg um 5,6 Prozent. Frankfurt verzeichnete mit 4,7 Prozent zwar den geringsten Rückgang, erreichte damit aber einen Rekord: die niedrigste Zahl seit Beginn der elektronischen Erfassung im Jahr 1971.

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