Gerade wurde am Münchner Flughafen eine 25-jährige Frau mit einem Koffer voll mit zwei Kilo Kokain erwischt, und am Münchner Hauptbahnhof zogen Fahnder zwei Männer mit insgesamt drei Kilogramm Marihuana im Gepäck aus dem Verkehr. Was Drogendelikte sowie Konsum anbelangt, scheint sich der Trend vom Vorjahr nahtlos fortzusetzen: Die Geschäfte mit dem Gift boomen, und vermutlich wird auch die Zahl der Toten weiter steigen. "Von Entwarnung", sagt Kriminalrätin Sigrid Kienle vom Drogendezernat des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA), "kann keine Rede sein".
München und Frankfurt, das sind Drehkreuze, wenn es um den internationalen Rauschgifthandel geht. Die 25 Jahre alte Frau, die vergangene Woche am Münchner Flughafen erwischt wurde, kam aus Lateinamerika, stieg in München um und wollte weiter nach Amsterdam. Ihr Koffer hatte einen doppelten Boden mit Koksfüllung. "Das ist die übliche Route für den Kokain-Schmuggel", sagt Vize-Dezernatsleiterin Kienle. In den Niederlanden sitzen die Abnehmer größerer Mengen, die dann den "Schnee" über ganz Europa verstreuen. Die Droge der Schönen und Reichen sei nach wie vor "in", ebenso wie Heroin und an vorderster Stelle Cannabis.
"Legal Highs" machen den Fahndern die meisten Sorgen
Was den Drogenfahndern des LKA allerdings wirklich Sorgen bereitet, das sind die neuen psychoaktiven Substanzen, auch "legal highs" genannt. Allein schon der Name suggeriere Harmlosigkeit, meint Sigrid Kienle, "aber die chemischen Substanzen sind brandgefährlich". Sie erzählt einen Fall aus dem Kreis Schweinfurt: Dort hatte eine junge Frau so ein buntes Tütchen im Internet gekauft. Sie besuchte ein befreundetes Paar und gemeinsam mischte man das Pulver in den Tabak und rauchte es. Der Mann wachte auf der Intensivstation wieder auf, seine Freundin nicht mehr. Sie starb an dem undefinierbaren Gemisch.
"Diese chemischen Substanzen werden in China hergestellt und über das Netz verkauft. Die Badesalze, Kräutermischungen oder Brausepulver kommen dann per Postversand hier an", erzählt Sigrid Kienle. Niemand kennt die enthaltenen Wirkstoffe, niemand kennt die Konzentration der Substanz. Die Konzentration schwanke sogar erheblich bei Tütchen desselben Herstellers. Der Konsument wisse also in keinster Weise, worauf er sich da einlässt.
Substanzen fallen nicht unter das Betäubungsmittel-Gesetz
Den Giftmischern beizukommen, ist laut Kriminalrätin Kienle nicht so einfach. Denn die chemischen Substanzen fallen zum Teil nicht unter das Betäubungsmittel-Gesetz. 2013 starb in Bayern ein Mensch an "legal highs", 2014 gab es zehn Opfer und 2015 werden es mehr als doppelt so viele sein. Gemessen an 251 Drogentoten im Freistaat (im Jahr 2014) mag die Zahl nicht so hoch erscheinen, doch freie Verfügbarkeit, leichte Beschaffung und unberechenbare Wirkung beunruhigen die Fahnder.
Die Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor. Aber das Polizeipräsidium München beispielsweise vermeldete Ende Dezember den 66. Rauschgifttoten in seinem Bereich. In den Vorjahren schwankte die Zahl zwischen 45 und 50. Natürlich seien unter den Drogentoten viele Langzeitkonsumenten, deren Körper im Laufe der Drogenjahre versagt, meint Kienle.
Etliche sterben auch an sogenannten Multiintoxikationen, sprich an der Mischung aus Alkohol, Drogen und Medikamenten. Und dann sind da noch die Menschen, deren Körper die unbekannten Substanzen der "legal highs" nicht überlebt. Konkrete Zahlen für 2015 dürfen noch nicht genannt werden. Eines ist allerdings sicher: Es werden mehr Tote als im Vorjahr sein.