Polizeipsychologen:Viel mehr als nur gutes Zureden

Über die Geschichte der Münchner Polizei

"Im Einsatz" und "Die Münchner Linie" vom 21./22. November (Thema des Tages über die Geschichte der Münchner Polizei):

Ihr Beitrag ist es absolut wert, zumindest polizeiintern als Lehrmaterial angeboten zu werden. Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Mühe und Ihr erzählerisches Engagement.

Das gilt auch für Ihren Bericht zur "Münchner Linie", die ja gerade keine Konsequenz

aus den Schwabinger Krawallen war. Richtig ist vielmehr, dass der tiefenpsychologisch versierte Dr. Rolf Umbach die erste und intensiv publizierte Antwort auf Schwabing war. Erst als dieser "abwanderte" (Spiegel), entschied sich der hier zuständige Oberbürgermeister Dr. Hans Jochen Vogel für einen Wechsel und damit für den verhaltensorientierten Münchner Diplom-Psychologen Georg Sieber. Dieser entwickelte gemeinsam mit dem Münchner Polizeidirektor Dr. Georg Wolf neue, anfangs heftig umstrittene Einsatzstrategien und -taktiken für Demonstrationen und Versammlungen. Sie wurden erst später unter dem innenpolitischen Label "Münchner Linie" bekannt.

Damit gelang es erstmalig, verhaltenspsychologische Erkenntnisse in der Münchner Polizeiarbeit umzusetzen und bei vielen Beamten der Schutzpolizei Vertrauen in psychologische Gesetzmäßigkeiten zu wecken. Großen Anteil an diesem Erfolg hatten die drei Mitarbeiter des Psychologischen Dienstes, die als Seminarleiter mit Gesprächs- und Verhaltenstrainings, aber auch beratend im Bereich des Polizeipräsidiums München aktiv wurden. Dennoch hielt sich bis auf den heutigen Tag die seltsame Vorstellung, das neue Einsatzverhalten der Stadtpolizei beruhe auf gütigem Zureden und freundlichen Tricks und diene im Übrigen dazu, Demonstranten "wieder zur Vernunft zu bringen".

Das Münchner und Bayerische Presse-Echo führte zu zahlreichen Versuchen anderer Bundesländer, die "Münchner Linie" zu übernehmen. Dies scheiterte jedoch meistens an den politischen Verhältnissen, die auch heute noch Wasserwerfer, Schlagstock, Pferde und Hunde im Einsatz gegen Demonstranten bevorzugen - siehe unter anderem Stuttgart 21.

Nach vier Jahrzehnten ist es in diesem Fall wohl noch möglich, der Legendenbildung entgegen zu treten. Während Dr. Manfred Schreiber vor allem dadurch hervortrat, dass er die Einsatzleitung, in wichtigen Fällen jedenfalls, an Dritte abtrat, war es Dr. Georg Wolf, der in der Polizeieinsatzplanung und -leitung gemeinsam mit Georg Sieber innovativ wurde. Ich selber habe diese Zeit als Praktikantin und Werkstudentin miterlebt und freue mich, nach so vielen Jahren frei darüber sprechen zu dürfen.

Ursula König, München

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