Polizeikontrollen in München:Rote Karte für Radlsünder

125 Euro für eine überfahrene rote Ampel: Nach einer Serie schwerer Radunfälle macht die Polizei in München jetzt ernst - und geht gegen Verkehrssünder vor. Doch nicht jeder Verstoß wird auch geahndet.

Florian Fuchs

Als alles vorbei ist, wundert sich Florian erst einmal. "Auch noch 23,50 Euro Bearbeitungsgebühr", murmelt der BWL-Student, "das ist ja ein Viertel der Strafe." Da hat der junge Mann aus Burghausen recht, und das ist noch nicht einmal das Schlimmste für ihn: Gerade ist Florian bei der Georgenstraße Ecke Leopoldstraße bei Rot über die Ampel gefahren, Polizisten haben ihn beobachtet.

Polizei kontrolliert Fahrradfahrer in München

Polizeikontrolle an der Leopoldstrasse. Die Aktion ist Teil einer dreiwöchigen Schwerpunktaktion der Münchner Polizei, bei der vor allem Radler bei Vergehen belehrt und verwarnt werden sollen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Weil er aber zu den 100 Euro Strafe plus 23,50 Euro Bearbeitungsgebühr auch noch einen Punkt in Flensburg bekommt, wird es richtig teuer für ihn - die Probezeit des Führerscheinneulings endet erst in drei Wochen. Er muss also zur Nachschulung. Die Theorie- und Praxisstunden werden ihn noch einmal ein paar hundert Euro kosten.

So hart wie Florian trifft es am Dienstagvormittag nahe der Universität keinen anderen Radfahrer. Zwei Zivilbeamte haben sich in einem mit Videotechnik ausgestatteten Wagen in der Parkbucht der Leopoldstraße postiert. Jeden Verstoß eines Radlers geben sie ihren Kollegen durch, die am Straßenknick beim Siegestor stehen und die Verkehrssünder aus dem Verkehr ziehen.

Die Kontrolle ist Teil der dreiwöchigen Schwerpunktaktion der Münchner Polizei, bei der vor allem Radler bei Vergehen belehrt und verwarnt werden sollen. An diesem Vormittag sind es innerhalb von einer Stunde acht Fahrradfahrer, die die Polizisten verwarnen. Ein Autofahrer bekommt quasi nebenbei einen Strafzettel, weil ihn die Beamten mit dem Handy am Ohr im Fahrzeug erwischen.

Die häufigsten Unfälle passieren, weil die Leute in die falsche Richtung oder auf dem Gehweg fahren", sagt Polizeihauptkommissar Martin Cornils von der Verkehrsüberwachung, der die Aktion in Schwabing an diesem Tag leitet. Die Zahl der Unfälle mit Fahrradfahren in München steigt seit Jahren kontinuierlich an: So verletzten sich im Stadtgebiet im Jahr 2002 etwa 1800 Radfahrer, während es 2011 insgesamt 2200 waren.

"Keine Kavaliersdelikte"

"Wir versuchen den Leuten mit den Kontrollaktionen ins Bewusstsein zu bringen, dass Verkehrsverstöße mit dem Fahrrad keine Kavaliersdelikte sind", sagt Cornils. Wer negativ auffällt, bekommt deshalb neben dem Bußgeldbescheid auch eine Rote Karte ausgehändigt. Auf der Rückseite ist der Strafenkatalog für die gängigsten Vergehen aufgelistet: Verbotswidrig den Gehweg zu befahren etwa kostet im Normalfall fünf Euro, wenn man dabei Passanten gefährdet, sind es 15 Euro. Wer sein Mobiltelefon ohne Freisprechanlage nutzt, ist mit 15 Euro dabei. Und wer das Rotlicht missachtet, zahlt in den meisten Fällen 100 Euro.

Im vergangenen Jahr gab es schon einmal eine dreiwöchige Schwerpunktaktion im Stadtgebiet, damals zeigte sich Polizeivizepräsident Robert Kopp ziemlich entsetzt: 12.500 Radler hielten die Beamten auf, 7500 wurden ermahnt, 5000 mussten ein Bußgeld bezahlen. Weil es regnet und die Stelle außerdem als Kontrollpunkt der Polizei vor allem unter Studenten relativ bekannt ist, bleibt die Zahl der Vergehen an diesem Dienstag relativ niedrig.

Die Polizisten sind aber auch angehalten, nicht jeden Verstoß gleich mit der maximalen Bestrafung zu ahnden. Als eine junge Radlerin in Schritttempo auf dem Gehweg fährt und sofort absteigt, als sie die Polizisten sieht, ermahnt sie Cornils nur mündlich. "Da haben Sie gerade noch rechtzeitig gehandelt", sagt der Hauptkommissar, "wäre schön, wenn Sie sich das nächste mal nicht erst an die regeln halten, wenn Sie Polizisten sehen." Die junge Frau, sie schaut verschämt und schiebt weiter.

"Manche schimpfen, manche schreien"

Die Reaktionen auf die Belehrungen der Polizisten gehen nicht immer so glimpflich ab. "Manche schimpfen, manche schreien", sagt Cornils. Der Student aus Burghausen etwa, der bei Rot über die Georgenstraße gefahren war, beschwert sich, dass die Polizei nirgendwo so hart sei wie in München. Eine ältere Dame mit blauem T-Shirt ärgert sich vor allem über sich selbst. "So ein Mist, so ein Mist", murmelt sie, während einer der Beamten den Bescheid ausstellt, "ich hätte einfach besser aufpassen müssen."

Die Kontrollen gibt es in den nächsten Tagen vor allem an den großen Einfallstraßen in die Stadt und an neuralgischen Punkten, wo es immer mal wieder Unfälle gibt. Normale Polizeistreifen sind aber auch angehalten, verstärkt auf Fahrradsünder zu achten.

Martin Cornils will trotzdem nicht daran glauben, dass die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr besser ausfallen werden. "Langfristig werden die Aktionen aber was bringen", sagt er. "Wir merken das schon bei den Rotlichtverstößen, da gab es vor fünf Jahren noch viel mehr als heute. Die Leute werden vernünftiger."

Es gibt allerdings auch Radfahrer, die finden die Kontrollen der Polizisten alles andere als vernünftig. Einer von ihnen postiert sich am Dienstag an der U-Bahn-Haltestelle Giselastraße und warnt alle Radfahrer, dass ein paar Meter weiter die Polizei steht. "So etwas kommt immer mal wieder vor", sagt Cornils, manchmal sprechen die Polizisten dann einen Platzverweis aus. An diesem Tag packen sie ihre Sachen. Eine Stunde Kontrolle reicht erst mal.

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