Süddeutsche Zeitung

Polizei München:So wirkt der Alkohol-Bann am Hauptbahnhof

  • Seit am Hauptbahnhof ein Alkoholverbot zwischen 22 und 6 Uhr herrscht, verzeichnet die Polizei dort deutlich weniger Straftaten.
  • Auch von einem Spielplatz im Alten Botanischen Garten sind viele Wohnungslose und Alkoholabhängige abgewandert.
  • Politiker schlagen dennoch verschiedene Alternativen zu einem räumlich und zeitlich begrenzten Alkohol-Bann vor.

Von Thomas Anlauf

Nachts um halb eins liegt der Münchner Hauptbahnhof still da. Kaum ein Passant ist zu sehen, die meisten Läden haben längst geschlossen. Nur ein paar Polizisten gehen in der Gruppe an dem verschachtelten Gebäudekomplex entlang. Betrunkene und pöbelnde Kampftrinker sind um die Uhrzeit nicht mehr da. Spätestens um 22 Uhr, wenn das seit einem halben Jahr bestehende Alkoholverbot am Hauptbahnhof gilt, sind die meisten Menschen verschwunden, für die der Bahnhofsvorplatz, das große Vordach oder der südliche Eingang ein zweites Wohnzimmer waren.

Die Polizei verzeichnet "deutliche Rückgänge" bei den Straftaten rund um den Hauptbahnhof, auch die "unter dem Einfluss von Alkohol begangenen Delikte sind ebenfalls deutlich rückläufig", wie eine Polizeisprecherin mitteilt. Genaue Zahlen nennt sie nicht. Das Alkoholverbot und die starke Polizeipräsenz zeigen Wirkung. Drogendealer und Kleinkriminelle scheinen das Bahnhofsumfeld mittlerweile eher zu meiden, hat die Polizei beobachtet.

So seien auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz im ersten Halbjahr gegenüber dem Vergleichszeitraum 2016 deutlich zurückgegangen. Die Trinkerszene, die sich vor allem vor dem Haupteingang und dem Eingang zur Bayerstraße aufhielt, hat sich zumindest nachts weitgehend zurückgezogen. Das liegt sicherlich an den hohen Bußgeldern: Wer zwischen 22 und 6 Uhr am Hauptbahnhof mit Alkohol erwischt wird, muss beim ersten Mal 75 Euro zahlen, beim nächsten Mal sind es schon 100, dann 200 und 250 Euro - bis zu 1000 Euro kann der Griff zur Flasche jetzt kosten.

Und die Polizei ahndet Verstöße gegen das Alkoholverbot rigoros: Im ersten Halbjahr wurden nach Angaben des Präsidiums 727 Anzeigen erstattet, bis Ende Juni hat das Kreisverwaltungsreferat in 476 Fällen einen Bußgeldbescheid erlassen. Der Druck auf die heterogene Szene rund um den Hauptbahnhof, die nicht nur aus Trinkern, sondern auch aus Drogendealern und Konsumenten sowie Kleinkriminellen bestand, ist offenbar so groß, dass sich diese Leute nun zum Teil an anderer Stelle treffen.

So gebe es mittlerweile "Verdrängungstendenzen" vor allem ins südliche Bahnhofsviertel. Allerdings kündigt die Polizei bereits an, ihre nächtlichen Einsätze künftig verstärkt auch dorthin zu verlagern. Derzeit werde die Entwicklung näher analysiert, heißt es aus dem Präsidium. Die hohe Zahl der eingesetzten Beamten werde auf alle Fälle beibehalten. Der neue Kommunale Außendienst der Stadt, der vom kommenden Jahr an auch rund um den Bahnhof eingesetzt werden soll, wird dennoch von der Polizei begrüßt: Die zusätzlichen Ordnungskräfte dürften sich "positiv auf die subjektive Sicherheit der Bevölkerung" auswirken.

Eine positive Entwicklung sieht die Polizei auch im Alten Botanischen Garten. Zwar seien die Wohnungslosen und Trinker dort "noch nicht dauerhaft abgewandert", allerdings scheinen sich viele Mütter mit ihren Kindern nun deutlich sicherer zu fühlen. Der Spielplatz, der in den vergangenen Jahren immer weniger benutzt wurde, wird nun wieder von Familien besucht. Das Baureferat hatte im Frühjahr die Sträucher um und im Spielplatz sowie entlang der Elisenstraße deutlich ausgelichtet - das hat zur Folge, dass kaum noch Menschen dort ihre Notdurft verrichten. Als nächsten Schritt, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen, will das Baureferat unter anderem die Beleuchtung in der Grünanlage an der Elisenstraße verbessern.

Trotz der Einschätzung der Polizei, dass sich die Situation am Bahnhof verbessert hat, fordert die CSU noch schärfere Regeln. CSU-Fraktionsvize Michael Kuffer will, dass das Alkoholverbot künftig auch tagsüber gilt. Außerdem sollen seiner Meinung nach sämtliche Bereiche vom Bahnhofsgebäude bis zur Arnulf- beziehungsweise Bayerstraße so umgewidmet werden, dass der Aufenthalt dort nur noch zu Reisezwecken oder zum Einkaufen erlaubt ist.

Von der Bahn fordert Kuffer eine bessere Beleuchtung und dass Schlupfwinkel für mögliche Kriminelle geschlossen werden. Der CSU-Politiker räumt zwar ein, dass die Lage besser geworden sei, sie sei aber "von einer zufriedenstellenden Lösung weit entfernt". Insbesondere der verschachtelte Gebäudekomplex des Bahnhofs könne sich "begünstigend auf die Kriminalität" auswirken, findet Kuffer.

Alexander Miklosy sieht die Sache völlig anders. Der Vorsitzende des Bezirksausschusses Isarvorstadt-Ludwigsvorstadt glaubt, dass das "Vertreiben der Leute nichts nutzt". Er beobachtet seit Jahren, wie die Szene immer wieder von ihren Stammplätzen verdrängt werde. "Wenn die Leute nicht mehr in den Nußbaumpark dürfen, dann tauchen sie eben woanders auf", sagt Miklosy (Rosa Liste). So sind mittlerweile einige derer, die sich früher in der Grünanlage hinter der Matthäuskirche am Sendlinger Tor trafen, jetzt im Grünstreifen an der Herzog-Wilhelm-Straße anzutreffen. Das Einzige, was auf Dauer helfen würde, wäre, "dass man ihnen Hilfe anbietet". Doch das sei eine langfristige Maßnahme, sagt Miklosy, und keine, die "so hohe Wellen schlägt" wie das Alkoholverbot am Hauptbahnhof.

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SZ vom 10.08.2017/libo
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