Verurteilte Polizisten:Mängel im System

Verurteilte Polizisten: Zwei Beamte wurden in München zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie Unschuldige verfolgt und vor Gericht falsch ausgesagt hatten.

Zwei Beamte wurden in München zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie Unschuldige verfolgt und vor Gericht falsch ausgesagt hatten.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Drogenskandale, rechtsradikale Tendenzen, Falschaussagen: In München laufen Dutzende Verfahren gegen Polizisten. Dass diese akribisch geführt werden, ist wichtig. Die grundlegenden Probleme aber lassen sich nicht juristisch lösen.

Kommentar von Susi Wimmer

Ordnungshüter in Erklärungsnot, Polizisten auf der Anklagebank: Seit Anfang des Jahres ist das in München keine Ausnahme mehr. Nachdem die Soko Nightlife den größten Drogenskandal Deutschlands bei einer Polizei aufgedeckt hatte, standen Polizisten mit jedweder krimineller Ader vor Gericht: solche, die Koks im großen Stil einkauften, um die Kollegen zu versorgen, einer mit einem massiven Drogenproblem, ein Beamter mit rechtsradikalen Tendenzen - und jetzt zwei Polizisten, die laut ihren Chats Freude daran hatten, in der Nachtschicht "so richtig zu eskalieren", und "Menschen zu zerstören". Sie wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie Unschuldige verfolgt und vor Gericht falsch ausgesagt hatten.

Manch einer der Angeklagten murrte im Prozess, weil das SEK mit brachialer Gewalt um 6 Uhr früh an die Tür wummerte, andere monierten, die Ermittlungen und Maßnahmen gegen die 37 Beamten seien ja völlig überzogen gewesen. Als Zuhörerin und Bürgerin aber muss man entgegnen: Nein, das war keineswegs überzogen. Im Gegenteil: Es war gut, dass akribisch ermittelt wurde. Wer braucht Polizisten, die nach durchgemachter Nacht "völlig zugedröhnt" zum Dienst erscheinen? Oder eben jene zwei, die es "geil" fanden, Gewalt anzuwenden und sich an der Hilflosigkeit der Opfer zu erfreuen. Den Vorgesetzten schwante Übles. Aber anstatt zu reagieren, waren sie froh, dass sich einer von ihnen versetzen ließ, "dann sind wir ihn los, das ist dann nicht mehr unser Problem".

Ein Problem hat die Polizei da ganz sicherlich. Warum sind all diese Fehltritte nicht aufgefallen? Warum hat man nicht reagiert? Sind einige Ordnungshüter mit dem Stress in ihrem Job überfordert? Fakt ist, dass die Bewerberzahlen bei der Polizei rückläufig sind. Und dass die Guten, die die Aufnahmeprüfung bestehen, sich längst anderweitig in der freien Wirtschaft umgeschaut haben, ehe ihr Polizeidienst Monate später beginnen soll. Tatsache ist auch, dass in München viele junge Menschen Dienst verrichten, und sich die älteren, die etwa als Streifenpartner regulierend eingreifen könnten, wegversetzen lassen. Weil sie in ihre Heimat zurück wollen - und weil das Leben in München so teuer ist.

Vor Gericht hatte ein junger Mann einen Angriff auf einen der jetzt angeklagten Polizisten zugegeben, der gar nicht stattgefunden hatte. Weil sein Anwalt ihm dazu geraten hat: "Man wird Ihnen eh nicht glauben", sagte er. Für die Justiz sind Polizisten, die als Zeugen aussagen, wichtige Stützen in der Beweisaufnahme. Egal ob es um einen Handyverstoß am Steuer geht oder um einen Mordprozess - sie genießen einen Vertrauensvorschuss. Um so verheerender ist es auch hier, wenn sie vor Gericht lügen. Für Richter kann das nur heißen, immer ganz genau hinzuhören.

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