Verbrechensserie:Polizei sucht nach möglichen weiteren Opfern eines Pflegers

Ermittlungen gegen Pflegehilfskraft wegen Mordes

Der 36-Jährige arbeitete offenbar seit 2008 als ungelernter Altenpfleger, unter anderem in England.

(Foto: dpa)
  • Ein 36-jähriger Altenpfleger soll deutschlandweit mehrere Rentner mit Insulin vergiftet haben.
  • Ein 87-Jähriger aus Ottobrunn bei München starb, nachdem Grzegorz Stanislaw Wolsztajn ihm mehrfach das Medikament gespritzt haben soll, obwohl der Rentner kein Diabetiker war.
  • Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von einer Mordserie aus, die Polizei sucht nach möglichen weiteren Opfern.

Von Thomas Schmidt

Ein 36-jähriger Altenpfleger soll deutschlandweit in mehreren Fällen absichtlich Rentner mit Insulin vergiftet haben. Ein Pflegebedürftiger aus Ottobrunn starb, nachdem Grzegorz Stanislaw Wolsztajn ihm mehrfach das Medikament gespritzt haben soll, obwohl der 87-Jährige kein Diabetiker war. Anschließend habe er sein lebloses Opfer ausgeraubt, berichtete die Münchner Mordkommission am Dienstag.

Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von einer ganzen Serie ähnlicher Taten aus. Mindestens zwei weitere Rentner starben, während sie von Wolsztajn betreut wurden. Andere überlebten knapp, sie wurden rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht. Der Tatverdächtige wurde festgenommen und sitzt in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim in Untersuchungshaft. Die Polizei sucht nach möglichen weiteren Opfern.

Der 36-jährige Pole arbeitete bereits seit Jahren in Deutschland als ungelernte Pflegekraft. Nachdem ein Rentner aus Mülheim an der Ruhr vergangenen Sommer mit einem lebensbedrohlich niedrigen Blutzuckerwert ins Krankenhaus gebracht wurde und zwei Monate später starb, nahmen die Behörden in Nordrhein-Westfalen erste Ermittlungen auf. Auch bei diesem mutmaßlichen Opfer arbeitete Wolsztajn als Pfleger, war aber wieder verschwunden, als die Polizei mit den Nachforschungen begann, berichtet Josef Wimmer, der Leiter der Münchner Mordkommission.

Wolsztajn arbeitete weiter ungestört als Pfleger in unterschiedlichen Städten. Er half den alten Menschen im Haushalt und betreute sie, medizinische Handgriffe aber durfte er keine tätigen. Mehr als ein halbes Jahr nach dem Fall in Mülheim, wurde er schließlich am 9. Februar für eine 24-Stunden-Betreuung eines pflegebedürftigen 87-Jährigen in Ottobrunn engagiert. Nur drei Tage später, am Rosenmontag, rief er dann selbst gegen 3.40 Uhr den Notruf an. Er habe den Rentner leblos in dessen Bett gefunden, sagte er am Telefon.

Bei der Untersuchung der Leiche wurde der zuständige Arzt sofort skeptisch, berichtet Mordermittler Wimmer. Eine Obduktion wurde angeordnet. Im Institut für Rechtsmedizin entdeckten die Mediziner mehrere Einstichstellen wie von Injektionsnadeln und stellten auch hier einen extrem niedrigen Blutzuckerwert fest. Noch während der Obduktion der Leiche wurde der 36-Jährige von der Polizei vernommen. Es stellte sich heraus, dass bereits mehrfach gegen ihn ermittelt wird, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Er soll einen von ihm betreuten Rentner in Weilheim verletzt haben.

"Seitdem er in Haft sitzt, macht er keine Angaben mehr"

Die Polizeibeamten durchsuchten die Habseligkeiten des Pflegers und fanden in seiner Geldbörse zwei EC-Karten des gestorbenen Rentners, die Pin-Nummern dazu und 1210 Euro in bar. Außerdem hatte er einen Insulin-Pen dabei und mehrere Ampullen des Medikaments - nach eigenen Angaben, weil er selbst zuckerkrank sei. Die Beamten nahmen Wolsztajn fest, die Staatsanwaltschaft beantragte Haftbefehl wegen Mord und Raub mit Todesfolge. "Seitdem er in Haft sitzt, macht er keine Angaben mehr", erklärt Wimmer. Die Ermittlungen stünden am Anfang.

Der 36-jährige Pole arbeitete offenbar seit 2008 als ungelernter Altenpfleger, unter anderem in England. Seit 2012 sei er immer wieder in Deutschland engagiert worden, sagte er der Polizei. Die Beamten ermittelten bislang 20 Pflegebedürftige in Deutschland, die Wolsztajn betreut haben soll. Vier davon seien mit extrem niedrigen Blutzuckerwerten ins Krankenhaus gebracht worden.

Der Rentner aus Mülheim an der Ruhr starb in der Klinik, weitere Opfer aus Weilheim, Aresing (Oberbayern) sowie aus Waiblingen in Baden-Württemberg überlebten. Der Tod eines Rentners aus Burg in Sachsen-Anhalt könnte ebenfalls mit dem Pfleger zusammenhängen, hier ist die Todesursache laut Wimmer noch unklar. Bei all diesen mutmaßlichen Opfern wurde - nach derzeitigem Stand der Ermittlungen - nichts gestohlen.

Wolsztajn, der stets bei den Pflegebedürftigen wohnte, reiste immer sofort ab, nachdem sie schwer krank in Kliniken gebracht wurden. Das erschwerte den Polizeibehörden offenbar die Ermittlungen. Allerdings gehen die Fahnder inzwischen davon aus, dass er mindestens drei weitere Pflegebedürftige bestohlen hat, die nicht plötzlich erkrankten.

Womöglich hatten viele seiner Kunden das Glück, dass sie dem Pfleger vorzeitig kündigten. Laut Polizei war das oft der Fall. Personen, die ihn beschäftigt hatten, beschreiben dessen Verhalten als unangemessen und aggressiv, werfen ihm zudem mangelndes Engagement vor, so Wimmer.

Die Vermittlungsagenturen aus Polen und der Slowakei, über die er die Jobs bekam, wechselte der 36-Jährige oft schon nach nur einem Auftrag. Der Versuch, den Verteidiger des Verdächtigen zu den Vorwürfen zu befragen, blieb bislang ohne Erfolg.

Weil der Tatverdächtige über Jahre hinweg als Pflegekraft in Deutschland tätig war, befürchtet die Polizei, dass es noch deutlich mehr Opfer geben könnte. Deswegen habe man sich dazu entschlossen, seinen vollen Namen zu nennen und ein Foto von Wolsztajn zu veröffentlichen, erklärt Oberstaatsanwältin Anne Leiding. Es handle sich um einen "ganz besonderen Fall". Um weitere Überlebende oder Angehörige von Todesopfern ausfindig zu machen, müsse man zu diesem "letzten Mittel greifen". Die Polizei hat die Ermittlungsgruppe "EG Pen" eingerichtet. Hinweise nimmt sie unter der Nummer 089/ 2 91 00 entgegen.

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