Süddeutsche Zeitung

Polizei München:Mutmaßlicher Schütze von Unterföhring soll in den USA polizeibekannt sein

  • Der Mann, der am Dienstag im S-Bahnhof Unterföhring um sich geschossen haben soll, hat nach Medienberichten in den USA wegen verschiedener Vergehen mit der Polizei zu tun gehabt.
  • Er soll erst einen Tag vor der Schießerei aus Athen angereist sein und zunächst offenbar willkürlich auf einen Fahrgast in der S-Bahn eingeprügelt haben.
  • Wie der 37-Jährige bei der Polizeikontrolle am Bahnsteig in Unterföhring schließlich an die Waffe eines Beamten gelangen konnte, wird derzeit noch untersucht.
  • Bei der Schießerei wurden vier Personen verletzt, darunter eine Polizistin lebensgefährlich.

Von Thomas Schmidt

Der Mann, der am Dienstag im S-Bahnhof Unterföhring um sich geschossen und dabei eine Polizistin lebensgefährlich verletzt haben soll, ist offenbar auch in den USA polizeibekannt. Er soll vor Kurzem in einen Sorgerechtsstreit verwickelt gewesen sein. Die Nachrichtenseite Denver7 berichtet zudem, der 37-Jährige habe bereits mehrfach mit der Justiz zu tun gehabt wegen Alkoholmissbrauchs, Diebstahls und Körperverletzung. Auch in Deutschland beschäftigte sich die Staatsanwaltschaft schon mit ihm, nachdem er 2014 mit einer geringen Menge Cannabis erwischt worden war. Das Verfahren wurde jedoch wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Er soll US-Medienberichten zufolge aus Fort Collins stammen, einer Stadt in Colorado, wo seine Eltern einen Grill-Stand mit bayerischen Essen betreiben. Denver7 berichtet weiter, dass das Ehepaar drei Söhne habe und 1981 in die Vereinigten Staaten immigriert sei.

Die 26-jährige Polizistin, die niedergeschossen wurde, schwebt weiterhin in Lebensgefahr. Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä bezeichnet den gesundheitlichen Zustand der Beamtin am Mittwochvormittag als "sehr ernst". Nach Angaben der Polizei vom Donnerstag liegt sie derzeit im Koma. Ein Schuss aus einer Dienstwaffe hatte die Kommissarin am Kopf getroffen.

Die Eltern der in Sachsen geborenen Frau wurden schon bald nach dem Schusswechsel per Hubschrauber nach München geflogen, damit sie hier bei ihrer Tochter sein können. Sie werden psychologisch betreut.

Andrä berichtete am Mittwoch, dass der Verdächtige zwar in Bayern geboren wurde, zuletzt aber bei seinem Vater in den USA lebte und sich zum Zeitpunkt der Tat auf einer Reise durch Europa befand.

Am Abend vor der Tat landete der 37-Jährige mit einer Maschine aus Athen am Münchner Flughafen und verbrachte dort die Nacht. Am Dienstagmorgen stieg er dann um 8.03 Uhr mit einem Rucksack als Gepäck in eine S-Bahn in Richtung Innenstadt.

Drei Stationen später, am Bahnhof Ismaning, stieg ein weiterer Mann hinzu und setzte sich laut Andrä mehrere Meter entfernt auf einen freien Platz. "Völlig unvermittelt", so der Polizeipräsident, ging der 37-Jährige auf den Mann zu und "versetzte ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht". Laut Zeugenaussagen gab es zuvor keinerlei Provokation, die die Schläge erklären könnte. Stattdessen berichten Zeugen von einem "psychisch auffälligen Verhalten" des Täters. So soll er beispielsweise vor dem Angriff Selbstgespräche auf Englisch geführt haben.

Mehrere Fahrgäste kamen dem im Gesicht blutenden Opfer zu Hilfe und zogen den Mann von seinem Angreifer weg. Als die S-Bahn in Unterföhring planmäßig hielt, stiegen alle Beteiligten aus. Auch der Täter verließ die Bahn freiwillig, berichtet Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins. Inzwischen war dort auch eine Streife der Polizeiinspektion Ismaning eingetroffen, weil Zeugen einen Notruf abgesetzt hatten.

Die 26-jährige Polizistin und ihr 30-jähriger Streifenpartner kontrollierten den Täter am Bahnsteig. Minutenlang, so berichtet es der Polizeipräsident, sei die Situation "völlig harmlos" gewesen. Dann, ebenso unvermittelt wie zuvor, griff der 37-Jährige die beiden Beamten an. Zu diesem Zeitpunkt hielt der 30-jährige Polizist lediglich einen Stift und einen Notizblock in den Händen.

Es folgte ein "heftiger Kampf", so Andrä, bei dem es dem Täter gelang, dem Beamten die Dienstwaffe zu entreißen. Dann feuerte der 37-Jährige demnach das achtschüssige Magazin leer, traf die Polizistin am Kopf und zwei Unbeteiligte am Arm und am Bein. Er selbst wurde von einem Schuss am Gesäß verletzt und konnte kurz darauf festgenommen werden.

Bislang ist die Polizei davon ausgegangen, dass der Täter die Waffe aus dem Holster des Beamten gezogen hat. Ob das wirklich stimmt, ist aber noch Gegenstand der Ermittlungen. Am Mittwoch erklärt Andrä, er habe sich die Videos vom Bahnsteig mehrmals angesehen. Auf den Bildern sei nicht eindeutig zu erkennen, ob der Täter die Pistole aus dem Holster, oder womöglich doch aus der Hand des Polizisten gerissen hat, der die Waffe im Eifer des Gefechts gezogen haben könnte. Auch die exakte Reihenfolge der Schüsse müsse noch rekonstruiert werden. Dafür setze die Spurensicherung unter anderem eine 3-D-Kamera des Landeskriminalamts ein.

Gegen den mutmaßlichen Täter wurde inzwischen ein Unterbringungsbefehl in der Psychiatrie erlassen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm versuchten Mord zur Last. Laut Andrä äußert sich der 37-Jährige bislang nicht zu der Tat. Ein Gutachten soll klären, ob der Schütze psychisch krank ist. Ob er in den USA gelernt hat, mit Waffen umzugehen, sei ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen. Eine telefonische Befragung des Vaters habe "weitere Ermittlungsansätze" ergeben, die Andrä aber nicht verraten will, um Zeugen nicht zu beeinflussen.

Die Kollegen der Polizistin würden nun durch den Zentralen Psychologischen Dienst der bayerischen Polizei sowie durch Polizeigeistliche betreut, erklärt Andrä. Dienstagnacht hätten Streifen aus anderen Inspektionen in Ismaning ausgeholfen. "Die Inspektion bekommt jegliche Unterstützung, die sie benötigt", betont Andrä.

Der Tag der offenen Tür des Münchner Präsidiums, der eigentlich am Samstag stattfinden sollte, wurde abgesagt.

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