Polizei fasst mutmaßlichen Stalker:Vertrauter Feind

Monatelang lebte eine 17-Jährige aus Ismaning in Angst vor einem Stalker, jetzt hat die Polizei ihn gefasst. Es ist der ehemalige Ausbilder des Mädchens. Das Opfer hatte dem Täter ahnungslos von den Attacken erzählt - er gab sich selbst als Verfolgter aus.

Anna Günther

Monatelang lebte eine Ismaninger Jugendliche in Angst vor einem Stalker. Sie erhielt Drohungen und wagte sich nicht alleine aus dem Haus. Die 17-Jährige sprach nur noch mit ihrer Familie und wenigen Vertrauten - auch mit ihrem mutmaßlichen Stalker. Die Kriminalpolizei hat den 43-jährigen Buchhalter am Mittwoch festgenommen, derzeit sitzt er in Untersuchungshaft.

Die Anschuldigungen hat der ledige Münchner eingeräumt, zum Motiv hat er sich noch nicht geäußert, wie die Staatsanwaltschaft München I am Freitag der Süddeutschen Zeitung bestätigte. Die Ermittler glauben nicht, dass er die Jugendliche aus verschmähter Liebe quälte. Er schrieb ihr seit Mai bedrohliche Nachrichten, in der vergangenen Woche gab der Beschuldigte unter falschem Namen in dieser Zeitung eine Todesanzeige für die junge Frau auf. Am Sonntag drohte er ihr sogar mit dem Tod.

Der mutmaßliche Stalker war ihr Ausbilder, hatte aber kürzlich den Arbeitsplatz gewechselt. Die 17-Jährige hatte auch während der vergangenen Monate den Kontakt gehalten und ihn sogar über die Nachrichten ihres Verfolgers informiert. "Ich wusste schon, dass sie ihm schreibt, aber er gab vor, selber Stalkingopfer zu sein. Wir sahen ihn als Leidensgenossen", sagt der Vater des Opfers der SZ.

Die Familie habe zu keiner Zeit daran gedacht, dass ausgerechnet dieser Mann dahinterstecken könnte. "Wir hatten zu niemandem mehr Vertrauen, ließen kaum noch Menschen ins Haus, aber an ihn dachten wir nicht", betont der Ismaninger. Die Familie habe sogar geglaubt, dass das Haus abgehört werde, weil Interna in den Droh-SMS auftauchten, die nur im kleinsten Kreis besprochen worden waren. Die 17-Jährige traute sich nur noch in Begleitung aus dem Haus, sogar am Sportplatz waren ihre Eltern dabei.

Die Ungewissheit sei zwar vorüber, doch die Aufarbeitung werde noch viel Kraft kosten, sagt der Vater. Er wisse nicht, wie vertraut seine Tochter mit ihrem früheren Ausbilder gewesen sei. "Das werden wir besprechen, wenn der Alltag einkehrt." Seine Frau und seine Tochter befinden sich derzeit in ärztlicher Behandlung. "Die werden wir auch noch länger brauchen", die emotionale Belastung sei einfach zu groß gewesen.

Von den Ermittlungen erhofft sich der Vater vor allem Antworten: Neben dem Motiv für die Quälereien interessiert die Familie auch das Wie. Der Beschuldigte hatte am Sonntag der Mutter per SMS mit dem Tod des Mädchens gedroht und dann das Handy der Frau "lahmgelegt". Dem mutmaßlichen Stalker droht das schärfere Strafmaß von bis zu fünf Jahren Haft, weil er die junge Frau gesundheitlich schwer geschädigt hat. Üblicherweise wird die Nachstellung einer Person mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet.

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