Süddeutsche Zeitung

Politische Debatten:Kunst ist schön, kostet aber Geld und Nerven

Im Kulturausschuss gibt es nur selten Streit zwischen den Parteien. Wenn doch, geht es um Personalien, Raumzuweisungen und das Verhältnis zum Freistaat

Von Susanne Hermanski

Blickt man auf die Münchner Stadtratsbeschlüsse in Sachen Kultur, entsteht der Eindruck, es herrsche ausschließlich Friede, Freude, Eierkuchen zwischen den Parteien. Solange Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD) die Geschäfte führte (bis Sommer 2019), gab es fast nur Abstimmungsergebnisse, die mit ähnlich überwältigenden Mehrheiten getroffen worden sind, wie dereinst in der Volkskammer der DDR. Auch unter seinem Nachfolger, Anton Biebl, angetreten ohne Parteizugehörigkeit, setzt sich diese Tradition fort. Trotzdem gibt es Verwerfungen zwischen den Parteien bei Kunst- und Kulturthemen, die dann umso auffälliger verhandelt werden.

Besonders eklatant war etwa die Reaktion der CSU-Fraktion auf die Arbeit Matthias Lilienthals als Intendant an den Münchner Kammerspielen. War der Berliner 2013 auf Vorschlag von Küppers noch - natürlich - einstimmig zum Nachfolger von Johan Simons ernannt worden, regte sich schon kurz nach seinem Start 2015 Unmut über sein Programm. So mancher Münchner fremdelte mit seinem Konzept, sein Jugendstiljuwel zum Labor für das urbane Miteinander verwandelt zu sehen. Besonders die CSU übte Kritik an den mäßigen Auslastungszahlen des Hauses. Als Matthias Lilienthal und Christian Stückl, der Intendant des Volkstheaters, der anderen großen kommunalen Bühne, dann 2018 an einer Demonstration gegen die Asylpolitik der CSU teilnehmen wollten, stellte die CSU einen Antrag, der ihnen dies als städtische Angestellte verbieten wollte. Die Partei scheiterte zwar damit, doch als die CSU-Fraktion Anfang 2018 ankündigte, einer möglichen Vertragsverlängerung nicht zuzustimmen, gab Lilienthal selbst seinen Rückzug aus München im Sommer 2020 bekannt. Denn klar war: Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat wäre eine Verlängerung für ihn wohl aussichtslos gewesen.

Ein weiterer städtischer Angestellter der besondern Art ist der Chef der Münchner Philharmoniker Valery Gergiev. Er beschert München nicht nur musikalisches Niveau von Welt, sondern durch seine Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin auch transnational importierten Ärger. Etwa weil er sich nicht aus eigenen Stücken von schwulenfeindlicher Propaganda absetzt, die in seiner Heimat betrieben wird.

Im übrigen gilt im kulturpolitischen München erschreckend oft ein Kleinklein. Einzelne Stadträte engagieren sich für einzelne Projekte, die in ihrem Stimmkreis liegen, aber keiner lässt sich als flammender Kämpfer etwa für eines der Großprojekte ausmachen. Besondere Würze erhalten Kulturthemen, wenn sie München als Stadt und als Landeshauptstadt des Freistaats gleichermaßen betreffen. Dann stehen sich SPD und CSU, die im Stadtrat koalieren, doch als Pole gegenüber. In Personen gesprochen: Oberbürgermeister Reiter versus Ministerpräsident Söder, Rot gegen Schwarz, die sich einfach nicht grün sind. Trotzdem müssen sie einige gemeinsame Marken vertreten. Etwa das "Kunstareal", das international strahlen soll (wie die Museumsinsel zu Berlin) und in dem Pinakotheken, die Hochschule für Film und Fernsehen, das Ägyptische Museum, die Musikhochschule, das NS-Dokuzentrum und das Zentralinstitut für Kunstgeschichte dicht an dicht liegen, aber dennoch durch Autokolonnen wie durch tiefe Gräben getrennt sind. Für die Verkehrsführung ist die Stadt verantwortlich, und für das Areal entwirft sie immer neue, halbherzige Verkehrskonzepte, um sie nach Jahren, kurz vor der Umsetzung, dann doch wieder über den Haufen zu werfen.

Ein anderes Beispiel für das Ringen Reiter contra Söder liefert das gemeinsam finanzierte Filmfest. Es braucht für die Zeit der Gasteig-Sanierung ein anderes Festivalzentrum. Dafür im Gespräch ist eine temporäre Zeltstadt auf dem Königsplatz (ebenfalls im Kunstareal gelegen und häufig für Open-Air-Veranstaltungen genutzt). Trotzdem tut die Stadt sich schwer mit einem Ja - die Lokalbaukommission zieht nicht.

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SZ vom 12.02.2020
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