Süddeutsche Zeitung

Politiker-Reaktion auf Manchester-Attentat:Nach einem Anschlag geht das öffentliche Leben nicht einfach weiter

Es ist richtig, dass Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer ihren gemeinsamen Wahlkampf-Auftritt abgesagt haben. Sie lassen sich dabei nicht von Angst leiten, sondern handeln aus Respekt.

Kommentar von Nico Fried

Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Muss eine Bundeskanzlerin wegen eines Terroranschlags in England wirklich eine Wahlkampfrede im bayerischen Bierzelt absagen? Sie muss nicht, aber es ist besser, wenn sie es tut. Angela Merkel und auch Horst Seehofer haben richtig entschieden, den gemeinsamen Auftritt in Trudering zu verschieben. Sie haben dabei in erster Linie als Kanzlerin und Ministerpräsident gehandelt. Sie repräsentieren in diesen Ämtern Deutschland und den Freistaat Bayern. Und sie demonstrieren mit dem Verzicht auf die Veranstaltung, dass zumindest das öffentliche Leben hierzulande an einem solchen Tag nicht einfach weitergeht.

Nun kann man einwenden, dass sie damit das Kalkül der Terroristen bestätigen. Merkel und Seehofer dürften selbst über dieses Argument nachgedacht haben. Denn das ist ja die Hoffnung der Attentäter und ihrer ideologischen Hintermänner: Dass die Menschen in den westlichen Staaten ihren Alltag beeinträchtigen lassen, auch den politischen Alltag, zu dem in einer liberalen Demokratie auch der Auftritt im Bierzelt gehört.

Aber so ist es ja nicht. Die Verschiebung ist nicht von Angst gesteuert. Sie wurde nicht getroffen, um den Terroristen auszuweichen. Merkel und Seehofer haben so entschieden aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen. Richtig ist, dass das den Betroffenen in ihrem Schmerz gar nichts hilft. Die Verletzten und Hinterbliebenen bekommen es vermutlich nicht mit, und es interessiert sie auch nicht.

Aber der Terror hat schon längst seine nationale Dimension verloren. Ein Anschlag in England ist genau so wie ein Anschlag in Paris, Nizza, London oder Berlin ein Attentat auf Europa, sein Lebensgefühl und seine Werte. Manchester, das ist auch ein Synonym für Emotionen, für berühmte Bands, für fantastische Fußballvereine. An der Freude darüber haben auch viele Deutsche in den vergangenen Jahrzehnten teilgehabt. Dann aber gehört es auch dazu, dass Menschen, denen danach ist, auch die Trauer teilen. Und weil das viele Menschen sein dürften, ist es gut, wenn die Politik entsprechende Zeichen setzt.

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SZ vom 24.05.2017/imei
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