Politik in München:Soll die CSU weltoffen sein oder für Abschottung stehen?

July 14 2018 Munich Bavaria Germany L R Josef Schmid Burgermeister Junion Mayor center T

Die Münchner CSU sei anders, sagt Bürgermeister Josef Schmid, der am Samstag wieder beim Christopher Street Day mitgelaufen ist (links).

(Foto: Sachelle Babbar)

Diese Frage treibt die Christsozialen um, ganz besonders in München, wo sie sich gerne als Großstadtpartei geben. So antworten Politikerinnen und Politiker der Stadt darauf.

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

Die CSU in München sei anders, sagt jedenfalls Bürgermeister Josef Schmid seit vielen Jahren. Seine Fraktion im Rathaus hat sich deshalb sogar einen neuen Namen gegeben, sie nennt sich auf ihrer Internetseite "Die Christlich-Soziale und liberale Großstadtpartei". Schmid selbst besucht seit Jahren den Christopher-Street-Day, auch diesen Samstag, als sich der Zorn so mancher Teilnehmer über die Politik der CSU speziell in den vergangenen Wochen entlud.

Von außen hagelt es Kritik, doch wie sieht es im Inneren der selbsternannten liberalen Münchner CSU aus? Gilt das Programm der liberalen Großstadtpartei noch in Zeiten, in denen Bundesinnenminister Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder die CSU weit rechts positionieren? Die Süddeutsche Zeitung hat nachgeforscht bei Münchner Abgeordneten im Bund und im Land, bei Stadträten, Kreis- und Ortsvorsitzenden. Ein Stimmungsbild in Zitaten, es beginnt mit der Frage, ob der Asylkurs auch in München Anklang findet und mit dem Wesen einer liberalen Großstadtpartei kompatibel ist.

Günther Westner, Vorsitzender des Ortsverbands Maxvorstadt-Königsplatz": Die CSU schafft Ordnung im Flüchtlingschaos und setzt das geltende Recht durch. Das ist dringend geboten, damit die Bürger wieder Vertrauen in den Staat gewinnen und Parteien wie die AfD zurückgedrängt werden. Liberale Großstadtpartei heißt für mich nicht, dass wir Armutsflüchtlinge aus aller Welt aufnehmen, Straftäter und Terroristen nicht konsequent verfolgen und unsere eigene Kultur aufgeben."

Richard Quaas, Stadtrat: "90 Prozent des Kurses der Partei trage ich voll mit, ein Dissens besteht bei mir hauptsächlich in der Bewertung der Flüchtlingsfrage, die ich aus einem anderen Blickwinkel sehe, der mehr an den Grundlagen des Christentums beziehungsweise aller großen Weltreligionen, also an Menschlichkeit orientiert ist, ohne zu verkennen, dass unser Land und Europa Lösungen jenseits unserer Grenzen und unseres direkten Einflusses brauchen, auch um den inneren Frieden nicht zu zerstören."

Fabian Ewald, Vorsitzender des Ortsverbands Berg am Laim: "Nur wenn die CSU ihr Profil als christlich-konservative Kraft stärkt, die für Ordnung, Sicherheit und die zeitgemäße Bewahrung unserer christlich-abendländischen Identität eintritt, wird sie langfristig nicht in der Beliebigkeit verschwinden."

Michael Kuffer, Bundestagsabgeordneter: "Die Haltung der CSU in Asylfragen ist keine Frage der Liberalität. Im Gegenteil: Sie sorgt dafür, dass die Liberalität nicht ausgenützt wird. Man kann nicht helfen, wenn man die Grenzen der Hilfsmöglichkeiten überschreitet."

Evelyne Menges, Stadträtin: "Es gibt Leute, die zu Recht Asyl in Deutschland bekommen. Und es gibt Leute, die sich - das kann ja jeder nachvollziehen - einen höheren Lebensstandard wünschen. Das ist aber kein Asylgrund, und das ist das Problem. Es gibt sehr viele Menschen, denen es nicht gut geht, aber unsere Aufnahmekapazität ist endlich. Daher stellt sich die Frage, ob man diese Fälle nicht durch ein Zuwanderungsgesetz in ein geordnetes Verfahren bringen kann. Man muss stets die Menschlichkeit und Barmherzigkeit wahren."

Frieder Vogelsgesang, Stadtrat: "Als Volkspartei muss die CSU es aushalten, dass es in verschiedenen Fragen auch innerparteilich unterschiedliche Auffassungen gibt, die es zu diskutieren gilt. Ich gehe nicht immer mit den Aussagen konform, die unsere Führungsspitze von sich gibt. Das Thema der Zuwanderung wurde zuletzt unglücklich in den Vordergrund gestellt, da es durchaus Themen gibt, die die Bürgerschaft zumindest ebenso beschäftigen, vom Wohnungsbau bis hin zur Rentensituation."

"Es gibt Bemerkungen, die bei mir nachgerade Depressionen auslösen"

Nicht nur der erbitterte inhaltliche Streit zwischen CDU und CSU hat die vergangenen Wochen politisch geprägt, sondern auch die Art der Auseinandersetzung: die Rücktrittsdrohung Seehofers und seine Äußerungen über die Kanzlerin, der von vielen als zynisch empfundene Scherz von Bundesinnenminister Seehofer über die 69 nach Afghanistan abgeschobenen Flüchtlinge an seinem 69. Geburtstag. Oder die Aufnahme des Begriffs "Asyltourismus" in den Parteiwortschatz durch Ministerpräsident Söder persönlich sowie dessen scharfe Kehre, nach der er nun für guten politischen Stil wirbt.

Marian Offman, Stadtrat: "Es gibt Bemerkungen, die bei mir nachgerade Depressionen auslösen. Diese Tonalität redet die großen Leistungen klein, welche der Freistaat bei der Integration von Geflüchteten vorzuweisen hat."

Hans Podiuk, Stadtrat: "Ob man so einen Scherz in der Öffentlichkeit machen soll? Das hat mich sehr erstaunt, dass einem Profi so etwas passiert."

Hans Theiss, Stadtrat und Landtagskandidat im Zentrum: "Mit einigen Begrifflichkeiten von CSU-Seite - vor allem auf Bundesebene - bin ich in den letzten Wochen auch nicht ganz glücklich gewesen. Das betrifft vor allem Fragen des politischen Stils. Inhaltlich unterstütze ich weitgehend den Kurs der CSU in der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik. Ich finde insgesamt, dass die politische Debattenkultur momentan überhitzt ist. Das betrifft alle Seiten. Man sollte denjenigen Demokraten, die unterschiedliche Standpunkte haben - beispielsweise in der Flüchtlings- oder Sicherheitspolitik -, schon mit dem Respekt begegnen, den man selbst für sich einfordert. Toleranz ist keine Einbahnstraße."

Die CSU unter Bürgermeister Schmid hat sich auch deshalb zur liberalen Großstadtpartei erklärt, weil sie dadurch in der Stadt breitere Wählerschichten ansprechen wollte. Nimmt man die Kommunalwahl 2014 als Beleg, trug die Idee Früchte. Die CSU zog als stärkte Fraktion in den Stadtrat ein, Schmid erreichte ein respektables Ergebnis als OB-Kandidat. Doch wie wirkt sich die harte Linie der CSU-Spitze auf die kommenden und zukunftsweisenden Wahlen in München aus, etwa die Landtagswahl im Oktober und die Kommunalwahl 2020?

Maximilian Bauer, Ortsvorsitzender in der Lerchenau: "Das gemäßigte linke Lager wird aufgrund der Wohlstandsverluste keine Mehrheiten bekommen. Das CSU-Lager wird verdammt und nicht gewählt, weil die notwendigen Maßnahmen unpopulär sind. Bleibt die AfD. Die ist einfach zu wählen, da kann jeder seinen Frust ablassen, in der Hoffnung, dass die eh nicht regieren werden. Wir kehren zurück in die späte Zeit der Weimarer Republik. Die desaströsen Folgen kennen wir ja."

Armin Gastl, Ortsvorsitzender der CSU München Altstadt: "Die CSU rüttelt die Bevölkerung mit den Themen auf, welche die Allgemeinheit auf Bundesebene beschäftigen. Eines der Kernthemen konnte Seehofer erst in seiner relativ frischen Position als Innenminister aufgreifen. Die Bürger sind mit den medialen Botschaften dazu aktuell übersättigt. Dennoch wird es nach einem möglichen Dämpfer für die CSU wieder aufwärts gehen, denn die unnötig, vor allem von Berlin ausgehenden Probleme werden uns langfristig beschäftigen. Daher ist es gut, wenn die CSU ihrer Linie treu bleibt."

Josef Schmid, Bürgermeister: "Die nächsten drei Monate müssen wir nun in angemessenem Ton über Sachprobleme reden, die zum Beispiel die Pflege, die Familien, die innere Sicherheit oder die Bildung betreffen."

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