Süddeutsche Zeitung

Politik in Hadern:Grün-rote Einigkeit

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Renate Unterberg, bisher Fraktionssprecherin der Ökopartei, wird mit den Stimmen der SPD zur Vorsitzenden des Bezirksausschusses gewählt. Die CSU verzichtet auf einen Gegenkandidaten und will konstruktiv mitarbeiten

Von Berthold Neff, Hadern

Das Abstandsgebot war am Montagabend im Alten Rathaus zwar für alle gültig, die zur konstituierenden Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Hadern gekommen waren - Grüne und SPD hingegen haben es, im politisch-übertragenen Sinne, einfach ignoriert. Sie wählten die bisherige Grünen-Fraktionssprecherin Renate Unterberg zur neuen BA-Vorsitzenden. Die 62-jährige promovierte Sprachheiltherapeutin kam auf 15 Stimmen, drei mehr als erforderlich. Der Haderner BA hat 23 Mitglieder, Grüne (sieben Sitze) und SPD (fünf Sitze) wären rein rechnerisch auch alleine auf die erforderliche Mehrheit von zwölf Stimmen gekommen.

Die CSU, die seit 1996 durchgehend den BA-Vorsitz innehatte, verzichtete angesichts der grün-roten Einigung auf eine Gegenkandidatur. Die neue CSU-Fraktionssprecherin Gabriele Radeck gab vor der Wahl eine Erklärung ab. Ihre Partei sei zwar bei der Kommunalwahl stärkste Fraktion geworden, habe aber Sitze verloren und deshalb beschlossen, "in die Opposition zu gehen", zumal sich Grüne und SPD entschieden hätten - dem Muster aus dem Rathaus folgend - ein Bündnis einzugehen. Dem Vernehmen nach wäre die CSU bereit gewesen, mit den Sozialdemokraten ein Bündnis zu schließen und Irmgard Hofmann (SPD) zur BA-Vorsitzenden zu wählen. Darauf ließ sich die SPD aber nicht ein und signalisierte frühzeitig, man werde lieber mit den Grünen zusammengehen.

Irmgard Hofmann, die für die SPD auch dem Bezirkstag von Oberbayern angehört, erhielt bei ihrer Kandidatur zur ersten stellvertretenden BA-Vorsitzenden 21 Stimmen, Gabriele Radeck kam für die Position der zweiten Stellvertreterin auf 22 Stimmen. Sie hatte zuvor angekündigt, dass die CSU auch aus ihrer neuen Rolle heraus konstruktiv mitarbeiten wolle. Ihre Doppelrolle, bei der CSU als Fraktionssprecherin und in der BA-Führung als Stellvertreterin zu agieren, bewog die SPD zu einem Stirnrunzeln und zu einer kurzen Nachfrage bei den Mitarbeiterinnen des Direktoriums, aber diese Ämterhäufung ist nicht verboten.

Einige in der CSU sehen es durchaus kritisch, dass die 55-jährige Wirtschaftsingenieurin, die beim katholischen Medienhaus Sankt Michaelsbund arbeitet, erst seit Kurzem in der Haderner CSU aktiv ist und trotzdem eine so steile Karriere hinlegt. "Offenbar traut sie sich die Doppelfunktion zu", hieß es am Rande der Sitzung lapidar. Matthias Stadler, der sie für die BA-Führungsriege vorschlug, hatte bereits zuvor zu erkennen gegeben, dass er es nicht anstrebe, Nachfolger seines Vaters Johann Stadler als BA-Chef zu werden. Er wolle sich auf sein Stadtratsmandat konzentrieren. Durch die CSU-Rochade verlor der bisherige Fraktionssprecher Peter Winklmeier, der dem BA seit 1996 angehört, seinen Posten. Seine Position als Vorsitzender des Unterausschusses (UA) Mobilität behält der 51-jährige Polizist jedoch.

Die Vorsitzposten in den anderen fünf Unterausschüssen gingen alle an das grün-rote Bündnis. Drei sicherten sich die Grünen. Sabine Wenng leitet den UA Bau, Wohnen, Baumschutz, Martin Kreidl den UA Klima, Umwelt, Region. Der Student Christoph Unterberg, Sohn der BA-Vorsitzenden, übernimmt den Vorsitz im UA Jugend, Sport, Spielflächen. Für die SPD kamen zwei Frauen zum Zug. Die 37-jährige Internatserzieherin Isabella Fiorentino-Wall, die zugleich die neue SPD-Fraktionssprecherin ist, leitet den UA Bildung, Schule, Kitas. Derya Bozaba-Bayliz übernimmt den Vorsitz im UA Soziales, Kultur, Inklusion.

Über das einzige einstimmige Votum des langen Abends - die Sitzung dauerte von 19.30 Uhr bis 23.30 Uhr - konnte sich Christine Miller (FW/ÖDP) freuen, die mit allen 23 Stimmen zur Kassiererin gewählt wurde. Offenbar trauten es alle der Diplom-Mathematikerin zu, rechnen zu können. Robert Klein (FDP) erhielt von SPD und Grünen je einen Sitz in den Unterausschüssen und gehört - ohne Stimmrecht - auch dem BA-Vorstand an. Für den Fall, dass die Einschränkungen wegen Corona noch länger gelten, wurde am Schluss der Sitzung ein Sonderausschuss mit sieben Mitgliedern beschlossen, der anstatt des Plenums tagen kann. Renate Unterberg erhielt als Vorsitzende dieses Gremiums 16 Stimmen, eine mehr als zu Beginn.

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Quelle:
SZ vom 13.05.2020
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