Polina Lapkovskaja alias Pollyester:Parkplatz für die Gang

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"Wir in der Maximiliansstraße. Absurd": Ohne das Multitalent Polina Lapkovskaja alias Pollyester geht im Münchner Nachtleben nichts mehr. Jetzt bespielt sie das Maximiliansforum.

Sebastian Gierke

"Die Katastrophe" war binnen acht Stunden gebannt. Autos werden doch Bestandteil der Rauminstallation "Pollyester Parking Lot" sein. Erst kurz vor der Eröffnung hatte sich herausgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, vier Autos zu organisieren: "Wir dachten, wir gehen zum Schrottplatz und holen uns die Karren", erzählt Polina Lapkovskaja.

Doch zum Verschrotten vorgesehene Autos dürfen nicht herausgeben werden, auch nicht an Künstler im Auftrag der Stadt. "Jetzt haben wir welche gekauft, im Internet." Innerhalb von acht Stunden.

Mit dieser kleinen Geschichte ist bereits eine Menge darüber erzählt, wie die 26-Jährige, die sich Pollyester oder Polly nennt, arbeitet: Chaotisch, aber nur, weil es sein muss; gut organisiert, immer dann, wenn es sein muss. Dazu hat sie sich eine gewisse Arglosigkeit bewahrt - und macht einfach. Damit ist sie in den vergangenen Jahren zu einer der wichtigsten Kulturschaffenden Münchens geworden. Nicht, weil sie es wollte. Sondern weil es in München nicht viele gibt wie sie.

Aufgewachsen im weißrussischen Minsk, ist Pollyester nach München gekommen, um am Richard-Strauss-Konservatorium Jazz zu studieren. "Ich hatte aber schon immer Schwierigkeiten damit, mich auf eine Sache festzulegen, wollte einfach nicht nur Jazzmusikerin sein." So brach sie das Studium nach zwei Jahren ab und begann damit, einfach zu machen.

Während sie spricht, zeichnet sie mit einem Bleistift ein Muster auf ein Blatt Papier. Trotzdem beobachtet sie ihr Gegenüber genau. Man spürt Ruhelosigkeit. Sie muss kurz überlegen, wenn man sie fragt, in wie vielen Bands sie im Moment aktiv ist. Es sind vier, fünf oder sechs. Schwer zu sagen. Immer entsteht gerade etwas Neues, etwas anderes wird aufgegeben oder auf Eis gelegt.

Bei Kammerakino und Munk spielt sie Bass, sie hat das Duo Pollyester gegründet und die Koshka Valerianka Phantom Band, wurde von Salewski für die Live-Band rekrutiert. Sie ist Theater- und Hörspielmusikerin. Und sie hat mit der "Zombocombo" eine legendäre Partykunstreihe ins Leben gerufen, die heimatlos geworden ist, nachdem die Registratur schließen musste.

Das aktuellste Projekt ist jetzt das "Parking Lot". Pollyester klingt immer noch überrascht: "Irgendwie sind wir scheinbar wichtig geworden. Plötzlich sagt die Stadt: Macht doch mal." Eine solche Möglichkeit lässt sie sich nicht entgehen.

Für zwei Monate bespielt sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten Emanuel Günther, besser bekannt als Mooner, DJ und Labelbetreiber, das Maximiliansforum, die Fußgängerunterführung an der Kreuzung Maximilianstraße/Altstadtring. Sie staunt: "Wir in der Maximiliansstraße. Absurd."

Immer ist da dieses "Wir", wenn Pollyester über ihre Projekte spricht. "Dahinter steht die Idee der Gang", sagt sie über "Parking Lot". Doch diese Idee steckt hinter allem, was sie macht. In München ist eine Gang am Werk, ein Netz von Menschen, von Machern, und einer der wichtigsten Knotenpunkte ist Pollyester, Knotenpunkt zwischen Bands, Labels, Veranstaltern. "Ich brauche Power, und diese Power ist die Gemeinschaft, die Gang; das, was zwischen den Eingeweihten passiert. Das macht es aus.

Das Produkt ist dann fast zweitrangig." Dieses lose Kollektiv ist nicht zuletzt so kreativ, weil es so heterogen ist, jeder sich auf eine andere Art und Weise auf das Gemeinsame bezieht. Auch deshalb ist schwer zu definieren, was das Gemeinsame ist. "Ich sehne mich nach etwas total Mystifiziertem. Weil alles so offen und nackt ist, so auf links gedreht, möchte ich das Geheimnis kultivieren", erklärt Pollyester.

Die prinzipielle Offenheit ist es auch, die "Pollyester Parking Lot" ausmachen soll. Sechs Veranstaltungen - zwischen Musik, Performance und Bildender Kunst - sind geplant. Ihre neue Single "German Love Letter" wird am ersten Abend präsentiert, später die Compilation "Super Motion Disco", es gibt eine Schallplatten-Cover-Ausstellung, eine Videoinstallation, zwei Mal feiert die Zombocombo (Mottos: Orient Bazar und Roller Derby).

Das Hörspiel "Botox Dinner" von Björn Bicker wird am Sendetag ins "Parking Lot" übertragen. Natürlich nicht einfach so, Pollyester überlegt noch. "Ich würde gerne einen Tisch hinstellen und etwas zu Essen servieren, während die dort von ihren blutigen Schönheitsoperationen erzählen. Vielleicht Fingernudeln." Und sonst? "Ich bin offen für alles, was daraus wird, das liegt nicht in unserer Hand."

Es wird jedoch immer mehr sein als einfach nur eine Party. Es geht darum, einen Platz zu besetzen, wie es auch in dem Video zu sehen ist, das am ersten Abend präsentiert wird: ein unwirklicher Ort im Schnee. Wenn Menschen dort zu tanzen beginnen, wird er zur Manege, zum Club, zum Versammlungsort für die Gang. Diese Außerweltlichkeit soll auch in die Unterführung einziehen. "Es ist eine Rauminstallation, und ich glaube man kann diesen Titel schon ernst nehmen. Wir parken uns dahin, so ist das gemeint. Und spurlos haben wir uns noch nie breitgemacht."

13. März bis 9. Mai, Programm unter www.maximiliansforum.de

© SZ vom 12.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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