Pokemon Go:"Das häufigste Problem ist das Stolpern"

Pokemon Go: Mit einem Smartphone und der dazugehörigen App bewaffnet ziehen die Spieler durch die Stadt.

Mit einem Smartphone und der dazugehörigen App bewaffnet ziehen die Spieler durch die Stadt.

(Foto: Catherina Hess)

Der Hype um Pokemon Go ist längst vorbei, das aber hält wahre Fans nicht ab. In München gehen Tausende mit dem Smartphone auf Monsterjagd. Ein Hotspot: Pasing.

Von Linus Freymark

Pasing ist ein guter Ort, findet Alex Damm. "Das hier ist ein relativ toller Platz", sagt er und erklärt auch gleich, warum: Viele andere Spieler, viele Pokestops, und in den Arcaden gibt es Steckdosen, an denen man sein Handy aufladen kann.

Für Alex Damm ist das an diesem Tag besonders wichtig: Er hat vergessen, seine Powerbank aufzuladen, die er eigentlich überallhin mitnimmt, im Normalfall natürlich voll. Pokemon Go verbraucht viel Akku, ohne die Steckdosen im Einkaufszentrum wäre es mit dem Spielen wohl in einer Stunde vorbei. Das wäre ärgerlich, denn Alex Damm, 26, und seine Freundin Elena Tost, 20, sind extra vom Starnberger See nach Pasing gefahren.

Es ist einer dieser schönen Frühlingssamstage, und obwohl nicht mehr ganz so viele Menschen Pokemon Go spielen wie während des großen Hypes vor drei Jahren, sind Alex Damm und Elena Tost bei Weitem nicht die einzigen, die vor den Arcaden stehen, auf ihr Smartphone starren und ihre Displays mit der Hand gegen die grelle Sonne abschirmen.

Es gibt inzwischen unzählige Weiterentwicklungen und Extrafunktionen von Pokemon Go, aber im Kern funktioniert das Spiel immer noch so: Mit einem Smartphone und der dazugehörigen App bewaffnet ziehen die Spieler durch die Stadt, zur Orientierung dient ihnen eine Landkarte auf dem Smartphone. Je nachdem, wo man sich gerade befindet, erscheinen in der App animierte Pokemon, die man fangen und trainieren kann, und mit denen man gegen andere Spieler in Arenen antritt.

Um die gefangenen Pokemon schneller weiterzuentwickeln, kann man an sogenannten Pokestops fiktive Gegenstände sammeln, um seine Pokemon für die virtuellen Kämpfe aufzurüsten. Man bewegt sich also zwar in der realen Welt, das Spielgeschehen findet jedoch ausschließlich im Netz statt. "Augmented Reality" nennt sich dieses Prinzip, durch das virtuelle Fiktion und Realität miteinander verknüpft werden. Ein wirkliches Ende hat Pokemon Go nicht, theoretisch könnte man unendlich lang spielen.

Alex Damm und Elena Tost sind um die Ecke der Pasing Arcaden gezogen. In den Schatten, da sieht man das Display besser. Stolz zeigt der 26-Jährige sein Inventar. 1500 Gegenstände kann man maximal sammeln, er hat 1387. Brutmaschinen, um gefangene junge Pokemon schnell kampffähig zu züchten, Heilgegenstände, um verletzte Artgenossen wieder fit zu machen. Sein Finger wischt über das Display. "Das hier ist zum Beispiel Rauch, also quasi ein wohlriechendes Parfum", erklärt er. Damit sollen Pokemon in seiner Nähe angelockt werden: Setzt er das Präparat ein, werden ihm an seinem jeweiligen Standort deutlich mehr Figuren zum Fangen angezeigt.

Als Pokemon Go 2016 auf den Markt kam, löste das Spiel einen weltweiten Hype aus. Mehr als zehn Millionen Menschen hatten allein in Deutschland die App auf ihren Handys installiert, Gruppen von Jugendlichen zogen auf ihre Smartphones starrend durch die Städte.

Pokemon Go: Alex Damm und Elena Tost sind in Pasing unterwegs, um Pokemon zu fangen - natürlich nur auf den Bildschirmen ihrer Smartphones.

Alex Damm und Elena Tost sind in Pasing unterwegs, um Pokemon zu fangen - natürlich nur auf den Bildschirmen ihrer Smartphones.

(Foto: Catherina Hess)

Dabei kam es auch zu Unfällen: Zwei junge Männer in Kalifornien stürzten beim Versuch, einen Pokemon zu fangen, eine Klippe hinab, ein Mann aus Großbritannien übersah vor lauter Pokemon-Jagdeifer die nahenden Bahngleise, stürzte auf eine Stromleitung und verlor ein Bein. Eine Studie der Purdue-Universität im US-Bundesstaat Indiana mit dem Namen "Tod durch Pokemon Go" geht von mehr als 250 Todesfällen aus, die durch die Benutzung der App verursacht worden sind.

Alex Damm und Elena Tost kennen die Berichte, passiert ist ihnen aber noch nichts Ernsthaftes. "Aber mich hat neulich eine Frau umgerannt", erzählt Tost. Inzwischen gebe es Warnhinweise in der App, die einen erinnern, die Umgebung im Auge zu behalten, meint Damm. "Das häufigste Problem ist das Stolpern."

In den Medien ist Pokemon Go längst nicht mehr so präsent, aber noch immer gibt es eine große Community von Spielern. Allein die Facebook-Gruppe "Pokemon Go München" hat knapp 8000 Mitglieder, regelmäßig gibt es an den Wochenenden Events, etwa an den Pasing Arcaden oder am Alten Südfriedhof, bei denen die Spieler gemeinsam losziehen. Alex Damm und Elena Tost, die mit Unterbrechungen von Anfang an dabei sind, organisieren ihre Mitspieler über eine Whatsapp-Gruppe. Das älteste Mitglied ist 62. "Der ist fast mit am eifrigsten dabei", meint Tost.

Oft entstehen durch das Spielen Bekanntschaften, ein paar seiner Freunde hat Alex Damm durch Pokemon Go kennengelernt. Elena Tost kennt er über Freunde, aber sie verbringen einen Großteil ihrer gemeinsamen Zeit mit Pokemon Go. Manchmal geht Damm vor dem Frühstück los, um ein paar Figuren für sie zu fangen. Oder sie ziehen gemeinsam im strömenden Regen los, weil eine bestimmte Sorte Wasserpokemon nur auftaucht, wenn es regnet.

Oft kombinieren sie das Spielen jedoch auch mit anderen Aktivitäten, gehen zwischendurch einen Kaffee trinken oder shoppen. "Es gibt selten Tage, an denen wir nur zum Spielen rausgehen", sagt Elena Tost. Aber das Spiel sorgt dafür, dass sie öfter rausgehen als früher. Und dass sie sich bewegen. Zehn bis 15 Kilometer legen sie pro Session zurück. Das hat der Schrittzähler auf Damms Handy ausgerechnet.

Um bestimmte Pokemon zu finden, reicht es manchmal jedoch nicht, nur in seiner Heimatstadt zu suchen. Auf jedem Kontinent gibt es spezielle Avatare, die nur in dieser Region vorkommen. An diese kommt man dann tatsächlich nur heran, wenn man in die Gegend reist oder sie mit jemandem tauscht, der dort auf Pokemonjagd gegangen ist. Ein Arbeitskollege von Damm war neulich in den Vereinigten Staaten; er hat ihn dann gebeten, ihm ein paar Pokemon mitzubringen.

"Ich müsste mal rein", sagt Alex Damm. Die Helligkeit des Displays, die er wegen der Sonne hoch eingestellt hat, dazu die ständig aktivierten Ortungsdienste - Damms Akku geht zur Neige. Während er lädt, wollen die beiden etwas essen, ein bisschen bummeln. Dann werden sie wieder zum Spielen rausgehen. Wie so oft, gerade jetzt, wenn der Frühling da ist.

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