Süddeutsche Zeitung

Podiumsdiskussion:Der Ärger ist noch nicht verraucht

Lesezeit: 3 min

Die Teilnehmerinnen der Frauenkonferenz wollen erreichen, dass Macht endlich gerechter verteilt ist

Von Pia Ratzesberger

Ein Bild, das man nicht oft sieht. Im Saal des alten Rathauses sitzen an diesem Nachmittag fünf Frauen auf dem Podium und alleine das ist schon selten. Doch auch vor ihnen, im Publikum, sitzt nicht ein Mann - und warum dieses Bild so selten ist, um die Frage wird es heute gehen. Es werden Antworten auf Fragen gesucht werden, die man sich nicht nur an diesem Nachmittag bei der Münchner Frauenkonferenz stellt, sondern überall im Land: Warum dominieren Männer noch immer die Politik? Warum sitzen so wenige Frauen in den Parlamenten? Warum ist die eine Hälfte der Gesellschaft noch immer stärker vertreten als die andere?

Man müsse sich nur einmal ansehen, wann und vor allem wie Männer reden, sagt Micky Wenngatz von der SPD. Sie ist in den Achtzigerjahren in die Partei eingetreten und engagiert sich für die Gleichstellung von Männern und Frauen, heute auch als Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. Meistens meldeten sich in Debatten Männer zu Wort, sagt Wenngatz, sie redeten länger, über Gott und die Welt, und dann sei es auch noch ruhiger im Saal als wenn eine Frau spreche. "Was Frauen zu sagen haben, hält die Mehrheit, also die Männer, meistens für nicht wichtig." Ihre Nachbarin auf dem Podium, Gülseren Demirel, die für die Grünen im Landtag sitzt, hat einen radikalen Vorschlag, wie man das ändern könnte. Zumindest in ihrer Partei funktioniere das Redeverbot bislang ganz gut: "Wenn sich keine Frauen mehr zu Wort melden und nur noch Männer sprechen würden, dürfen die Frauen darüber abstimmen, ob die Männer noch weiterreden." Das sei ein Akt der Befriedung, die Diskussion dann meistens auch beendet. Lachen im Saal.

Im Bayerischen Landtag sitzen derzeit 205 Abgeordnete, nur etwa jede Vierte ist eine Frau. Die Moderatorin Brigitte Theile vom Bayerischen Rundfunk hakt bei Tina Pickert nach, Geschäftsführerin der Jungen Union München, warum für ihre Partei nur so wenige Frauen im Parlament sitzen - die aber redet sich mit dem bayerischen Wahlrecht heraus. Politiker mit einem Direktmandat hätten eben bessere Chancen und "wenn einer schon lange im Landtag ist und einen guten Job macht, will man den ja auch nicht rausschmeißen." Wenngatz von der SPD lächelt - natürlich könne man das, man sollte das sogar, wird sie später sagen. Nur weil man ein Amt schon lange inne habe, stehe man nicht außerhalb des Wettbewerbs.

Ein Problem ist nach wie vor, dass sich viele Frauen nicht von sich aus um ein Amt bewerben. "Die Ortsvorsitzenden sagen mir dann immer, wir sind doch offen, die Frauen können doch kommen, zu den Stammtischen und so weiter", sagt Cécile Weidhofer, die für die Europäische Akademie für Frauen in Berlin arbeitet. Das aber reiche nicht. Man müsse Frauen gezielter ansprechen, ob sie Ämter übernehmen wollten - "während Männer sich mit 60 Prozent Wissen schon alles zutrauen, reichen Frauen 120 Prozent nicht aus, um sich zu trauen", wird es eine Frau aus dem Publikum später formulieren. In mindestens zwei Dingen ist man sich auf dem Podium einig: Damit sich etwas verändert, braucht es zuallererst ein verändertes Bewusstsein. Wie viele Männer seien sich auch viele Frauen nicht bewusst, wie ungleich die Macht in der Gesellschaft verteilt sei. Und Frauen sollten auch nicht versuchen die besseren Männer zu sein, sich an ein System anzupassen, das von Männern erfunden worden ist. "Wenn ich mir die Anzugträgerinnen in den Firmen anschaue, die sich damit Anerkennung verschaffen wollen, finde ich das schade", sagt Demirel. Die unterschiedlichen Kulturen könnten doch eigentlich voneinander lernen.

Sie wundere sich ohnehin, dass es über die wenigen Frauen im Landtag nicht mehr Wut gegeben habe, dass niemand deshalb auf die Straße gegangen sei, nachdem München sich in diesem Jahr doch so im Protest geübt habe. Pickert fragt dann: "Ist das ein Organisationsangebot für eine Demo?" - "Wenn Sie eine organisieren, dann komme ich", entgegnet Demirel.

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Quelle:
SZ vom 01.12.2018
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