Süddeutsche Zeitung

Podcast aus München:"Eine Motivation auf dem Weg zum supersaiyabrain"

In ihrem gleichnamigen Podcast setzt sich Sarra Chaouch-Simsek dafür ein, Vorurteile gegenüber dem Islam, aber auch gegenüber anderen Religionen auszuräumen.

Von Anton Kästner

Was ist eigentlich ein "supersaiyabrain"? Damit beginnt Sarra Chaouch-Simsek, 28, die Einführungsfolge ihres gleichnamigen Podcasts. "Ein supersaiyabrain ist für mich jemand, der nach Wissen strebt, der anderen Menschen hilft und an sich selbst arbeitet", erläutert Sarra. Entspannt sitzt sie an ihrem Schreibtisch, drei Finger der linken Hand halten das Smartphone auf Kinnhöhe. Als würde sie eine Sprachnachricht aufnehmen.

Der Podcast soll "für alle anderen und mich selbst eine Motivation auf dem Weg zum supersaiyabrain sein". Dabei ging der Name aus Sarras Leidenschaft für die Manga-Serie Dragonball hervor. Schon immer sei ihr großes Vorbild Prinz Vegeta gewesen, "weil er nie aufgab, egal was geschah". Dieses Durchhaltevermögen hat auch Sarra in ihrem Leben schon oft gebraucht. Als Muslima mit zwei tunesischen Eltern entschloss sie sich in der vierten Klasse dazu, ein Kopftuch zu tragen. Das war 2003, eineinhalb Jahre nach dem Anschlag auf das World Trade Center, also in einer Zeit, "in der die Vorurteile gegenüber Muslimen ihren Höhepunkt erreichten". Trotzdem ließ sich die junge Frau nicht einschüchtern, machte in München ihr Abitur und danach an der Hochschule für Politik ihr Diplom in politischer Wissenschaft. Danach "bin ich in ein Loch gefallen". Der Traum von der Promotion klappte nicht und all ihre Bewerbungen wurden abgelehnt. Sicher auch aufgrund des Kopftuchs, sagt sie.

Erst ein gutes Jahr später, im Mai 2019 tat sich wieder etwas in Sarras Leben, als sie ein Praktikum bei Radio Lora begann. Dort veröffentlichte sie verschiedenste Beiträge, über Rüstungspolitik genauso wie über die neueste Hunde-App. Für ihr Feature "Religionsausübung im Alltag - Muslime in Bayern" konnte die junge Journalistin im November dieses Jahres den Hörfunkpreis der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien im Bereich Nachwuchs gewinnen. "Der BLM-Preis hat mir wieder Motivation gegeben", sagt Sarra. Diese Motivation zeigt sie auch in Gesprächen. Gerne spricht sie über die Vielzahl ihrer Projektideen und fragt dabei auch gleichzeitig viel, interessiert sich.

"Sarra Chaouch-Simsek von Radio Lora zeigt den Hörern auf unterhaltsame Art, mit sehr guten O-Tönen, wie man als Muslima in diesem Land leben kann", begründete die Jury ihre Entscheidung für den Hörfunkpreis.

Sarra lässt in ihrem Radiofeature viele Menschen zu Wort kommen, die sich dafür einsetzen, Vorurteile gegenüber dem Islam, aber auch gegenüber anderen Religionen auszuräumen. So nahm sie für ihren Beitrag am Speed-Dialog im Café Bellevue teil, bei dem sich Muslime und Nicht-Muslime austauschen können, sprach mit dem Pressesprecher einer bosnischen Moschee in München und interviewte eine Christin, die in die Moschee geht. Außerdem begleitete sie das muslimische Fastenbrechen, das als großes Event auf dem Marienplatz veranstaltet wurde, mit ihrer Radioaufnahme und führte dort Straßeninterviews.

Ein anderes Radio-Feature trägt den Titel "Kleider machen Leute". Es beschäftigt sich mit der Frage, wie bestimmte Kleidung mit Vorurteilen behaftet ist, am Anfang sagt Sarra den Satz: "Ich selbst trage ein Kopftuch und fühle mich trotzdem deutsch." Sie zeigte Passanten Fotos von einer Frau im Bikini und einer anderen Frau im Burkini, fragte sie nach ihren Einschätzungen dazu, woher die Frauen kommen und welchen Beruf sie ausüben. Außerdem sprach Sarra mit einer Syrerin, die jetzt in Wien lebt und gerne Dirndl trägt und mit einer Niqab-Trägerin aus Kiel.

Sarra zeichnet auch Comics, die sie auf ihrem Instagram-Kanal "supersaiyabrain" (wie auch sonst?) veröffentlicht und schreibt einen Blog, mit dem sie anderen und sich selbst dabei helfen will, besseres Zeitmanagement zu lernen.

Und jetzt also der Podcast-Start. "Am Ende sollen Podcast, Blog und Instagram zusammenlaufen", sagt sie. Im Podcast will sie über Diskriminierung und Rassismus sprechen, aber auch politische Themen allgemeiner besprechen und Möglichkeiten von interreligiösem Dialog vorstellen. Fünf Freundinnen von ihr hätten sich schon als Interviewpartnerinnen angemeldet, "die eine ist Sozialarbeiterin, eine hat Deutsch als Fremdsprache studiert, eine andere Druck- und Medientechnik studiert und die haben alle ihre Erfahrungen gemacht. Ich finde, von ihnen ist jede auf ihre Art ein supersaiyabrain", sagt Sarra.

Für die Vorbereitung des Podcasts hat die junge Frau viel recherchiert und in Blogs gestöbert. Im Sommer hat sie außerdem an einem Seminar der Macher des Podcasts "Kanackische Welle" teilgenommen, wo sie Grundlagen zu Vorbereitung, Produktion und Verbreitung gelernt hat. Die ersten Folgen mit ihren Freundinnen wird sie ohnehin über Videogespräche aufnehmen müssen. Trotzdem freut Sarra sich auf die neue Herausforderung, "Podcast ist für mich freier Journalismus", sagt sie. Auch könne sie sich vorstellen, später noch in politischer Wissenschaft zu promovieren, "aber momentan habe ich eine Pause eingelegt".

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SZ vom 21.12.2020/van/syn
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